Bei der ukrainischen Kursk-Offensive und der russischen Gegenoffensive rücken russische Kräfte auf allen Seiten des Kampfgebiets weiter vor. Im Westen sicherten sie einen Geländestreifen am Fluss Snagost nördlich der Ortschaft Darino, im Norden östlich von Kremjanoje. Zudem nahmen sie hier Orlowka und ebenfalls ein erhebliches Gebiet östlich davon ein. Im Osten ist der Ort Plechowo, der bereits zwischen zwei russischen Vorstößen eingeklemmt war, nun direkt umkämpft.
Lediglich bei Weseloje weiter westlich konnte die russische Seite keine neuen Fortschritte beim Zurückdrängen der ukrainischen Truppen machen, die hier bei Beginn der Gegenoffensive einen grenzüberschreitenden Entlastungsangriff unternommen hatten. Westlich von Malaja Loknja gelang es der Ukraine ihrerseits, den russischen Vorstoß aus Richtung Ljubimowka zurückzuwerfen. Nach ukrainischen Angaben sind von Nordkorea entsandte Truppen bereits in die Kämpfe verwickelt.
Russland will das Kapitel Kursk-Offensive beenden
Parallel wird aus der Ukraine berichtet, dass zusätzliche russische und nordkoreanische Truppen im Gesamtumfang von 50.000 Mann für eine neue Gegenoffensive in die Region verlegt werden. Es ist anzunehmen, dass Russland das für Moskau peinliche Kapitel der Kursk-Offensive in seinem Angriffskrieg nun mit allen verfügbaren Kräften beenden will. Und das vermutlich noch im laufenden Jahr, auf jeden Fall aber vor der Amtseinführung des erneut gewählten US-Präsidenten Trump.
Wie sich die Wiederwahl Trumps auf den Konflikt auswirken wird, ist weiterhin unklar. Nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky zeigte sich letzterer zumindest offiziell beruhigt über Trumps Absichten. Ein Bericht der „Washington Post“, dass dieser auch bereits mit Wladimir Putin telefoniert und ihn vor einer weiteren Eskalation in der Ukraine gewarnt habe, wurde von russischer Seite dementiert.
Angeblicher Trump-Plan zur Konfliktbeendigung
Vor allem in der britischen Presse wurde über einen angeblichen Plan in Trump-Kreisen berichtet, den Konflikt entlang der aktuellen Kontaktlinie einzufrieren und eine entmilitarisierte Zone einzurichten, die von europäischen Truppen überwacht werden solle. Die USA würden demnach die Ukraine weiter aufrüsten, aber keine eigenen Truppen entsenden oder sich an den Kosten der Überwachungsmission beteiligen.
Eine offizielle Bestätigung für einen solchen Plan gab es nicht. Möglicherweise handelt es hierbei um einen Versuchsballon, da eine Lösung in dieser Form für keine beteiligte Partei akzeptabel wäre. Die Ukraine müsste erhebliche Gebiete aufgeben, während Russland weiter auf Abtretung des gesamten Territorium der vier von ihm offiziell annektierten, aber nicht vollständig kontrollierten ukrainischen Oblaste besteht. Das Ende der Kursk-Offensive wäre dabei vorauszusetzen.
Zudem würden sowohl Russland als auch die europäischen NATO-Partner die Entsendung westlicher Truppen direkt an die Kontaktlinie ablehnen. Auch eine Stationierung im Hinterland als Garantie für die dauerhafte Sicherheit der Ukraine käme wohl höchstens mit amerikanischer Beteiligung in Betracht. Da die Europäer finanziell ausgedrückt bislang weitaus größere Unterstützung für die Ukraine geleistet haben, dürften sie die skizzierte Arbeitsteilung zwischen ihnen und den USA nicht akzeptieren.
Stefan Axel Boes