Die litauische Regierung hat am Mittwoch dieser Woche, 3. Juni, einem Vorschlag des Verteidigungsministeriums zugestimmt, aus dem internationalen Abkommen über Streumunition auszusteigen. Parlament und Präsident müssen der Erklärung noch zustimmen. Wie das litauische Verteidigungsministerium auf seiner Website erklärte, sei der Grund die verschlechterte Sicherheitssituation und die direkte Bedrohung des Landes durch Russland.
Die sogenannte Oslo-Konvention von 2008 verbietet den Unterzeichnerstaaten Herstellung, Besitz, Einsatz und Weitergabe von Streumunition mit zehn oder mehr Bomblets von je vier Kilogramm Masse oder weniger, die nicht über elektronische Zielsuch- und Selbstzerstörungs- bzw. Deaktivierungsmechanismen verfügen. Ausgenommen sind auch Typen mit Submunition von mindestens je 20 Kilogramm Masse, unabhängig von enthaltener Anzahl und Mechanismen. Sie entstand aufgrund der Problematik, dass Submunitions-Blindgänger große Gebiete gefährlich für die Zivilbevölkerung machen.
Insgesamt haben 124 Staaten die Konvention unterzeichnet und 112 diese ratifiziert, darunter bei den Erstunterzeichnern auch Litauen. Bedeutende Nicht-Unterzeichner sind die USA, China, Indien, Israel, Polen, Russland und die meisten anderen sowjetischen Nachfolgestaaten einschließlich der Ukraine, Estland und Lettland. Im Ukraine-Krieg haben beide Seiten Streumunition eingesetzt, die ukrainischen Streitkräfte auch von den USA gelieferte Artilleriegranaten und ballistische ATACMs-Raketen. Grund war auch der zeitweise Mangel an konventionellen Granaten und umfassende russische Störmaßnahmen gegen GPS-gesteuerte Präzisionsmunition.
In seiner Erklärung weist das litauische Verteidigungsministerium darauf hin, dass Streumunition hocheffektiv bei der Verteidigung großer Gebiete ist und den logistischen Aufwand sowie die Kosten gegenüber konventioneller Munition um die Hälfte reduziert. Es betont auch, dass die Konvention verbündete Streitkräfte auf seinem Hoheitsgebiet ebenfalls binde, was offensichtlich vor allem den Einsatz durch die USA beträfe. Die litauische Beteiligung verschaffe einem potenziellen Angreifer daher einen Vorteil, wobei ausdrücklich erwähnt wird, dass Litauen und Norwegen die einzigen Unterzeichnerstaaten mit einer Grenze zu Russland seien.
Würde Litauen erst im Fall eines tatsächlichen Angriffs aus der Konvention aussteigen, könne es keine Streumunition zu dessen Abwehr mehr beschaffen, so das Ministerium weiter. Das Abkommen sieht eine sechsmonatige Kündigungsfrist vor, im Falle der Beteiligung der betreffenden Partei an einem bewaffneten Konflikt vor Ablauf dieser Frist tritt deren Ausstieg aber erst nach Ende der Feindseligkeiten in Kraft. Für den Einsatz durch die litauischen Streitkräfte kämen 155-mm-Munition aus der Panzerhaubitze 2000 und der bestellten französischen Selbstfahrhaubitze CAESAR sowie das ab 2025 zulaufende US-Raketenartilleriesystem HIMARS in Frage.
Stefan Axel Boes