Bei der ukrainischen Kursk-Offensive und der russischen Gegenoffensive hat es zuletzt trotz anhaltend schwerer Kämpfe keine bestätigten Änderungen des Frontverlaufs gegeben. Russische Militärblogger berichteten zwar, dass eigene Truppen in Richtung Malaja Loknja in einem Waldgebiet sowie dem Dorf Nowoivanowka vorrückten, dokumentiert ist dies jedoch bislang nicht. In jedem Fall wäre der Geländegewinn minimal. Damit bleibt es beim weitgehenden Stillstand der Fronten, seit russische Kräfte vor drei Wochen von Norden auf Malaja Loknja vorrücken konnten, aber im Westen zurückgedrängt wurden.
Ob dies auf äußere Umstände wie winterliche Wetterbedingungen oder möglicherweise ukrainische Angriffe auf Führungs- und Logistikeinrichtungen im russischen Hinterland zurückzuführen ist, seit der Einsatz westlicher Präzisionswaffen hierfür freigegeben wurde, ist unklar. Interessanterweise gelang es der Ukraine in den letzten Tagen weiter südlich zugleich, einiges an Gelände zurückzugewinnen, das Russland im Mai während seiner eigenen grenzüberschreitenden Offensive aus der Oblast Belgorod Richtung Kharkiv besetzt hatte.
Falschmeldungen russischer Kommandeure
Währenddessen rücken russische Truppen im Donbas langsam, aber unvermindert weiter vor. Sie konnten jedoch die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk noch immer nicht einnehmen und damit einen Weg ins offene Tiefland der Region Donetsk öffnen. In der Region Luhansk, die bis auf einzelne kleine Abschnitte mittlerweile vollständig von Russland kontrolliert wird, kam es dagegen kürzlich zu einem Skandal um Falschmeldungen russischer Kommandeure.
Diese hatten behauptet, Ortschaften bei Siwersk eingenommen zu haben, die sich bei der Inaugenscheinnahme durch höhere Stellen als immer noch ukrainisch gehalten erwiesen. In der Folge wurden angeblich mehrere Offiziere verhaftet und mindestens ein Brigadekommandeur sowie der Befehlshaber des Militärbezirks Süd, Generaloberst Gennadi Anaschkin, abgelöst.
Bedeutung der Kursk-Offensive bei möglicher Trump-Initiative
Mittlerweile scheinen sich die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer ernsthaft auf eine Waffenstillstandsinitiative des wiedergewählten amerikanischen Präsidenten Donald Trump nach seinem Amtsantritt am 20. Januar kommenden Jahres einzurichten. Dies würde erneut die Bedeutung des mit der Kursk-Offensive besetzten russischen Gebiets als Faustpfand für Verhandlungen hervorheben. Das Festhalten der Ukraine daran selbst zulasten der Verteidigung im Donbas sowie die Absicherung durch Freigabe westlicher Präzisionswaffen wäre somit folgerichtig.
Der auffällige Mangel an Kritik aus Trumps offiziellen Übergangsteam an der Freigabe durch den scheidenden Präsident Joe Biden, sogar die Betonung guter Zusammenarbeit, legen dabei nahe, dass diese in Abstimmung zwischen beiden Seiten erfolgte. Auch Trump kann kein Interesse an einem „schlechten Deal“ auf Kosten der Ukraine haben, die ihn und die USA schwach aussehen lassen würde. Die Benennung des sicherheitspolitischen „Falken“ Keith Kellogg als sein künftiger Ukraine-Beauftragter weist in dieselbe Richtung.
Pro-russische Kommentatoren gehen inzwischen ebenfalls davon aus, dass Trump die amerikanische Unterstützung nicht einfach einstellen wird, sondern dass seine Drohung mit deren weiterer Verstärkung bei mangelnder russischer Verhandlungsbereitschaft durchaus ernst gemeint ist. Sollte es dazu kommen, wäre ein Einfrieren der Front auf russischem Territorium infolge der Kursk-Offensive für Moskau inakzeptabel, was entweder zusätzliche US-Hilfe oder Verhandlungen über einen Tausch besetzter Gebiete nach sich ziehen müsste.
Stefan Axel Boes