Die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan zeigen auf dramatische Weise, wie schnell eine Sicherheitslage in einem Krisengebiet sich verschlechtern oder komplett kippen kann. Unabhängig von den aktuellen Geschehnissen am Hindukusch soll hier kurz erläutert werden, in welcher Weise mehrere Ministerien für den Schutz deutscher Bürger vor Ort und deren sichere Rückführung nach Deutschland zusammenarbeiten. Namentlich sind dies das Bundeskanzleramt, das Auswärtige Amt (AA), das Bundesministerium des Innern und Bundesministerium der Verteidigung sowie deren nachgeordnete Bereiche.
Schutz von Auslandsvertretungen
Die Federführung für den Schutz von Auslandsvertretungen liegt beim Auswärtigen Amt (AA). Dessen Referat 107 ermittelt unter anderem mit Hilfe der Nachrichtendienste und des Bundeskriminalamtes (BKA), welche Botschaften durch welche Maßnahmen zu schützen sind. Teilweise greift man dabei auf lokale Sicherheitskräfte zurück.
Für den in § 9 Abs. 1 Ziff. 2 Bundespolizeigesetz geregelten Schutz deutscher Auslandsvertretungen gibt es bei der Bundespolizei speziell dafür ausgebildete Sicherheitsbeamte an der Auslandsvertretung.
Für die personelle und materielle Sicherheit in Auslandsvertretungen ist die Bundespolizei-Dienststelle „Polizeiliche Schutzaufgaben Ausland“ (PSA) verantwortlich. Die Geburtsstunde dieser Dienststelle schlug Ende der 2000er Jahre.
Grundgedanke für die Aufstellung dieses Verbandes war die Entlastung der GSG 9 der Bundespolizei. Die Spezialeinheit übernahm seinerzeit anlassbezogen in Risikoregionen den Schutz einiger Auslandsvertretungen. Die Einsatzbeamten kamen beispielsweise in Libyen, im Libanon, in Kolumbien, Kenia, Irak oder Afghanistan zum Einsatz. Mitte der 2000er Jahre zeichnete sich jedoch insbesondere im Irak und Afghanistan ab, dass die zuvor relativ kurzfristigen Einsätze Daueraufgaben werden würden. Das band Personal der GSG 9-Einsatzeinheiten langfristig, weshalb Abstriche bei den originären Aufträgen drohten. Daher wurde 2008 unter der Leitung des damaligen stellvertretenden Kommandeurs der GSG 9, Reinhard Pürkenauer, die heutige PSA als Aufbaustab Schutzaufgaben in Krisengebieten (ASSiK) ins Leben gerufen. Sie firmierte dann als Arbeitsstab SiK und bildete schließlich das Referat 44 SiK im Bundespolizeipräsidium in Potsdam. Die operativen Kräfte waren weiter in Sankt Augustin stationiert. Ebenso erfolgten dort Ausbildung und Inübunghaltung – im engen Schulterschluss zur GSG 9.
Zwischen 2013 und 2017 institutionalisierte die Bundespolizei diese enge Kooperation sogar. Sie löste das Referat SiK auf. Unter der Bezeichnung Spezialkräfte Bundespolizei waren die ehemaligen SiKler nun als Dienststelle PSA an die GSG 9 angebunden und deren Kommandeur unterstellt. Das Akronym PSA stand seinerzeit für Personenschutz Ausland. Bewerber für die GSG 9 und die PSA durchliefen ein gemeinsames Eignungs- und Auswahlverfahren (EAV). Dabei galten aber unterschiedliche Eignungsparameter.
Seit 2017 sind diese Kräfte, ebenso wie die übrigen Spezialkräfte der Bundespolizei, in der Bundespolizeidirektion 11 zusammengefasst.
Im Zuge der Neustrukturierung unter der Bundespolizeidirektion 11 erweiterte sich wiederum das Aufgabengebiet der PSA. Zu den Polizeilichen Schutzaufgaben Ausland zählt natürlich weiterhin die personelle und materielle Sicherheit in Auslandsvertretungen, aber auch die polizeiliche Beratung in Sicherheitsfragen. Neben den Personenschützern führt die Dienststelle jetzt ebenso die anderen Elemente für den Schutz der Auslandsvertretungen in Krisengebieten und diejenigen für die Sicherheitsberatung. Hierzu wurden die seit den 1970er Jahren existierenden Kräfte des alten Hausordnungs- und Objektschutzdienstes (HOD) der Dienststelle in neuer Form angegliedert. Sie kommen als Sicherheitsbeamter Auslandsvertretung (SAV) über längere Zeiträume (ein Jahr) oder als zusatzqualifizierter Krisen-Sicherheitsbeamter Auslandsvertretung (K-SAV) rund vier Monate lang zum Einsatz.
Als weitere Kategorie gibt es die Sicherheitsberater (SiB). Die müssen auch neben zu den SAV und K-SAV ein Eignungs- und Auswahlverfahren durchlaufen. Sie sind ebenfalls längerfristig – zwei bis vier Jahre – im Einsatz. Zudem haben sie regionale Zuständigkeiten, beraten also mehrere Auslandsvertretungen in Fragen der polizeilichen Gefahrenabwehr. Hierzu unterhalten und pflegen sie umfangreiche Netzwerke. Mit einem SAV 2.0 hat die Bundespolizei zudem eine weitere Kategorie geschaffen, die unterhalb des Aufgabenportfolios des Sicherheitsberaters liegt. Er übernimmt auch die Sicherheitsberatung, kann sich dabei aber auf nur ein Land konzentrieren.
Den Personenschutz, der Botschaftern und Gesandten nur bei besonderen Bedrohungslagen durch Kräfte der Bundespolizei gewährt wird, übernehmen die Personenschutzkommandos (PSK). Die PSK gehen in der Regel drei Monate in den Einsatz, haben dann sechs Wochen Pause und dann eine umfassende Nachbereitung. Es folgt eine zwölf bis 14 Wochen lange Phase der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Tagesdienst in Sankt Augustin, bevor man sich wieder auf die nächste Tour vorbereitet.
Auch Angehörige der Führungsgruppe oder Fortbilder der Dienststelle können bis zu sechs Wochen in den Einsatz gehen. Auf diese Weise gewährleistet PSA, dass auch dieser Personenkreis auf aktuellem Stand über die sich durchaus verändernde Lage in den Einsatzgebieten bleibt. Ebenfalls erwähnenswert: Alle Kräfte haben im Auslandseinsatz Diplomatenstatus, da sie formell dem Auswärtigen Amt unterstehen.
Rettungs- und Evakuierungsoperationen
Die Rettung deutscher Staatsbürger aus dem Ausland ist ein Auftrag der Bundespolizei (§8 Abs. 2 Bundespolizeigesetz). Ihre Verwendung, über die der Bundesminister des Innern (und inzwischen auch für Bau und Heimat zuständig) im Einvernehmen mit dem AA entscheidet, ist „nur für humanitäre Zwecke oder zur Wahrnehmung dringender Interessen der Bundesrepublik Deutschland und im Einvernehmen mit dem Staat, auf dessen Hoheitsgebiet die Maßnahme stattfinden soll, zulässig.“ Ein Parlamentsbeschluss, der bei einem Auslandseinsatz der Bundeswehr erforderlich ist, ist nicht nötig, allerdings ist auf Beschluss des Bundestages der Einsatz abzubrechen.
Auch die Bundeswehr kann für Rettungs- und Evakuierungsoperationen eingesetzt werden. Bereits im Jahre 2000 trafen AA und das Bundesministerium der Verteidigung im Rahmen der Krisenvorsorge der Auslandsvertretungen und präventiver Maßnahmen zum Schutz von Deutschen im Ausland eine Ressortvereinbarung über die „Entsendung von Krisenunterstützungsteams (KUT) an Deutsche Auslandsvertretungen“ und eine weitere über die „Implementierung eines Krisenvorsorge-Informationssystems“.
Krisenunterstützungsteams
Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr (EinsFüKdoBw) ist für die Planung und Führung Militärischer Evakuierungsoperationen (MilEvakOp) zuständig. Um diese vorzubereiten werden die KUTs auf Anforderungen des Auswärtigen Amtes eingesetzt. Diese setzen sich aus unterschiedlichen Spezialisten zusammen. In der Regel bestehen sie aus Soldaten des EinsFüKdoBw und der Division Schnelle Kräfte sowie Mitarbeitern des AA. Angehörige des Krisenreaktionszentrums des Auswärtigen Amtes fungieren als Gesamtleiter.
Die Soldaten erhalten für die Dauer ihres Einsatzes einen Diplomatenpass, sie versehen ihren Dienst in zivil und unbewaffnet. Daher ist ein KUT kein Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland, so dass zuvor nicht die Zustimmung des Bundestages eingeholt werden muss.
Im Falle einer aktuellen Krise können KUTs in die Krisenregion zur Unterstützung der Deutschen Auslandsvertretung entsandt werden. Für die Dauer des Einsatzes untersteht das KUT dem jeweiligen Botschafter vor Ort.
Die Stärke der KUT und die Dauer der Mission – in der Regel wenige Tage – richtet sich nach Lage und Auftrag. Es werden drei Optionen, KUT 1 bis KUT 3, unterschieden:
- KUT 1: Krise erscheint möglich: Beratung von Auslandsvertretungen bei Planung von Evakuierungsmaßnahmen
- KUT 2: Krise steht akut bevor: Konkrete Planung und Beratung von Auslandsvertretungen
- KUT 3: Krise ist ausgebrochen: Unterstützung einer Auslandsvertretung bei der Durchführung einer Evakuierungsoperation
Die KUT können bereits auf eine breite Einsatzerfahrung zurückblicken.
Militärische Evakuierungsoperation
Beim Eintritt einer plötzlichen Krise kann der Bundestag eine durch das BMVg geführte Militärische Evakuierungsoperation anordnen, falls eine einfache Ausreise oder eine Diplomatische Evakuierung nicht mehr möglich oder erfolgsversprechend erscheinen.
Eine MilEvakOp kann sowohl in einem günstigen, als auch unsicheren oder auch feindlichen Umfeld erfolgen. Dies kann in Form einer sogenannten Schnellen Evakuierung oder Robusten Evakuierung erfolgen. Im ersten Fall werden die zu evakuierenden Personen per Luft- oder See evakuiert. Bei der Robusten Evakuierung werden die Einsatzkräfte über Land eingesetzt. Wann welche Möglichkeit gewählt wird, wird in Abhängigkeit der spezifischen Lage sowie der vorhandenen geographischen Gegebenheiten und der zur Verfügung stehenden Mittel und Kräfte entschieden. Auch eine Kombination der einzelnen Möglichkeiten der Evakuierung ist möglich.
Für Militärische Evakuierungsoperationen hält die Bundeswehr kurzfristig abrufbare Verbände bereit. Kern der MilEvakOp-Kräfte bildet die Fallschirmjägertruppe. Der Haupttruppensteller ist das im niedersächsischen Seedorf stationierte Fallschirmjägerregiment 31. Dazu kommen Soldatinnen und Soldaten aus allen anderen Teilstreitkräften und militärischen Organisationsbereichen, etwa Feldjäger/Militärpolizei, Spezialkräfte, Sanitätskräfte, Heeresflieger sowie Kräfte der Luftwaffe und des CIR. Auch die Marine unterstützt Rettungs- und Evakuierungsoperationen.
Fazit
Für den Schutz und die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland steht eine Vielzahl von Kräften bereit. Diese arbeiten bereits präventiv, um im Fall der Fälle schnell handeln zu können. Ebenso ist natürlich – wie jetzt in Afghanistan – eine enge Abstimmung mit Freunden und Verbündeten notwendig. Und das Wichtigste: Es braucht den politischen Willen zum Handeln. Solche ressortgemeinsamen Einsätze müssen geführt und dürfen nicht verwaltet werden.