StartStreitkräfteAuftrag des Sanitätsspezialzuges ist die direkte Unterstützung der Kommandokräfte

Auftrag des Sanitätsspezialzuges ist die direkte Unterstützung der Kommandokräfte

Interview mit dem stellvertretenden Kommandoarzt, Oberfeldarzt Andreas B.

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Der Sanitätsspezialzug des Kommando Spezialkräfte führte erstmalig eine Übung mit  Beteiligung eines zivilen Krankenhaus durch, S&T sprach mit Oberfeldarzt Andreas B., dem stellvertretenden Kommandoarzt im Sanitätsspezialzug des Kommando Spezialkräfte, über die Erkenntnisse der Übung und die Besonderheiten des Sanitätsspezialzuges.

S&T: Das Kommando Spezialkräfte (KSK) hat einen Sanitätsspezialzug. Stellen Sie uns diesen bitte einmal hinsichtlich Personals, Aufbau und Auftrag vor.

OFA B.: Der Sanitätsspezialzug gehört zum Sanitätseinsatz- und Versorgungszentrum KSK und gehört somit zu den Unterstützungskräften des KSK. Stationiert ist dieser in Calw in der Graf-Zeppelin-Kaserne und ist fester Bestandteil des KSK. Auftrag des Zuges ist es, die Kommandokräfte im Einsatz direkt zu unterstützen, z.B. bei Geiselbefreiungsoperationen, und eine qualifizierte notfallmedizinische und notärztliche Versorgung sicherzustellen.

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Gegliedert ist der Sanitätsspezialzug in vier Sanitätsgruppen, welche sich jeweils aus einem Luftbewegliche Arzttrupp (LBAT) und zwei Rettungstrupps zusammensetzen. Den Kompanien entsprechend werden diese Trupps den Kommandokräften direkt unterstellt und begleiten diese bei Ausbildung, Übung und Einsatz.

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Dabei ist die Grundbefähigung der einzelnen Sanitätsgruppen identisch. Zusätzlich durchlaufen diese jedoch noch eine zusätzliche Spezialisierung wie z.B. die Hochgebirgsspezialisierung oder vertikale Verbringung (Freifallfallschirmsprung).

S&T: Sie und Ihre Soldaten sind in erster Linie Sanitätskräfte, folgen aber den Kommandosoldaten. Wie sieht Ihre Ausbildung sowohl sanitätsdienstlich als auch taktisch aus?

OFA B.: Das Personal des Sanitätsspezialzuges (SanSpezZg) setzt sich aus Rettungssanitätern, Notfallsanitätern und Einsatzärzten zusammen. Neben der zivilen Berufsausbildung bzw. dem zivilen Studium und der allgemeinen militärischen Ausbildung, durchlaufen die Soldaten vorab ein einwöchiges Auswahlverfahren und werden auf charakterliche, fachliche und körperliche Eignung überprüft. Anschließend durchlaufen die Soldaten die Zusatzausbildung zu sogenannten „besonders befähigten Unterstützungskräften“ (BBU). Diese BBU-Ausbildung umfasst taktische Grundlagen, einen Basisschießlehrgang, Reaktionsschießen sowie einen Anteil im Orts- und Häuserkampf, taktischer Nahkampf, Luftlandeeinsatzverfahren (Verbringen per Hubschrauber mit schnellem Abseilen „Fast Rope“, „Rappeling“ und „schnellem Anlanden“), Überlebenslehrgang „SERE“ und einen Planungslehrgang „Mission Planning“. Zusätzlich erhält jeder Soldat eine erweiterte notfallmedizinische Ausbildung. Die Kombination dieser Befähigungen nennt sich „Rettungsspezialist bzw. Einsatzarzt Spezialkräfte“ (Natobezeichnungen: NATO Special Operation Medial Technician (NSOMT) bei Notfallsanitätern bzw. NATO Special Operation Medical Physician (NSOMP) bei den Einsatzärzten). Die Zusatzausbildung der BBU dauert etwa neun Monate.

S&T: Wie ist der Luftbewegliche Arzttrupp gegliedert, was zeichnet ihn aus? Welche Zusatzbefähigungen haben die Soldaten dieses Trupps?

OFA B.: Der luftbewegliche Arzttrupp, kurz LBAT, setzt sich wie folgt zusammen:

  • ein Truppführer: Sanitätsfeldwebel Notfall-Sanitäter mit abgeschlossener Kommando Ausbildung
  • ein  Einsatzarzt NSOMP
  • ein  Sanitätsfeldwebel Notfall-Sanitäter „Rettungsspezialist Spezialkräfte“ NSOMT
  • ein Kraftfahrer: Einsatzsanitäter (Rettungssanitäter)

S&T: Was ist der Unterschied BAT und LBAT in puncto Material, Personal, etc.?

OFA B.: Der BAT (beweglicher Arzttrupp) gelangt in der Regel mit dem Fahrzeug oder zu Fuß zu seinem Einsatzort. Der LBAT (luftbewegliche Arzttrupp) hingegen besitzt zusätzlich die Fähigkeit mit Luftfahrzeugen verbracht zu werden und gelangt z.B. durch „schnelles Anlanden“ mit dem Hubschrauber zum Einsatzort. Einige LBAT sind qualifiziert auch im Fallschirmsprungeinsatz zusammen mit den Kommandokräften eingesetzt zu werden. Häufig ist der LBAT durch Gepäckbegrenzungen materiell eingeschränkt und kann etwas weniger Ausrüstung mitführen als der BAT.

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Die Ausrüstung soll möglichst klein und leicht sein, dennoch ist sie extrem umfangreich, um sie an jede Mission entsprechend anpassen zu können. (Foto: André Forkert)

S&T: Luftbeweglich heißt in der Regel schnell, überraschend, klein, leicht. Wie setzen Sie diese besonderen Anforderungen beim Material um? Welche Einschränkungen bedeutet das?

OFA B.: Durch die Verbringungen mittel Luftfahrzeug, wie z.B. Hubschraubern, begrenzt sich das mitgeführte Material enorm. Zum einen sind die Hubschrauber durch die maximale Nutzlast limitiert, und bereits vor dem Einsatz muss genau berechnet werden, wieviel sanitätsdienstliches Material mitgeführt werden kann. Dieser Faktor wirkt sich auf die persönliche Ausrüstung der Soldaten aus, sowie die Medizingeräte, welche auftragsgerecht zuvor im Hubschrauber eingerichtet werden. Hinzu kommen weitere taktische Ausrüstungsgegenstände, wie z.B. Munition oder Funkgeräte. Auch der Platz im Luftfahrzeug ist sehr beschränkt, sodass große Rucksäcke kaum Platz finden und die persönliche Ausrüstung ständig optimiert werden muss.

S&T: Ist Ihre Einheit Vorreiter beim Testen und Einführen von neuem Sanitätsmaterial, oder übernehmen Sie aus dem Bundeswehr-Krankenhäusern?

OFA B.: Bei den eingesetzten Materialien orientieren wir uns an den aktuellen notfallmedizinischen Erkenntnissen und Empfehlungen. Dazu gehört unter anderem auch der Einsatz von Blutprodukten oder z.B. REBOA (Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta). Häufig testen wir in Übungen oder Trainings, ob diese Verfahren sich auch für unser Einsatzspektrum eignen und dementsprechend eingesetzt werden können. Teilweise stehen wir in engem Kontakt mit dem zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr und den Bundeswehr-Krankenhäusern und tauschen uns zu neuen Verfahren oder medizinischen Erkenntnissen aus.

S&T: Welche besonderen Materialien haben Sie in Ihrem Arsenal?

OFA B.: Wir können auf eine umfangreiche medizinische Notfallausstattung zurück greifen, u.a. Notkoniotomie-Set, Intubationsmaterialien, alternative Atemwegshilfen wie z.B. i-gel, Entlastungspunktionsnadeln, Thoraxdrainagen, FAST1 (intraossäre Zugänge), Erythrozyten-Konzentrate, Blutplasma, Warmblutspende-Sets, Ultraschallgerät, tragbare Perfusoren, REBOA-Katheter, Junctional-Tourniquets, je nach Auftrag verschiedenste Medikamente, wie Fentanyl in verschiedenen Darreichungen, z. B. Actiq (Fentanyl zur bukkalen Verabreichung), Instanyl Spray (Fentanyl zur Intranasalen Verabreichung), Abstral (Fentanyl zur sublingualen Verabreichung), Esketamin, Midazolam und viele weitere Notfallmedikamente. Die Bandbreite an Material und Medikamente kann dabei bis an die einer kleinen Intensivstation reichen.

S&T: Wie sieht es hinsichtlich eines internationalen Austausches mit anderen Spezialkräften aus?

OFA B.: Regelmäßig nutzen wir die Möglichkeit uns mit Partnernationen auszutauschen. Zum Beispiel nutzen wir Lehrgänge wie den „Mountain Medicine“-Course in den USA, um die Rettung im Gebirge oder schwerem Gelände üben zu können.

S&T: Normalerweise arbeitet das KSK im Verborgenen oder hinter feindlichen Linien. In welchem Szenar könnte eine Übergabe an eine zivile Klinik erfolgen, wie jetzt in der Übung „DCR-Woche“ (Damage Control Resuscitation)?

OFA B.: Es gibt verschiedene Situationen, in denen das Militär medizinisch unterstützen kann. Ein Beispiel wäre hier der Katastrophenfall wie ein Erdbeben oder eine Überschwemmung. Gemäß Art. 35 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG kann hier auch die Bundeswehr im Inland Unterstützung leisten. Durch spezielle Rettungstechniken wie z. B. das Nutzen von Hubschrauberwinden oder Höhenrettung kann das Personal des Sanitätsspezialzugs auch schwer zugängliches Gelände erreichen, um Personen zu retten.

Aber auch im in- und ausländischen Übungsbetrieb ist es nicht unwahrscheinlich, dass zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall das sanitätsdienstliche Personal, welches sich Vorort befindet, die Erstversorgung übernimmt, den Transport mit eigenen Hubschraubern sicherstellt und Verletzte direkt an das Krankenhaus übergibt. Sogar im Rahmen einer kriegerischen Auseinandersetzung ist es nur von Vorteil, wenn wir, der Sanitätsdienst KSK, die Kohäsion mit allen möglichen zivilen Versorgern üben.

S&T: Bei der jüngst erfolgten Übung wurde erstmalig mit einem zivilen Krankenhaus geübt, warum?

OFA B.: Sowohl für den SanSpezZg, als auch für das Personal des Krankenhauses ist es eine gute Möglichkeit die komplette Rettungskette vom Ort des Geschehens bis in die Klinik zu üben. Für normal würde ein solches Übungsszenario mit der Versorgung im Hubschrauber enden. Durch die zivil-militärische Zusammenarbeit können jedoch Abläufe zusammen geübt werden, sodass diese im Notfall reibungslos funktionieren.

S&T: Und können Sie uns einmal mit ins Geschehen nehmen, wie war das? Sind Sie „aufgerödelt“ mit Waffen und Sturmhaube ins Krankenhaus? Wir waren die Reaktionen?

OFA B.: Auch das Auftreten und Verhalten im Krankenhaus war für die Teilnehmer ein wichtiger Bestandteil der Übung. Der Anblick von voll ausgerüsteten Soldaten in ihrem Gefechtsanzug wirkt sehr bedrohlich und bizarr. Hier mussten die Soldaten einige Sicherheitsaspekte beachten und z.B. vor dem Betreten des Krankenhauses Sicherheit an den Waffen herstellen. Beim Betreten des Krankenhauses blieben die Gesichter der Soldaten durch die Sturmhaube verdeckt, um die Identität der Soldaten zu schützen. Auch die Schutzausrüstung, wie Schutzwesten, blieb angelegt. Normalerweise kenne ich diese Situation im Schockraum von der des Behandlers in weiß aus meiner persönlichen Weiterbildungszeit als unfallchirurgischer Assistenzarzt. Spannend war es allemal – für alle wie ich denke.

Die Reaktion des Krankenhauspersonals war jedoch sehr professionell, da dieses vorab auch über die Übung informiert wurde. Die Zusammenarbeit vor Ort funktionierte sehr gut und das Erscheinungsbild und Auftreten schien keine Rolle zu spielen. Zudem hatte das Krankenhaus zuvor mit mehreren Schildern darauf hingewiesen, dass eine Bundeswehrübung stattfindet.

S&T: Was sind die Lessons Learned?

OFA B.: Es gab extrem viele Dinge, die wir durch die Übung lernen konnten. Zum einen haben wir festgestellt, dass weiterhin die Kommandokräfte häufig und regelmäßig mit dem Sanitätsspezialzug auch komplexe Verwundetensituationen üben müssen. Gerade in der Notfallmedizin ändern sich Verfahren regelmäßig und sind sehr übungsintensiv.

Zudem konnten wir feststellen, welche erweiterten notfallmedizinischen Maßnahmen, wie die Gabe von Blut oder Blutprodukten, sich eignen um sie direkt am Ort des Geschehens nutzen zu können, oder wo Abläufe noch optimiert werden müssen.

Die Behandlung von Verwundeten in Hubschraubern verschiedenster Bauart stellt immer eine besondere Herausforderung dar. Durch den eingeschränkten Platz, Vibration und Lärm, sowie die dadurch eingeschränkte Kommunikation, kommen weitere Herausforderungen auf unsere Sanitäter zu.

Etwas Besonderes war die zivil-militärische Schnittstelle zur Klinik. Hier konnten wir üben, wie wir z.B. einen Verwundeten im Krankenhaus anmelden, sodass das Klinikpersonal direkt im Schockraum zur Verfügung steht. Auch der Ablauf des Übergabegesprächs konnte weiter optimiert und mehr ins zivile „übersetzt“ werden. Zum Beispiel unterscheiden sich einige Begriffe militärisch und zivil und auch der Ablauf des Übergabegesprächs ist anders strukturiert.

S&T: Wird es eine Wiederholung geben?

OFA B.: Aufgrund des Erfolgs der Übung planen wir zurzeit eine Wiederholung im nächsten Jahr, um diese regelmäßig wiederholen zu können. Vielleicht auch noch dieses Jahr.

S&T: Bei der Übung haben Sie auch auf ein ziviles britisches Team an versehrten Personen zurückgegriffen, warum?

OFA B.: Durch die Darsteller der Firma Casualty Ressources lassen sich viele Verwundetenszenarien besonders gut darstellen. Durch spezielle Moulagen und Make-up können die Soldaten des KSK bestimmte medizinische Maßnahmen optimal direkt am Verwundeten üben. Zum Beispiel ist es möglich, den Brustkorb mit einer Nadel zu entlasten, falls dort Luft eingeschlossen ist oder Verwundeten, dessen Atemweg durch ein Explosion affektiert wurde, mit einem Skalpell vor dem Ersticken zu bewahren, ohne dabei den Darsteller zu verletzen. Wenige Simulatoren bieten eine vergleichbare Möglichkeit, die so realitätsnah ist.

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Durch spezielle Moulagen und Make-up können die Soldaten des KSK bestimmte medizinische Maßnahmen optimal direkt am Verwundeten üben. (Foto: Bundeswehr)

Zudem können die Darsteller schauspielerisch auf die Soldaten einwirken und Schmerz oder Verwirrungszustände darstellen.

„Casualty Resources“ und besteht aus mehreren Darstellern, welche seit Geburt durch Erkrankung oder gar Verwundung eingeschränkt sind. Zudem gehören zu dem Team mehrere Make-up Artists und Darsteller ohne körperliche Einschränkung. In Deutschland gibt es keine vergleichbare Firma.

S&T: Sie haben Materialien genutzt – Bauchdecken, etc. – die mit dem Skalpell bearbeitet werden können, was ist das, wie heißt das? Vorteile?

OFA B.: Bei der Darstellung von Verwundeten nutzen wir spezielle Moulagen aus Kunststoff oder Gummi, um die medizinischen Maßnahmen so realitätsnah wie möglich darstellen und üben zu können. Diese ermöglichen das Durchführen von Entlastungspunktionen, das Legen von Thoraxdrainagen oder die Notkoniotomie, also das Eröffnen eines verlegten Atemwegs mit dem Skalpell und diesen anschließend zu sichern.

André Forkert führte das Interview.