StartStreitkräfteUkrainische Kursk-Offensive: Neue russische Gegenoffensive

Ukrainische Kursk-Offensive: Neue russische Gegenoffensive

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Bei der ukrainischen Kursk-Offensive hat Russland nach seiner ersten konzertierten Gegenoffensive vor drei Wochen einen neuen Anlauf gestartet und die Streitkräfte der Ukraine an weiten Teilen der Front zurückgedrängt. Obwohl letztere Anfang Oktober noch etwas Gelände südlich der umkämpften Ortschaften Ljubimowka sowie Weseloje konsolidieren konnten, scheinen diese Gewinne innerhalb der letzten Woche weitgehend wieder verloren gegangen zu sein. Darüber hinaus mussten sich die Ukrainer auch im Nordwesten und Südosten von lange gehaltenem Territorium zurückziehen.

Diese Entwicklung hatte sich angekündigt, nachdem die Ukraine ihre Vorstöße in umkämpftes Gebiet Richtung Norden offenbar aufgegeben hatte. Am 10. Oktober stießen russische Kräfte entlang der Straße nach Rylsk aus Richtung Nordwest ebenfalls bis Ljubimowka vor. Durch einen weiteren Angriff südlich des Ortes am Folgetag drohen ukrainische Truppen in diesem Gebiet nun eingeschlossen zu werden. Gleichzeitig stießen die Russen im Südosten beiderseits des Ortes Plechowo vor. Darüber hinaus drängten sie den ukrainischen Entlastungsangriff Richtung Weseloje im Westen zum größeren Teil von russischem Territorium zurück.

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Lagebild am 15. Oktober um 23:00 MESZ: Russische Truppen sind entlang der Straße nach Rylsk bis östlich der umkämpften Ortschaft Ljubimowka vorgestoßen und drohen ukrainische Kräfte südlich davon einzuschließen. Im Westen haben sie den ukrainischen Entlastungsangriff weitgehend von russischem Territorium zurückgedrängt und sind im Osten beidseits des Orts Plechowo vorgerückt. Die Ukraine hat sich aus dem lange umkämpften Gebiet entlang der Straße nach Lgow zurückgezogen und konnte lediglich nördlich Martinowka etwas Boden gutmachen. (Bild: Google Maps/Boes)

Ein neuer Entlastungsangriff wie nach der ersten russischen Gegenoffensive ist bislang nicht erfolgt. Lediglich entlang der Straße nach Kursk konnten ukrainische Kräfte zuletzt noch etwas Boden gutmachen. Damit geht die Initiative möglicherweise nun weitgehend auf Russland über. Wahrscheinliches Ziel ist, die ukrainischen Truppen vollständig hinter die eigene Grenze zurückzuwerfen und damit die politische und moralische Scharte der ersten Invasion Russlands seit dem 2. Weltkrieg auszuwetzen. Zudem verlöre die Ukraine damit ein Faustpfand für den Austausch besetzter Gebiete bei möglichen Verhandlungen über ein Ende der Feindseligkeiten.

Nachdem das für letzte Woche geplante Gipfeltreffen der Ukraine-Unterstützergruppe in Ramstein wegen der Absage von US-Präsident Joe Biden aufgrund des Hurrikans „Milton“ nicht stattfand, sind weitere westliche Hilfsmaßnahmen abzuwarten. Während Biden sich nun Ende dieser Woche in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz treffen will, hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelenskyj diesen beiden und weiteren ursprünglich vorgesehenen Teilnehmern des Ramstein-Gipfels seinen „Siegesplan“ einzeln vorgestellt. Dessen Details sind weiterhin nicht bekannt, obwohl die bislang fehlende Erlaubnis zum Einsatz westlicher Präzisionswaffen gegen Ziele tief in Russland noch immer als wesentlicher Punkt angenommen wird.

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Allerdings hat die Ukraine diese Fähigkeit bereits wiederholt mit eigenen Mitteln unter Beweis gestellt. Wahrscheinlicher ist, dass die Unterstützerstaaten sich auf eine zusätzliche Stärkung der erschöpften ukrainischen Luftabwehr konzentrieren, um der überlegenen russischen Luftunterstützung beim Vorrücken von Bodentruppen zu begegnen. Deutschland hat bislang drei Patriot-Batterien und gemeinsam mit den Niederlanden Teile einer vierten geliefert. Von US-Seite ist ebenfalls die Lieferung einer dritten Batterie angekündigt. Spekuliert wird, dass bis zu acht kürzlich von Israel zugunsten eines einheimischen Nachfolgesystems außer Dienst gestellte Batterien nach Überholung in den USA ebenfalls ihren Weg in die Ukraine finden könnten.

Daneben hatte Italien bis Ende September eine zweite Feuereinheit des französisch-italienischen Flugabwehrsystems SAMP/T (Mamba) zugesagt, von dem es gemeinsam mit Frankreich bereits eine Batterie geliefert hatte. Deutschland hat der Ukraine inzwischen vier Einheiten IRIS-T SLM und drei IRIS-T SLS von jeweils zwölf geplanten überlassen. Darüber hinaus hat das Land bereits einige von mindestens acht geplanten Feuereinheiten des amerikanisch-norwegischen Systems NASAMS von den USA, Kanada und Norwegen erhalten. Eine Herausforderung ist angesichts der quantitativen russischen Überlegenheit neben den begrenzten Beständen und Produktionskapazitäten der Startsysteme auch hier die Versorgung mit ausreichend Flugkörpern.

Stefan Axel Boes