StartFührung & KommunikationAufklärungsdrohne HUSAR – BMVg erwartet weitere Verzögerungen

Aufklärungsdrohne HUSAR – BMVg erwartet weitere Verzögerungen

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Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) erwartet weitere Verzögerungen bei der Beschaffung der neuen Aufklärungsdrohne HUSAR für das Heer. Dies geht aus einer am 4. Januar veröffentlichten Antwort des parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium, Thomas Silberhorn, auf eine schriftliche Frage des FDP-Bundestagsabgeordneten Marcus Faber vom 18. Dezember 2020 hervor.

Die Bezeichnung HUSAR bedeutet Hocheffizientes, unbemanntes System zur abbildenden Aufklärung in mittlerer Reichweite und basiert auf der Luna Next Generation von EMT Penzberg, welche sich seit 2010 in der Entwicklung befindet. HUSAR soll das in die Jahre gekommene Kleinfluggerät Zielortung (KZO) des Heeres ablösen.

Bezogen auf den aktuellen Stand des Rüstungsprojektes HUSAR, insbesondere hinsichtlich des Erreichens der Qualifizierungsmeilensteine und dem damit verbundenen Forderungscontrolling sowie möglichen Auswirkungen des Insolvenzverfahren des Herstellers EMT auf den Zeitplan für die Einführung des Systems, antwortete Silberhorn wie folgt: „Das projektbegleitende Forderungscontrolling erfolgt durch die Vorlage von Nachweisen gemäß dem vertraglich vereinbarten Abnahme- und Nachweisplan. Somit erfolgt die Qualifikation der Seriensysteme HUSAR kontinuierlich und führt zum vertraglichen Meilenstein „Erteilung der Musterzulassung“. Bezogen auf diesen Meilenstein weist das Projekt einen Verzug von ca. 16 Monaten auf. Im Rahmen der gerichtlich angeordneten vorläufigen Eigenverwaltung bleiben die bestehenden Verträge grundsätzlich erhalten. Daher behält der Bund die EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer mbH als Vertragspartner, sofern der Auftragnehmer den Vertrag nicht kündigt. Auch wenn sich die zeitliche Ausplanung der Serienproduktion durch die Eigenverwaltung vorerst nicht ändert, lassen sowohl der bisherige Projektfortschritt als auch die neue rechtliche Konstellation erwarten, dass es zu weiteren Verzögerungen kommt. Konkrete zeitliche Abschätzungen werden erst im weiteren Verfahrensgang möglich sein.“

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EMT Penzberg hat am 4. Dezember 2020 mittels einer Pressemitteilung verkündet, dass das Unternehmen sich in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung befindet. Grund für die Antragstellung sind Liquiditätsschwierigkeiten. Infolge des gegen einen Kunden verhängten Embargos konnten geplante Auslieferungen nicht erfolgen, was zu erheblichen Einnahmeausfällen führte. Hinzu kamen zuletzt Verzögerungen in der Fertigstellung von Auftragsdokumentationen, was weitere Liquiditätslücken entstehen ließ. Verhandlungen mit den Kunden scheiterten zuletzt, weshalb der Schritt in die Eigenverwaltung erforderlich wurde“, teilte EMT in der Pressemitteilung mit.

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Knapp ein halbes Jahr früher wurde noch ein anderes Bild gezeichnet. Nach den Mitte 2020 gegenüber der ES&T gemachten Angaben der Firma EMT aus Penzberg, lag das Vorhaben seinerzeit etwa ein halbes Jahr hinter dem Zeitplan zurück. Die Verzögerung führte Geschäftsführer Thomas Heinze unter anderem auf die Corona-Pandemie zurück. So seien Qualifizierungen bei Zulieferern – etwa in Spanien – aufgrund der Reise- und Kontaktbeschränkungen nicht möglich gewesen. Seinen Worten zufolge sollte das Pilotsystem, mit dem auch die Einsatzprüfung für die Bundeswehr erfolgt, noch im vergangenen Jahr an die Truppe ausgeliefert werden; in diesem Jahr dann drei weitere Systeme. Heinze räumte ein, dass sich sein Unternehmen in der Vergangenheit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe. Diese seien mithilfe der finanzierenden Banken jedoch mittlerweile geklärt worden, sagte er damals.

Entwicklung

Der bayerische Drohnenhersteller EMT Penzberg, welcher bereits seit 2010 nebst einzelnen Unterauftragnehmern an der Entwicklung der Luna Next Generation arbeitet, wurde ausgewählt, eine Neukonstruktion zur Ortung, Erkennung und Überwachung bei Tag und Nacht zu entwickeln. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hatte am 15. August 2016 im Projekt HUSAR entschieden, die Nutzungsdauer von acht Systemen Luna zu verlängern und diese mit drei neubeschafften, marktverfügbaren Systemen zu ergänzen. Zu dem Zeitpunkt waren neben der Luna Next Generation weitere vergleichbare Systeme auf dem Markt, die Bundeswehr hat sich jedoch offenbar gegen einen Wettbewerb entschieden.

Bekannte Prinzipien der Luna, wie Katapultstart, Netz- oder Schirmlandung, schneller und flexibler Einsatz ohne infrastrukturelle Erfordernisse, wie z.B. Start- und Landebahnen, bleiben beim Nachfolgemodell erhalten. Allerdings sollten gegenüber der Luna erhebliche qualitative Verbesserungen erzielt werden. Dazu gehören eine höhere Reichweite von über 100 km, die Flugdauer von mehr als zwölf Stunden, Vervielfachung der Nutzlastkapazität, Mehrfachnutzlasten sowie moderne Sensorik mit schwenkbaren Kamerasystemen für den optischen und infraroten Frequenzbereich.

Beschaffungsplanungen

Im Juli 2017 wurde entschieden, dass drei HUSAR-Systeme auf Basis der Luna Next Generation beschafft werden, die 2019 in die Truppe eingeführt werden sollten. Im Juni 2019 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages rund 130 Millionen Euro für die Beschaffung von neun zusätzlichen Systemen freigegeben.

Die Absicht war es, mit der Beschaffung von zwölf Systemen in den Jahren 2020 bis 2023 zunächst das KZO, dessen Nutzungsdauerende bevorsteht, komplett abzulösen und die Fähigkeit für die VJTF 2023 bereitzustellen. Als Ersatz für die „alte“ LUNA müssten dann zukünftig weitere, gegebenenfalls auch andere Systeme beschafft werden. Diese Zeitlinien konnten nicht gehalten werden.

Das Heer hat im Dezember 2018 einen Lehr- und Versuchszug HUSAR aufgestellt, um die Einführung des Systems HUSAR zu begleiten und einer taktische Einsatzprüfung zu unterziehen. „Im Rahmen der Einführung des Systems HUSAR wurden erhebliche Mängel festgestellt und infolgedessen die planmäßige Bereitstellung des Systems zur Gewährleistung der luftgestützten Aufklärung des Multinational Intelligence, Surveillance and Reconnaissance-Battalion (MN ISRBn) sowie der luftgestützten Zielortung der Multinational Artillery Task Force (MN ArtyTF) ausgeschlossen“, teilte das Heer bereits Mitte 2020 mit. Daher wurde der Einsatz der HUSAR im Rahmen der VJTF 2023 verworfen.

Am 18. November 2020 informierte Staatssekretär Silberhorn den Bundestag über die aktualisierten Beschaffungsplanungen: Der derzeit mit dem Auftragnehmer abgestimmte Zeitplan sieht vor, die ersten drei Seriensysteme mit ihren insgesamt 15 Luftfahrzeugen Anfang des Jahres 2021 mit einer Anfangsbefähigung in Nutzung zu nehmen. [Anm. d. Red.: ein System HUSAR besteht aus fünf Drohnen] Zusammen mit den fünf Luftfahrzeugen des bereits abgenommenen Pilotsystems sollen sie im Schwerpunkt zu Ausbildungszwecken eingesetzt werden. Alle Systeme dieses Bauloses werden bis Ende des Jahres 2021 auf die Zielbefähigung umgerüstet. Der Zulauf der übrigen mit der Zielbefähigung ausgerüsteten Luftfahrzeuge ist derzeit ab Ende des Jahres 2021 vorgesehen und soll bis zum Jahr 2023 abgeschlossen sein. Aus der aktuellen Covid-19-Pandemie resultierende Einschränkungen beim Auftragnehmer und dessen Zulieferern führen zu Verzögerungen, sodass der bestehende Zeitplan absehbar anzupassen sein wird.“

Knapp einen Monat später (Silberhorns Antwort vom 22. Dezember) geht das BMVg wohl nun von weiteren, zurzeit aber noch nicht kalkulierbaren Verzögerungen aus.

Das System HUSAR

Zu einem System HUSAR gehören neben jeweils fünf Fluggeräten zwei Bodenkontrollstationen mit zugehörigen Antennenmastsystemen, zwei Startkatapulte, zwei Netzlandesysteme sowie eine Werkstattausstattung. Aus den Bodenkontrollstationen werden die Fluggeräte gesteuert und deren Aufklärungsergebnisse ausgewertet. Die HUSAR soll eine Flugdauer von mehr als zwölf Stunden und eine Aufklärungsreichweite von 100 km besitzen. Der Sensor soll ein Feld von 100 x 100 Metern abdecken können.

Das System ist flexibel verlegbar, da die Bodenkontrollstation und die Werkstattausstattung in ballistisch geschützten 20-Fuß-ISO-Containern eingerüstet sind. Der Transport mit geschützten oder ungeschützten Trägerfahrzeugen, aber auch eine strategische Verlegung per See-, Luft- und Eisenbahntransport ist möglich.

Waldemar Geiger