StartStreitkräfteUkrainische Kursk-Offensive: 31. Woche

Ukrainische Kursk-Offensive: 31. Woche

Soldat & Technik berichtete zuletzt vor Weihnachten über die ukrainische Kursk-Offensive und die russische Gegenoffensive. Seinerzeit sah es so aus, als würde die Ukraine bei gleichbleibendem russischen Vorrücken innerhalb von etwa zwei Monaten vollständig aus dem eroberten Gebiet zurückgedrängt werden. Tatsächlich sind seither mittlerweile zwölf Wochen vergangen, während Russland weitgehend im gleichen Tempo vorankam wie auch weiter südlich im Donbass. Die Ukraine verwendete weiterhin auf Kosten der Verteidigung dort Ressourcen auf den Widerstand bei Kursk, um sich ein Faustpfand für einen möglichen Gebietstausch bei Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts zu sichern.

Lagebild bei der Kursk-Offensive am 16. Dezember, 21:00 Uhr MEZ.
Lagebild bei der Kursk-Offensive am 16. Dezember, 21:00 Uhr MEZ: Im Westen, Norden und Südosten des Kampfgebiets konnten russische Truppen leichte Geländegewinne erzielen. (Bild: Google Maps/Boes)

Nachdem mit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump zunächst eine neue Dynamik für eine solche Verhandlungslösung aufzukommen schien, hat sein irrlichterndes Verhalten dies mittlerweile mehr als zweifelhaft gemacht. Durch die vorübergehende Einstellung der amerikanischen Waffenhilfe und der Versorgung mit Aufklärungsdaten für die Ukraine ist diese zusätzlich in die Defensive geraten, während es für Russland noch weniger Grund für Verhandlungen gibt. Möglicherweise auch aufgrund des Stopps der US-Unterstützung konnten russische Truppen in der Oblast Kursk seit dem Wochenende ebenfalls deutlich vorrücken.

Angriff durch die Pipeline

So konnten sie im Norden der Kampfzone die bereits seit längerem unter Druck stehende Ortschaft Malaja Loknja einnehmen und auch südlich davon entlang des gleichnamigen Flusses Geländegewinne machen. Im Westen stießen sie entlang der Staatsgrenze zwischen Swerdlikowo und Uspenowka sogar Richtung Schurawka auf ukrainisches Gebiet vor. Im Osten nahmen sie die Orte Martinowka und Michailowka ein. Besonders prekär für die ukrainische Situation waren mehrere tiefe Vorstöße, die südöstlich von Malaja Loknja einen Kessel bildeten und südlich der Stadt Sudscha fast die ukrainische Grenze erreichten.

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Für zusätzlichen Druck sorgte ein russisches Kommandounternehmen, bei dem rund 100 Soldaten über 15 Kilometer durch eine Gaspipeline zurücklegten, um bei Sudscha im ukrainischen Rücken aufzutauchen. Der Weg durch die 1,40 Meter durchmessende Pipeline erforderte den Einsatz von – angeblich privat beschafften – Kreislauf-Atemgeräten und führte auch zu einigen Ausfällen unter den eingesetzten Kräften. Obwohl die ukrainische Seite den Angriff nach eigenen Angaben schnell durch Einsatz von Drohnen und Artillerie unter Kontrolle bekam, verschärfte er sicherlich die Situation für sie.

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Letztes Kapitel der Kursk-Offensive

Von Montag auf Dienstag räumten ukrainische Truppen die von Einkesselung bedrohten Gebiete im Norden einschließlich der Ortschaft Kasachja Loknja und konzentrierten sich auf das Gebiet um Sudscha. Allgemeine Erwartung ist, dass es hier zum letzten größeren Kampf der Kursk-Offensive kommt. Nach letzten russischen Berichten operieren eigene Truppen bereits in den östlichen Außenbezirken der Stadt. Ebenfalls kritisch ist die Lage im Gebiet um Gujewo im Süden, das zwar die ukrainische Grenze im Rücken hat, aber über keine Straßenanbindung darüber verfügt und vom Rest des ukrainisch kontrollierten Gebiets fast abgeschnitten ist.

Lagebild bei der Kursk-Offensive am 11. März, 10:00 Uhr MEZ.
Lagebild bei der Kursk-Offensive am 11. März, 10:00 Uhr MEZ: Russische Truppen haben nach der Einnahme von Malaja Loknja im Norden und zwei Vorstößen in den Raum südöstlich davon ukrainische Truppen zum Rückzug aus den drohenden Kesseln gezwungen und konnten anschließend auch Kazachja Loknja erobern. Im Süden konnten sie fast bis zur ukrainischen Grenze vorrücken und damit die Straßenverbindung zu den Truppen um Gujevo weitgehend unterbrechen. Darüber hinaus stießen sie aus östlicher Richtung an den Stadtrand von Sudscha vor. Im Westen überschritten sie an mehreren Stellen die Grenze zur Ukraine. (Bild: Google Maps/Boes)

Fraglich ist, ob die gestern verkündete Wederaufnahme der amerikanischen Unterstützung die Situation wieder stabilisieren kann. Zwar hat die Regierung Trump nach der Zustimmung der Ukraine zu einer 30-tägigen Waffenruhe erklärt, dass „der Ball nun bei Russland liege“. Nach wie vor ist letzteres aber nicht unter Druck, einer Vereinbarung zuzustimmen und sein andauerndes Vorrücken einzustellen. Ob eine weitere Verschärfung des Sanktionsregimes, wie von den USA angekündigt, dies ändern könnte, ist vorerst zweifelhaft.

Stefan Axel Boes