StartStreitkräfteÜberlegungen zum Kräftedispositiv Mittlere Kräfte im deutschen Heer

Überlegungen zum Kräftedispositiv Mittlere Kräfte im deutschen Heer

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Zusammen mit den leichten, luftbeweglichen Kräften (Anteile der Infanterie) sowie den schweren, durchsetzungsfähigen Kräften (Panzergrenadier- und Panzertruppe) könnten neue als „mittlere Kräfte“ bezeichnete Großverbände das zukünftige Fähigkeitsspektrum des Heeres bilden. Das erläuterte Oberstleutnant Kord Fuchs aus der Abteilung Grundsatz im Amt für Heeresentwicklung im Rahmen einer heute vom Behördenspiegel ausgerichteten Vortragsreihe mit dem Titel „Mittlere Kräfte des Heeres“.

Die als mittlere Kräfte bezeichneten Truppenkörper sind in der derzeitigen Bundeswehr-Struktur nicht abgebildet und werden gerade ausgeplant, wie aus dem Vortrag hervorgeht. Die finale Gliederung der Kräfte und Mittel dieses Kräftedispositivs ist demnach auch noch nicht abgeschlossen.

Laut Vortrag soll das Kräftedispositiv zur Abschreckung einerseits schnell in weit entfernte Einsatzräume selbst verlegen und anderseits dort auch über einen längeren Zeitraum verbleiben können. Die Mobilität der neuen Kräftekategorie wird laut Planung über geschützte Radfahrzeuge sichergestellt. In der Phase eines hochintensiven Gefechtes sollen die mittleren Kräfte sowohl zu defensiven, als auch offensiven Operationen befähigt sein. Dazu sind nicht nur organische Fähigkeiten zur Aufklärung, sondern auch Fähigkeiten zum Fördern von Bewegungen vorgesehen. Weitere Fähigkeiten dieser Kräfte sind die Befähigung zum Kampf gegen gepanzerten Feind, der Zugriff auf indirektes weitreichendes Feuer sowie die Abwehr von Bedrohungen aus der Luft.

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In einem Zwischenfazit beschreibt Oberstleutnant Fuchs, was die Anforderungen an die neuen Kräfte sind:

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  • Strategisch- und operativ eigenbeweglich im Landmarsch zu verlegen
  • Raumverantwortung in Stabilisierungsoperationen, auch in hybriden Lagen, zu übernehmen
  • Räume zu überwachen und rückwärtige Räume zu schützen
  • Als Brigade Operationen verbundener Kräfte selbstständig führen zu können
  • Als robuste Kräfte der ersten Stunde mit einem starken Aufklärungs- und Wirkverbund überdehnte Räume zeitlich begrenzt auch gegen überlegende Feindkräfte halten zu können
  • Erkannte Lücken in der Verteidigung sowie Angriffserfolge durch den schnellen Stoß in die Tiefe zu nutzen und gewonnenen Raum zeitlich begrenzt zu verteidigen
  • Als taktische und operative (oder strategische) Reserve eingesetzt zu werden

Dazu solle eine „Brigade Mittlere Kräfte“ über vier Kampftruppenbataillone sowie vier Unterstützungsbataillone (Aufklärung, Pioniere, Artillerie und Versorgung) verfügen. Daneben sollen Fähigkeiten, die nicht zum Heer gehören, wie beispielsweise der Sanität, ABC-Abwehr, Flugabwehr, Elektronischer Kampf, Operative Informationen in das Kräftedispositiv „tief integriert“ werden.

Fuchs verweist darauf, dass die Forderung an die hohe operative Radmobilität mit dem derzeitigen Material nicht sichergestellt werden kann. Es fehlen dazu sowohl durchsetzungsfähige Gefechtsfahrzeug für die Kampftruppe als auch Radhaubitzen. Seinen Ausführungen zufolge wäre die Aufstellung einer ersten vollbefähigten „Brigade Mittlere Kräfte“ ab 2031+ möglich.

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Eine mögliche Struktur der Brigade Mittlere Kräfte. (Screenshot: Bundeswehr)

Diese Brigade würde über vier Manöverelemente und alle Waffensysteme verfügen, die diese für die skizzierte Auftragserfüllung braucht. Eine reine Umgliederung des Heeres wäre hier aber nicht ausreichend. Einzelne Verbände, wie beispielsweise ein Artilleriebataillon, müssten neu aufgestellt werden. Damit dies gelingen kann, wäre es aber erforderlich, Planung und Beschaffung bereits jetzt auf dieses Ziel auszurichten.

Interessant in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass die vier Manöverelemente der möglichen Brigade mit zwei unterschiedlichen taktischen Zeichen abgebildet werden. Dies könnte darauf hindeuten, dass es auch im Heer Überlegungen gibt, wonach eine reine Aufrüstung der Jägertruppe mit einem Schweren Waffenträger Infanterie nicht ausreichend sein könnte. Zumindest in Teilen der Bundeswehr gibt es offenbar Gedankenspiele, ob die Schützenpanzer Marder nicht eventuell durch einen Radschützenpanzer ersetzt werden könnte, S&T berichtete. Wäre dies der Fall, könnte eine solche Brigade wohl über zwei Jäger- und zwei Grenadierbataillone (Rad) verfügen.

Oberstleutnant Fuchs subsumierte diese Kräfte wie folgt: „Es sind vermutlich keine reinen Jäger oder Panzergrenadiere, auch wenn sich einige Elemente der Kampfweise vermutlich gleichen.“

Waldemar Geiger