Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius will bereits im kommenden Gesetz über die Reform des Wehrdienstes auch eine Option zur Reaktivierung der Wehrpflicht verankern. Das sagte der SPD-Politiker am gestrigen Sonntagabend in der ARD. Zwar sei das Ziel, zunächst auf Freiwilligkeit zu setzen, das Gesetz solle aber bereits Regelungen für den Fall enthalten, dass zu wenige Freiwillige Wehrdienst leisteten. Diese müssten dann nur noch aktiviert werden, wenn der Fall eintrete. Man könne bei einem Fehlen von Freiwilligen nicht erst in ein neues Gesetzgebungsverfahren einsteigen: „Dafür haben wir keine Zeit.“
Pistorius wollte nicht ausschließen, dass dies noch in der jetzigen Legislaturperiode geschehen könnte. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert. […] Wir orientieren uns dabei am schwedischen Wehrdienstmodell. Wir werden noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung schaffen.“
Mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht vor oder nach 2029?
Damit konnte sich die Union nicht durchsetzen, die in der Arbeitsgruppenphase der Verhandlungen noch das Ende der Wehrpflicht-Aussetzung gefordert hatte. Jedoch konnte sie zumindest ein „zunächst“ in der Entscheidung zur Freiwilligkeit unterbringen. Aus der SPD wurde dies bislang zumeist so interpretiert, dass man dann falls nötig in der nächsten Legislaturperiode zum Pflichtdienst zurückkehren könne.
Allerdings endet diese planmäßig 2029, was weithin als der Zeitpunkt genannt wird, zu dem Russland militärisch auch zu einem Angriff auf NATO-Territorium in der Lage sein werde. Pistorius hatte kürzlich erklärt, dass man angesichts der Erhöhung der NATO-Forderungen an die Mitgliedstaaten 50- bis 60.000 aktive Soldatinnen und Soldaten mehr für die Bundeswehr als die bislang geplanten 203.000 brauchen werde.
Nachdem der bisherige NATO-Planungshorizont 2031 war, dürften die neuen Ziele zwar erst für Mitte des nächsten Jahrzehnts vorgesehen sein. Zeigt sich aber bereits bis 2029, dass sich diese nicht mit Freiwilligen erreichen lassen, dürfte schnelles Handeln geboten sein. Nicht zuletzt müssen auch die für den geplanten Verteidigungsumfang der Bundeswehr von 460.000 Mann notwendigen Reservisten zunächst einmal gewonnen und ausgebildet werden.
Stefan Axel Boes