MBDA Deutschland präsentierte kürzlich auf der Enforce Tac 2025 in Nürnberg das neue Konzept des Multidomain Multirole Remote Carrier (kurz RCM²). Dabei handelt es sich um ein weitreichendes, fliegendes Waffensystem beziehungsweise einen taktischen, modular aufgebauten und vernetzten Remote Carrier. Dieser kann sowohl in der Rolle Luft-Boden als auch Boden-Boden eingesetzt werden. Somit eignet sich dieser Ansatz streitkräfteübergreifend für bemannte und unbemannte Luftfahrzeuge, stationäre und mobile See- und Landplattformen sowie für die Streitkräftegemeinsame Taktische Feuerunterstützung (STF).

Die Remote Carrier können unter anderem landgestützt aus 20-Fuß-ISO-Containern gestartet und mittels LKW mobil gehalten werden. Auch der Einsatz auf größeren unbemannten Landfahrzeugen (UGV, Unmanned Ground Vehicle) ist möglich. Darüber hinaus soll die Artillerie eine für das Heer speziell angepasste Variante namens Joint Fire Support Missile (JFS-M) mit dem Precise and Launching System (PULS) EuroPULS von KNDS Deutschland und Elbit Systems nutzen können. Alternativ ist auch der Transport durch fliegende Plattformen wie den Airbus A400M, die Lockheed Martin C-130J Super Hercules oder Kampfflugzeuge vorgesehen.
Querschnittlicher Einsatz von RCM² möglich
Durch den Einsatz von Luftfahrzeugen kann die Aufklärungs- und Kampfreichweite des RCM² erheblich gesteigert werden. Auch seegestützte und seegehende Plattformen sind denkbar. Bodengebunden könnte der RCM² für eine noch größere Reichweite mit einem entsprechenden Booster versehen werden. MBDA führt hierzu Gespräche mit Bayern Chemie (einem Tochterunternehmen von MBDA) sowie NAMMO.
Der Remote Carrier kann mit kinetischen und elektromagnetischen Effektoren oder missionsspezifischen Nutzlasten ausgestattet werden. Dadurch kann der Multidomain Multirole Remote Carrier sowohl als Sensor zur Aufklärung als auch als Effektor für Soft- und Hardkill-Operationen eingesetzt werden. Die vielseitigen Nutzlastoptionen ermöglichen unterschiedliche Einsatzrollen, darunter:
- Elektronische Kampfführung (EloKa)
- Aufklärung (ISTAR: Intelligence, Surveillance, Target Acquisition and Reconnaissance)
- Jammer (Soft-Kill)
- Effektor mit Gefechtskopf (Hard-Kill).
Laut MBDA Deutschland soll eine Nutzlast von bis zu 90 Kilogramm möglich sein, was in etwa der GMLRS-Rakete (gelenkte Boden-Boden-Rakete für Mehrfachraketenwerfer MLRS beziehungsweise HIMARS) entspricht.
Effektivität im Schwarm
Die RCM² sind insbesondere in einem auftragsbasierten Effektor-Verbund mit hoher Überlebensfähigkeit in stark umkämpften oder verteidigten Einsatzgebieten einsetzbar und erhöhen so die operative Durchsetzungsfähigkeit. Laut MBDA basiert das Konzept auf Schwarmverhalten und künstlicher Intelligenz (KI).
KI unterstützt die Steuerung des Schwarms und passt intuitiv das Verhalten der einzelnen Remote Carrier an, sollte einer ausfallen. Dadurch wird der Verbund flexibler, widerstandsfähiger und insgesamt durchsetzungsfähiger. Als bevorzugtes Flugprofil ist der Tiefflug zur Erhöhung der Überlebensfähigkeit vorgesehen. Ein weitergehender Konturenflug, der die Tarnung zusätzlich erhöhen würde, ist ebenfalls angedacht. Letzterer würde die Durchsetzungs- und Überlebensfähigkeit weiter steigern, jedoch auch zu einer größeren, schwereren und komplexeren Technologie führen.

IOC in drei bis fünf Jahren angestrebt
MBDA plant, bei der Entwicklung auf bestehende Technologien und eigene Ressourcen zurückzugreifen, um eine zeitnahe Demonstration der Wirkkette des Gesamtsystems zu ermöglichen. In einem ersten Schritt soll der Launcher und der RCM² in einem Bodenversuch getestet werden, bevor Demonstrationen mit ausgewählten Nutzlastoptionen folgen. Der angestrebte Zeitrahmen bis zur Initial Operational Capability (IOC) beträgt drei bis fünf Jahre. Die Reichweite des RCM² soll ohne Transport durch ein Luftfahrzeug und bei Start mit Hilfe eines Boosters über 300 Kilometer betragen.
Zunächst ist der Einsatz gegen stationäre Ziele vorgesehen. Später soll der RCM² mit einem entsprechenden Suchkopf für bewegliche Ziele (relocated targets) ausgestattet werden. MBDA betont, dass der RCM² ein wachstumsfähiges Konzept ist, das sich mit der Zeit und neuen Herausforderungen weiterentwickeln kann. Die Kommunikation der Remote Carrier kann auch über sehr große Distanzen erfolgen. Hierfür kann optional der taktische Datenlink Link 16 als digitaler Datendienst genutzt werden. Laut MBDA Deutschland hat der RCM² eine Länge von ca. vier Metern und ein Gesamtgewicht von rund 400 Kilogramm, inklusive Booster.
André Forkert