StartStreitkräfteBodengebundener Patiententransport des Sanitätsdienstes der Bundeswehr

Bodengebundener Patiententransport des Sanitätsdienstes der Bundeswehr

Oberstabsarzt Till Böbel, Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr

Die Kernaufgabe des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ist die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Soldatinnen und Soldaten im Inland und im Einsatz. Hierfür stehen im Sanitätsdienst verschiedene Patiententransportmittel zur Verfügung. Die Rahmenbedingungen hierfür sowie die zukünftigen Entwicklungen zeigen ein differenziertes Bild.

 Rahmenbedingungen

Die Rückbesinnung auf das Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung bringt den bodengebundenen Patiententransport als eine der wesentlichen Fähigkeiten des Sanitätsdienstes wieder in den Fokus. Obwohl schon immer unerlässlich für die Auftragserfüllung, rückte diese Fähigkeit in Einsätzen wie in Afghanistan oder Mali aufgrund der großen zu überwindenden Distanzen zugunsten des luftgestützten Transports in den Hintergrund. Dabei wurde aber auch in diesen Einsätzen wiederholt bewiesen, wie wichtig der bodengestützte Transport für die Auftragserfüllung ist.

Denn die luftgestützte Evakuierung von Patienten, im Englischen Aeromedical Evacuation, birgt nicht nur Vorteile. Die Nutzung des Lufttransportweges ist abhängig von vielen Faktoren, die häufig für bodengebundene Transportmittel keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Witterungsbedingungen, Lufthoheit, Luftraumordnung oder die Verfügbarkeit eines Landeplatzes können den Lufteinsatz einschränken oder gar unmöglich machen. Ergänzend kommt hinzu, dass Luftfahrzeuge häufig aufgrund der räumlichen Dislozierung nicht als erste Kräfte am Ort des Geschehens eingesetzt werden können, wodurch bodengestützte Sanitätskräfte immer eingesetzt werden müssen, um die vorgegebenen Zeiten für die sanitätsdienstliche Versorgung halten zu können. In diesen Situationen können bodengebundene Transportmittel ihre Vorteile ausspielen und zeigen somit ihre Unverzichtbarkeit im Gefecht.

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Das ungeschützte Patiententransportfahrzeug IVECO Magirus wird im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz als neues Fahrzeug für den Sanitätsdienst der Bundeswehr vorgestellt, am 20.12.2022. (Foto: Bw Laymann)

Um für unterschiedlichste Szenarien hinsichtlich Gefechtsintensivität, Anzahl der Patienten, Schwere der Verwundung, Mobilität der zu unterstützenden Truppe oder andere äußere Gegebenheiten gewappnet zu sein, verfügt die Bundeswehr über verschiedene Sanitätsfahrzeuge. Die Bandbreite der Aufgaben dieser Fahrzeuge ist ebenso vielfältig: Neben der Ausbildungs- und Übungsunterstützung sowie sanitätsdienstlichen Realversorgung im Grundbetrieb sind darüber hinaus die initiale Versorgung und der primäre Transport zur ersten Sanitätseinrichtung oder der sekundäre Transport zwischen verschiedenen Sanitätseinrichtungen im Einsatz sicherzustellen. Je nach Art der Aufgabe werden Fahrzeuge mit unterschiedlichen Konfigurationen und Fähigkeiten eingesetzt. Der Schutz der Fahrzeuge reicht dabei von ungeschützten Fahrzeugen für einen Transport abseits der Gefechte über leicht und mittel geschützte Fahrzeuge mit einer höheren Mobilität wie dem Eagle IV oder dem Eagle 6×6 bis hin zu schwer geschützten Fahrzeugen wie dem GTK Boxer San. Des Weiteren unterscheiden sich die Fahrzeuge insbesondere in der Transportkapazität. Leichte geschützte Sanitätskraftfahrzeuge können einen liegenden Patienten transportieren, mittlere geschützte Sanitätskraftfahrzeuge zwei liegende Patienten und das schwere geschützte Sanitätskraftfahrzeug bis zu drei liegende oder sieben sitzende Patienten. Je nach Anforderung an den Auftrag kann so das richtige Fahrzeug ausgewählt werden.

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Ungeschützte Patiententransportfahrzeuge

Zum Jahresende 2023 sind die ersten neuen ungeschützten Patiententransportfahrzeuge (Lkw UVT gl) vom Hersteller ausgeliefert worden. Sie lösen in den kommenden Jahren nach und nach den seit 1984 genutzten Lkw „Krankenkraftwagen“ (KrKw 2to, gl) und „Beweglicher Arzttrupp“ (BAT 2to gl) ab. Der ungeschützte Lkw UVT gl bietet Platz für einen liegenden Patienten, da er in seiner aktuellen Konfiguration vornehmlich für die Versorgung von Patienten auf Übungsplätzen oder Bundeswehrflughäfen gerüstet wurde. Er entspricht mit seiner Ausstattung der DIN-Norm eines vergleichbaren zivilen Rettungsdienstfahrzeugs, ist dafür aber voll geländefähig.

In einem Landes- und Bündnisverteidigungs-Szenario mit zu erwartenden hochintensiven Gefechten ist mit einem erhöhten Patientenaufkommen zu rechnen. Um auch hier die sanitätsdienstliche Versorgung im gebotenen Umfang zu gewährleisten, forciert der Sanitätsdienst aktiv die Weiterentwicklung und Kapazitätserhöhung von ungeschützten Patiententransportfahrzeugen.

Die Fähigkeitslücke hinsichtlich der Transportkapazitäten in derartigen kriegerischen Auseinandersetzungen ist nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus dem Ukrainekonflikt erkannt. Der ungeschützte Lkw ist für diese Zwecke nicht vorgesehen. Weder im Hinblick auf seine Kapazität noch auf seinen Schutz. Eine umfassende Lagefeststellung im Hinblick auf marktverfügbare Lösungen hat daher bereits vor einiger Zeit begonnen.

Jenseits dieser als militärisch erkennbaren Fahrzeuge gab es wiederholt in Einsätzen die Auflage, dass eine Präsenz von Militärfahrzeugen im Stadtbild vom Gastland nicht gebilligt wurde, auch nicht von Sanitätsfahrzeugen. In diesen Situationen müssen zusätzlich zivile geländegängige Fahrzeuge ad hoc beschafft werden, die den lokalen Bedingungen angepasst sind.

Leichte und mittlere geschützte Patiententransportfahrzeuge

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Das mittlere geschützte Patiententransportfahrzeug Eagle 6×6.
(Foto: Dr. Klaudia Meyer-Trümpener)

Im Bereich der geschützten Patiententransportfahrzeuge konnte in den letzten Jahren mit den leichten und mittleren geschützten Sanitätsfahrzeugen eine Lücke geschlossen werden. Leichte geschützte Sanitätskraftfahrzeuge in der Variante Beweglicher Arzttrupp (BAT) und Führungsfahrzeuge auf der Fahrzeugplattform Eagle IV sind schon seit einigen Jahren Bestandteil des Fahrzeugportfolios der Bundeswehr. Einsetzbar in für schwere geschützte Sanitätskraftfahrzeuge nicht gangbaren Gebieten wie dem urbanen Raum kann das leichte seine Stärken ausspielen. Diese konnten durch Einsatzgestellungen im Rahmen des internationalen Krisenmanagements erfolgreich unter Beweis gestellt werden. Allerdings ist die Transportkapazität mit nur einem Patienten eingeschränkt.

Zur Erhöhung der Transportkapazität rüstet und erprobt die Bundeswehr derzeit ein neues mittleres geschütztes Sanitätskraftfahrzeuge auf Basis der Fahrzeugplattform Eagle 6×6. In diesem können zwei liegende Patienten transportiert werden. Im mittleren lässt sich eine im Vergleich zur leichten medizinisch gleichwertigen Versorgung der Patienten bei erhöhter Patiententransportkapazität realisieren. Bis diese Fähigkeit vollumfänglich zur Verfügung steht, wird neben dem Eagle IV zusätzlich das geschützte Mehrzweckfahrzeug Yak in der BAT-Variante genutzt.

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Schweres geschütztes Patiententransportfahrzeug: Sanitätsvariante des GTK Boxer. Abtransport eines Verwundeten mit schwerem geschützten Sanitätsfahrzeug Boxer BAT. Bergen am 27.09.2016. Während der Informationslehrübung (ILÜ) Landoperationen 2016 wird auf der Station „Gefechtsschießen Operation verbundener Kräfte“ der Einsatz und die Zusammenarbeit von Landstreitkräften bei militärischen Operationen unterschiedlicher Intensität demonstriert. (Bw/Marco Dorow)

Schwere geschützte Patiententransportfahrzeuge

Aktuell steht insbesondere das schwere geschützte Patiententransportfahrzeug im Fokus. Im Hinblick auf die Entwicklungen an der NATO-Ostflanke zeigt sich, dass dieses Fahrzeug zukünftig aus Gründen der Beweglichkeit, des Transportvolumens und des Selbstschutzes noch dringlicher benötigt werden wird.

Das Rote Kreuz ersetzt keine Panzerung

Erfahrungen aus Afghanistan, aber auch des Ukrainekrieges zeigen, dass Schutzzeichen von gegnerischen Kräften nicht respektiert werden. Immer wieder kam es zu mehr oder weniger gezielten Angriffen auf Sanitätspersonal und dessen Material auch mit tödlichen Folgen für die Insassen. Wenn der Gegner die Schutzzeichen nicht achtet oder erkannt hat, dass das Ausschalten der Sanitätsversorgung die Auftragserfüllung beendet, muss auf eine andere Weise die sichere Arbeit des medizinischen Personals ermöglicht werden. Somit kommt einem schweren geschützten Fahrzeug für die Zukunft in einem Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung eine besondere Bedeutung zu. Die Bundeswehr benötigt für die von hoher Intensität geprägten Gefechte der mechanisierten Kräfte gegen einen symmetrischen Gegner ein Fahrzeug, welches zum einen der Truppe folgen kann und zum anderen die nötige Schutzklasse für diese Art von Gefecht aufweist. Denn selbst wenn der Gegner in einem solchen Szenario die Schutzzeichen achtet, ist ein ausreichender Schutz bei möglichem Fehlbeschuss unerlässlich. Das Grundprinzip lautet daher, dass die Sanitätsfahrzeuge in Schutzklasse und Beweglichkeit der begleiteten Truppe vergleichbar sein müssen. Der aus der Streitkräfteplanung abgeleitete Bedarf an schweren geschützten Sanitätskraftfahrzeugen für die sanitätsdienstliche Unterstützung von mechanisierten Verbänden wird absehbar infolge der Planungen für die Aufstellung der Brigade Litauen noch ansteigen.

Aktuell verfügt der Sanitätsdienst der Bundeswehr über schwere geschützte Sanitätskraftfahrzeuge auf Basis des Fahrzeuges GTK Boxer San. Trotz des durch das Schutzniveau bedingten hohen Gewichts von etwa 35 Tonnen verfügt es über Mobilitätseigenschaften, die es ihm ermöglichen, mechanisierten Verbänden in einem hochbeweglichen Gefecht zu folgen. Dazu können in diesem Fahrzeug bis zu drei liegende oder sieben sitzende Verwundete aufgenommen und fachgerecht medizinisch versorgt werden. Diese Eigenschaften befähigen den Sanitätsdienst, die Truppe in den genannten Szenarien zu unterstützen und machen damit dieses Fahrzeug für eine kriegstüchtige Truppe essenziell. Daher wird gegenwärtig mit Nachdruck die Beschaffung weiterer Fahrzeuge und die Modernisierung der älteren Modelle im Bestand vorangetrieben.

GTK Boxer San werden auch in Zukunft die durch die Truppe geforderte sanitätsdienstliche Unterstützung im erforderlichen Umfang sicherstellen.

Das derzeit genutzte Alternativsystem Transportpanzer Fuchs stellt zumindest in der aktuellen Konfiguration keinen adäquaten Ersatz dar. Sollte man diesen auch in Zukunft in der Truppe als Sanitätsfahrzeug verwenden, wären Produktweiterentwicklungen nötig, da die Kapazität mit einem liegenden Patienten nicht die Anforderungen erfüllt. Die eingangs genannten Kriterien sind in zukünftigen Projekten zwingend zu berücksichtigen. Derzeit werden alternative marktverfügbare Lösungen geprüft.

Strategischer Patiententransport

Wie in den Rahmenbedingungen bereits aufgezeigt, ist der Lufttransport von Patienten im Rahmen eines Szenarios der Landes- und Bündnisverteidigung nur eingeschränkt möglich. Im Hinblick auf die zu erwartenden hohen Patientenzahlen ist ein strategischer Lufttransport nicht ausreichend. Daher werden aktuell die Möglichkeiten zur Wiedererlangung der Fähigkeit zum strategischen bodengebundenen Patiententransport konsequent vorangetrieben.

Krankentransportzüge wurden in vergangenen Konflikten (Erster und Zweiter Weltkrieg) erfolgreich zur Bewältigung der hohen Patientenzahlen eingesetzt und werden zu diesem Zweck auch gegenwärtig im Russland-Ukraine-Krieg erfolgreich genutzt. Die Bundeswehr schaffte ihre Zugsysteme erst nach Ende des Kalten Krieges ab.

Dies trifft im Übrigen auch auf Patiententransportmittel für den straßengebundenen Patiententransport (Krankentransportbusse) zu. Auch diese Fähigkeit war bis vor einigen Jahrzehnten in der Bundeswehr vorhanden (beispielsweise der umrüstbare KOM 303) und ist nun neu zu entwickeln und wieder einzuführen. Hier steht der Transport zwischen höheren Behandlungsebenen sowie zu und von anderen strategischen Patiententransportmitteln im Vordergrund.

Zusammenfassung

Zusammenfassend steht der Sanitätsdienst vor großen Herausforderungen, die an ihn gestellten Anforderungen hinsichtlich des bodengebundenen Patiententransports zu erfüllen. Die Bündnisverpflichtungen und die aktuellen globalen Entwicklungen, besonders in der Ukraine, bedingen eine Neuausrichtung der Streitkräfte mit einer höheren Anzahl an geeigneten Sanitätsfahrzeugen, als es für die Auslandseinsätze des internationalen Krisenmanagements bislang gefordert war.

Mit den angestoßenen Entwicklungen und Rüstungsprojekten ist der Sanitätsdienst der Bundeswehr gewappnet, diesen Verpflichtungen auch in Zukunft umfassend nachkommen zu können. Damit behält er seine Rolle als wichtige Säule der Enabler.

Oberstabsarzt Till Böbel, Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr