Innerhalb des von der Kursk-Offensive der Ukraine erfassten russischen Territoriums unternehmen beide Seiten weiterhin wechselseitige Vorstöße, wobei die jeweils eingesetzten Kräfte keine entscheidende Ausdehnung zusammenhängender Kontrolle zuzulassen scheinen. Russland hat offenbar bislang keine signifikanten Truppen aus dem Donbass abgezogen, was ein mögliches Ziel der ukrainischen Offensive war. Dort geht der langsame, aber stetige russische Vormarsch vorerst weiter.
Stattdessen verlegt Moskau offenbar Verbände aus weit entfernten Regionen, so nach litauischen Berichten aus Kaliningrad. Wie früher erwähnt, soll der Einsatz von Einheiten mit größeren Anteilen Wehrpflichtiger auch auf eigenem Gebiet offenbar aus innenpolitischen Gründen möglichst vermieden werden. Südlich der Stadt Lgow und des Kernkraftwerks Kursk bereiten russische Kräfte eine Verteidigungslinie als mögliche Rückfallposition vor.
Insgesamt erstreckt sich das Kampfgebiet über eine Breite und Tiefe von jeweils rund 50 Kilometern. Nach ukrainischen Angaben sind 1.000 Quadratkilometer russisches Gebiet mit 78 Ortschaften besetzt, während Russland von 28 Orten spricht. Die Kontrolle der Kleinstadt Sudscha durch ukrainische Truppen kann mittlerweile als gesichert gelten. Südlich davon operieren sie trotz russischer Gegenangriffe bis zu den Ortschaften Giri und Oserki, nördlich in Richtung Kursk bis Bolschoje Soldatskoje und Richtung Lgow bis Kromskie Byki.
Im Nordwesten bleibt das Gebiet zwischen Snagost, Krasnookjabrskoje, Tolpino und Schurawli umkämpft. Unmittelbar an der russisch-ukrainischen Grenze westlich von Sudscha haben ukrainische Kräfte Gorde’evka eingenommen und unternehmen Vorstöße in nördlicher Richtung bis Bjachowo. Westlich dieses Gebiets haben russische Behörden weitere Evakuierungen der Zivilbevölkerung angeordnet.
Russische Absicht könnte sein, die ukrainische Offensive auch um den Preis von bislang 180.000 aus dem Kampfgebiet evakuierten Bewohnern mit geringstmöglichen Mitteln einzudämmen und weiter darauf zu hoffen, dass die eigene angespannte Gesamtsituation die Ukraine langfristig zum Rückzug an allen Fronten zwingt. Russische Militärblogger befürchten allerdings weiterhin, dass ukrainische Kräfte zusätzliche Vorstöße über ungenügend geschützte Grenzabschnitte der Oblaste Kursk und Belgorod unternehmen könnten, wodurch die Lage außer Kontrolle geraten könnte.
Stefan Axel Boes