StartStreitkräfteUkrainische Kursk-Offensive: Klärung der Fronten

Ukrainische Kursk-Offensive: Klärung der Fronten

Bei der Kursk-Offensive gegen russisches Territorium ist es den ukrainischen Streitkräften gelungen, auch das bislang als umkämpft gemeldete Gelände südlich der kürzlich erneut von ihnen besetzten Ortschaft Snagost zu sichern. Dies ist möglicherweise eine Folge von russischen Nachschubproblemen nach Zerstörung der Brücken über den Fluss Seim. Zudem stößt die Ukraine westlich von Snagost zum Ufer des Seim vor. Sollte sie den Gegner damit abschneiden, würde sich dessen Lage am Südufer weiter verkomplizieren, was potenziell zur Aufgabe des Geländes zwischen dem Fluss und der ukrainischen Grenze mit einer Ausdehnung von etwa 40 Kilometern Breite und 30 Kilometern Tiefe führen und das ukrainisch besetzte Territorium knapp verdoppeln könnte.

Ebenso sicherte die Ukraine im Osten des Kampfgebiets die Orte Martinowka und Russkoje Porechnoje sowie kleinere Gebiete jeweils nordöstlich davon. Zudem versuchen ihre Streitkräfte russische Truppen südlich der Stadt Sudscha abzuschneiden. Noch weiter südlich haben sie dagegen offenbar die Vorstöße Richtung Giri zugunsten dieses Vorhabens vorerst aufgegeben. Auch im Norden sind ukrainische Angriffe bis auf fortgesetzte Kämpfe entlang der Straßen nach Lgow und Rylsk scheinbar zurückgefahren worden, was russischen Truppen ihrerseits die Sicherung kleinerer zuvor umkämpfter Gebiete ermöglicht hat. Der ukrainische Schwerpunkt verschiebt sich damit nach Westen auf das Südufer des Seim bei Konsolidierung der Geländegewinne im Norden und Osten.

Kursk 280824
Lagebild am 28. August um 13:00 MESZ: Im Osten der Kampfzone versuchen ukrainische Kräfte, das von ihnen besetzte Gebiet zu konsolidieren. Im Norden unternehmen sie weiterhin Vorstöße entlang der Straßen nach Lgow und Rylsk. Ihre Haupterfolge verzeichnen sie derzeit im Westen in Richtung des Flusses Seim. (Bild: Google Maps/Boes)

In der südlich an die Oblast Kursk angrenzenden Region Belgorod haben russische Behörden inzwischen den Zugang zu vier grenznahen Dörfern aufgrund ukrainischer Angriffe auf zwei Kontrollpunkte gesperrt. Russische Quellen warnen derweil vor einer möglichen weiteren Offensive gegen die nordwestlich an Kursk angrenzende Oblast Brjansk. Dies ist im Zusammenhang mit kürzlichen Erklärungen des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko zu sehen, wonach die Ukraine Truppen in Stärke von 120.000 Mann an der nahegelegenen Grenze zu Belarus zusammengezogen habe, und er daraufhin eigene Kräfte in die Region verlegt habe. Die Ukraine hat darauf mit der Warnung vor „tragischen Fehlern“ reagiert und angekündigt, bei Grenzverletzungen alle nötigen Maßnahmen zur Selbstverteidigung ergreifen zu wollen.

WhatsApp MRV ST Desktop 500 x 300yH5BAEKAAEALAAAAAABAAEAAAICTAEAOw==
sut layout500x300 2024yH5BAEKAAEALAAAAAABAAEAAAICTAEAOw==

Lukaschenko vollführt seit langem einen Balanceakt zwischen dem eigenen Machterhalt und dem Willen des übermächtigen Nachbarn Russland, mit dem Belarus seit 1999 als gemeinsamer „Unionsstaat“ mit einer 2021 beschlossenen Militärdoktrin verbunden ist. Während der Invasion der Ukraine 2022 nutzten russische Truppen auch belarussisches Territorium als Ausgangspunkt, nach dem Scheitern des damaligen Vorstoßes auf Kiew hat das Land aber wieder eine neutralere Rolle einzunehmen versucht. Einigen Berichten zufolge sind Soldaten seiner Streitkräfte jedoch an der Verteidigung von Kursk gegen die Ukraine beteiligt.

EDD Banner deutsch 500 x 300yH5BAEKAAEALAAAAAABAAEAAAICTAEAOw==

Inwiefern das beide Seiten zur Eröffnung neuer Fronten veranlassen könnte, ist spekulativ. Die von Lukaschenko genannte Zahl von 120.000 zusätzlichen ukrainischen Truppen in der Region erscheint zweifelhaft, da Schätzungen der an der Kursk-Offensive beteiligten Kräfte von einem Zehntel dieses Umfangs ausgehen. Hätte die Ukraine solche Reserven, würden sie vermutlich dort oder im Donbass eingesetzt, wo russische Truppen weiterhin vorrücken. Zudem warnen russische Quellen auch noch vor weiteren Truppenkonzentrationen im Süden der Ukraine, die angeblich auf Offensiven in der Region Saporischschja und/oder gegen die der Krim vorgelagerten Halbinseln gegenüber Odessa vorbereitet würden. Insofern sind solche Meldungen Ausdruck einer durch das ukrainische Vorgehen ausgelösten russischen Unsicherheit über die Gesamtlage.

Stefan Axel Boes