StartBewaffnungtrigalight: Schweizer Nukleartechnologie für Handwaffen

trigalight: Schweizer Nukleartechnologie für Handwaffen

Waldemar Geiger

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Nukleartechnik ist vermutlich das letzte, was einem in den Sinn kommt, wenn man an Handwaffen denkt. Trotzdem bieten fast alle renommierten Handwaffenhersteller ihre Produkte mit Komponenten an, die auf dieses Technologiefeld zurückgreifen – etwa zur Markierung von Kimme und Korn. Diese beleuchteten Zielmarkierungen sind insbesondere für das Schießen mit Pistolen in dunkler Umgebung wichtig.

Spezialisiert auf die sichere Nutzung dieser Technologie ist die mb-microtec AG, ein Schweizer Hidden Champion auf dem Gebiet der Selbstleuchttechnologien, der unter dem Markennamen trigalight selbstleuchtende Handwaffenziellösungen auf Basis von radioaktivem Tritium fertigt und weltweit vertreibt. Im Gegensatz zur Verwendung von selbstleuchtender Farbe – deren Leuchtkraft bereits nach wenigen Stunden Dunkelheit stark nachlässt – leuchten die Tritium-Quellen nach Angaben des Unternehmens mindestens 10 Jahre lang.

„Die mb-microtec ist Marktführerin auf dem Gebiet der Selbstleuchttechnologie mit etwa 98 Prozent Weltmarktanteil“, erklärt Roger Siegenthaler, CEO des rund 80 Mitarbeiter umfassenden Familienunternehmens aus Bern, im Rahmen eines Fachpresseevents am 17. Mai. „Wir sind in der Lage, die weltweit kleinsten gasförmigen Tritium-Quelle herzustellen“, führt er weiter aus. Bei den so genannten Tritium-Lichtquellen handelt es sich im Grunde um stromlose Leuchtstoffröhren in micro, wie der CEO erklärt.

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Das Funktionsprinzip ist wie folgt: Die Innenseite kleiner Glaskapillare wird mit einem lumineszierenden Pulver (Zinksulfid) beschichtet. Daraufhin werden die Kapillare mit dem radioaktiven Tritiumgas befüllt und hermetisch abgedichtet. Wenn das Tritium zu Helium 3 zerfällt, werden Elektronen ausgesendet, die die lumineszierende Beschichtung zu einem über Jahre hinweg konstanten Leuchten anregen. Das verwendete Tritium hat eine Halbwertszeit von 12,32 Jahren und sendet Beta-Strahlung aus, die die Haut nicht durchdringt. Die emittierte Strahlung liegt deutlich unter der Strahlendosis durch natürliche Hintergrundstrahlung.

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Für taktische Visiere werden die Lichtquellen mittels einer robusten Aluminiumhülse sowie Saphirschutzglas ummantelt. Für den Nutzer stellen diese Visiere somit keine Gefahr dar. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass eine Lichtquelle zerbrechen und der Schütze das gesamte austretende Gas direkt einatmen sollte, wäre die Strahlenbelastung nach Angaben des Unternehmens unterhalb eines Zehntels eines Transatlantikfluges.

Neben Stahlvisieren werden die trigalight-Lichtquellen auch für stromlose Absehen-Beleuchtungen in Rotpunktvisieren, Zielfernrohren oder der Illumination von militärischen Kompassen genutzt. „Etwa 95 Prozent aller taktischen Lichtquellen sind von trigalight“, erklärt Beat Scheidegger, Head of trigalight bei mb-microtec. Zu den Kunden der Schweizer Firma zählen unter anderem Handwaffenhersteller wie CZ, Beretta und Sig Sauer sowie Optikproduzenten wie Meprolight und Trijicon. Darüber hinaus erlaubt es die Miniaturbauweise, die Lichtquellen – der kleinstmögliche produzierbare Außendurchmesser beträgt 0,3 mm, was in etwa einem Menschenhaar entspricht – auch für die Beleuchtung von Uhrenziffernblättern, wie beispielsweise der hausinternen Uhrenmarke traser, zu nutzen. Überall dort, wo Lichtquellen als Markierungen gebraucht werden, können die trigalight-Lichtquellen genutzt werden. Die Produktion der Tritium-Lichtquellen ist nach Angaben des Unternehmens in allen möglichen Farben und allen denkbaren Formen möglich.

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Die Produktion der Tritium-Lichtquellen ist nach Angaben des Unternehmens in allen möglichen Farben und allen denkbaren Formen möglich. (Foto: Waldemar Geiger)

Damit diese Nukleartechnologie für den Nutzer sicher ist, bedarf es jedoch einer Menge Know-how, wie Siegenthaler verdeutlicht. So muss beispielsweise das Unternehmensgebäude Nuklearstandards erfüllen, damit sichergestellt werden kann, dass kein Tritiumgas in die Umwelt entweichen kann. Dafür erfolgt die komplette Produktion der Lichtquellen in einem abgeriegelten Unterdruckbereich. Auch ein autonomer Betrieb bei Stromausfall muss sichergestellt werden. Jegliche Produktionsabfälle des kostbaren Isotops werden aufgefangen und in der jüngst freigegebenen hauseigenen Recyclinganlage rückgewonnen. Die Schweizer verarbeiten rund 16 Gramm Tritium pro Jahr – der Rohstoffpreis liegt bei 33.000 US-Dollar pro Gramm – und sind in der Lage, daraus 13 Millionen Lichtquellen zu fertigen.

Waldemar Geiger