StartBewaffnungHirtenberger MDAS – Digitales Richtmittel für 81-mm-Mörser

Hirtenberger MDAS – Digitales Richtmittel für 81-mm-Mörser

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Hirtenberger Defence Systems (HDS) nutzte die Mortar Systems Conference (Bristol, UK) am 10. und 11. März 2020 dazu, die Mortar Digital Aiming Solution (MDAS), ein digitales Richtmittel für 81-mm-Mörser, vorzustellen. Das Einrichten und Richten (Zielen) von Zweibeinmörsern kann mittels dieses Systems unabhängig von Richtkreisen bzw. Periskopen und auch ohne Verbindungen zu Global Navigation Satellite Systemen (GNSS) durchgeführt werden.

Das moderne Gefechtsfeld erfordert einen schnellen und vor allem genauen Einsatz der jeweiligen Waffensysteme, um sich schnell verschiebende Ziele bekämpfen zu können bzw. die eigenen Waffensysteme während des Einsatzes nur kurze Zeit für feindliches Gegenfeuer zu exponieren.

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Die Komponenten des MDAS unterliegen nicht den ITAR-Regularien. (Foto: Hirtenberger)

Hirtenberger hat es sich daher zum Ziel gesetzt, den auf den Mörser bezogenen Sensor-to-Shooter-Cycle mittels Digitalisierung der abgesessenen Mörsersysteme zu verkürzen und so für den Einsatz auf dem zukünftigen Gefechtsfeld vorzubereiten. „Digitalisierung“ bedeutet in diesem Fall Einbindung des Waffensystems in ein Battle Management System und die Abbildung des Mörsers im digitalen Raum, was zum jetzigen Zeitpunkt nur für fahrzeuggestützte Systeme möglich ist.

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Nach dem 2018 für den 60-mm-Kommandomörser vorgestellten GRAM hat das österreichische Systemhaus für Mörsersysteme mit MDAS nun auch ein einsatzreifes System für 81-mm-Zweibein-Mörser im Angebot. MDAS unterliegt nicht den ITAR-Regularien und ist nach Aussage von Carsten Barth, CEO HDS, auch in der Lage, die beim Einsatz von 120-mm-Mörsern auftretenden Rückstoßkräfte auszuhalten. Daher soll MDAS in naher Zukunft auch für 120-mm-Mörser verfügbar werden.

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MDAS

Die Mortar Digital Aiming Solution wiegt weniger als sieben Kilogramm und besteht aus zwei Hardwarekomponenten, die je nach Ausprägung entweder mittels Kabelverbindung oder kabellos kommunizieren und in einer Transportbox geschützt transportiert werden können. Die zwei Systemkomponenten sind:

  • Ein navigationssystemunabhängiges, gyroskopbasiertes Sensorpaket samt Batterieeinheit (im Bild als schwarzer Kasten am Mörserrohr erkennbar), welches mittels einer Rohrschelle an jeglichen im Einsatz befindlichen 81er Mörsersystemen befestigt werden kann. Das System ist schockresistent, so dass es auch beim Feuern mit maximaler Ladung oder beim Stellungswechsel nicht vom Rohr abgenommen werden muss. Die Batterieladung ist ausreichend, um einen Dauerbetrieb der MDAS von über sechs Stunden zu gewährleisten.
  • Ein Display, welches an Stelle eines Periskops am Mörser befestigt wird und die Ausrichtung der Waffenanlage anzeigt.
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Das Display zeigt neben der Ausrichtung des Mörsers auch die einzustellenden Werte ein. (Foto: Hirtenberger)

Mit diesen Komponenten allein ermöglicht MDAS ein digitales und unabhängiges Richten.
Daneben kann das System in ein Feuerleitsystem eingebunden werden. Für diese Nutzung wird dann ein Feuerleitrechner (Laptop oder Smart Device) mit aufgespielter Feuerleitsoftware benötigt. Rechner und Software können durch den Nutzer herstellerunabhängig frei gewählt werden.

Alle für die Feuerleitung benötigten Daten (Zielmeldungen, Stellungsdaten etc.) können entweder automatisch aus einem Navigationssystem übernommen oder manuell über den Rechner in die MDAS eingegeben werden. In diesem Verbund ermöglicht MDAS die Einbindung der Mörserwaffe im digitalen Raum.

MDAS ist schockresistent und kann auch während des Feuerns am Mörser verbleiben. Hier Schuss mit der 6. Ladung eines 81-mm-Mörsers. (Video: Hirtenberger)

Funktionsweise

Das Video verdeutlicht die Funktionsweise und die einzelnen Schritte des Einsatzes.

  1. Nach Erreichen der Feuerstellung beginnt der Trupp mit dem Aufbau der Waffenanlage und parallelen Kalibrieren der MDAS. Die Kalibrierung kann, wie man es bereits von Zielortungsgeräten kennt, bis zu zwei Minuten in Anspruch nehmen und wird vom System automatisch durchgeführt. Wenn das System einmal kalibriert ist, hält es diese aufrecht. So ist es möglich, dass ein eingeschaltetes und kalibriertes System mehrmals die Position (Feuerstellung) wechselt, ohne den Kalibriervorgang neu zu starten. Dabei erspart man sich beim Bezug der neuen Feuerstellung jeweils die Zeit des Kalibrierens (Video). Nach Aussage von Carsten Barth ist die Genauigkeit des Systems ≤ 10 mil secLat. (nach 120 Sekunden Kalibrierung), ≤ 3 mil secLat. (nach 180 Sekunden Kalibrierung) bzw. ≤ 2 mil secLat. (nach 240 Sekunden Kalibrierung).
  2. Befestigung der MDAS mittels dafür am Rohr angebrachter Befestigungspunkte sowie des Displays an der Waffenanlage.
  3. Berechnung der Ausrichtung der Waffenanlage in Bezug auf Erhöhung und seitliche Ausrichtung durch MDAS.
  4. Ausrichten des Mörsers auf das Ziel.
    1. Der Feuerleitrechner ermittelt die notwendige Positionsveränderung des Mörserrohres, um dieses auf das Ziel auszurichten.
    2. Die notwendigen Korrekturen werden auf dem Display angezeigt und der Mörser, abhängig vom System, durch den Richt- und Ladeschützen auf das Ziel ausgerichtet. Die Kontrolle durch den Truppführer erfolgt mittels Anzeige auf seinem PDA. Der Mörser ist somit feuerbereit.
  5. Korrekturkommandos laufen analog zum Schritt 4.2 ab.

Das Video zeigt die einzelnen Schritte beim Beziehen einer nichtvorbereiteten Feuerstellung eines mit MDAS ausgerüsteten Dreier-Trupps. (Video: Hirtenberger)

Fazit

MDAS ist nach Angaben des Herstellers serienreif und wird derzeit in einem mitteleuropäischen Land einsatzerprobt. Das Konzept hinter MDAS bietet mehrere Vorteile:

  1. Es funktioniert waffensystemunabhängig und kann somit als Retrofit im Einsatz befindliche Mörsersysteme kampfwertsteigern und in die genutzten Battle-Management-Systeme der Streitkräfte integrieren. Dies erleichtert sowohl die Führung als auch den Einsatz der Systeme.
  2. Weiterhin ermöglicht die Digitalisierung eine deutliche schnellere Übermittlung der Zieldaten als mittels Sprechfunk. Je nach Stabilität der Datenverbindung werden auch Übertragungsfehler (falsches Verstehen) eliminiert. Dies ermöglicht eine schnellere Wirkung im Ziel.
  3. MDAS entlastet den Trupp. Dies gilt sowohl für Qualität als auch Quantität der Aufgaben. Das Einrichten der Waffenanlagen kann kräfteschonender erfolgen und der Richtstäbe setzende Munitionsschütze muss sich nicht im Vorfeld exponieren. Das Richten mittels digitalem Display ist einfacher zu erlernen und auch in Stresssituationen (Gefecht) einfacher durchzuführen als dies mittels Richtstäben/Kollimator und Periskop der Fall ist. Dies führt dazu, dass die Ausbildung einfacher und schneller erfolgen und die für das Feuern benötigte Truppstärke geringer ausfallen kann. Das freigewordene Personal, welches für den gefechtsmäßigen Transport der Waffenanlage weiterhin notwendig bleibt, kann so für zusätzliche Sicherungsaufgaben genutzt werden.
  4. Die Möglichkeit der navigationssystemunabhängigen Nutzung der MDAS erlaubt den Einsatz auch in einem durch elektronischen Kampf bestimmten Szenario.
  5. MDAS erlaubt es, den Mörser, wo notwendig und zweckmäßig, weiterhin in altbewährter Manier mit Periskop und Richtstäben einzusetzen.
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Die Kommunikation zwischen MDAS und Display kann sowohl per Kabel als auch kabellos erfolgen. (Foto: Hirtenberger)

Auch wenn das Waffensystem Mörser eine „einfache“ Waffe ist, sind mehrere gut ausgebildete Soldaten notwendig, um dieses Waffensystem effektiv, präzise und schnell zum Einsatz bringen zu können. Damit das Zusammenspiel zwischen Beobachter, Feuerleitung und den einzelnen Soldaten des Mörsertrupps auch in dem Gefecht inhärenten Stresssituationen fehlerfrei funktioniert, ist eine intensive Ausbildung notwendig. Die dafür benötigte Zeit ist, insbesondere bei Streitkräften, die auf Wehrpflichtige setzen oder die Befähigung Mörsersoldat nur in Zweitfunktion vorsehen, nicht immer vorhanden. Einzelne Schrittabläufe, welche mittels Hard- oder Software übernommen werden, können die Soldaten deutlich entlasten.

Es ist jedoch wichtig, dass die Funktionsweise des Waffensystems in Notlagen – Ausfall eines Unterstützungssystems aufgrund von Fehlfunktion, Verschleiß, Bedingungen des elektronischen Kampfes – nicht beeinträchtigt werden darf. Im Falle des Falles muss das Waffensystem über Redundanzen verfügen, um bei Bedarf auch „klassisch“ eingesetzt werden zu können.

MDAS hat das Potential, den Einsatzwert von klassischen Zweibeinmörsern zu erhöhen, indem Führungsfähigkeit sowie Einsatzgeschwindigkeit der Waffensysteme verbessert werden, während gleichzeitig der notwendige Ausbildungs- und Personalaufwand der Mörsertrupps reduziert werden kann.

Es bleibt dem jeweiligen Nutzer überlassen, wie dieser die freigewordenen Kapazitäten nutzen möchte. Es muss jedoch bedacht werden, dass das Gewicht der Waffenanlage durch MDAS nicht verringert wird, für den Transport der Waffenanlage (Stellungswechsel etc.) wird weiterhin die volle Truppstärke benötigt. Erst einmal in Stellung gebracht, könnte ein Mörser im Notfall, beispielsweise einem Angriff auf die Feuerstellung, auch nur durch einen einzigen Soldaten vergleichsweise schnell bedient werden (mechanische Ausrichtung des Mörsers auf die vom System vorgegeben Richtwerte und das Vorbereiten und Laden der Munition), alle anderen Truppsoldaten könnten den infanteristischen Feuerkampf führen.

Waldemar Geiger