StartBewaffnungSturmgewehre: Nutzen und Nachteile von Multikaliberfähigkeit

Sturmgewehre: Nutzen und Nachteile von Multikaliberfähigkeit

Jan-Phillipp Weisswange

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Immer wieder kommen im militärischen Bereich Überlegungen auf, gegnerische Munition anderer Kaliber in den eigenen Handwaffen nutzen zu können. Dabei steht in NATO-Nationen immer wieder die Standardpatrone für das weit verbreitete Kalaschnikow-Sturmgewehr AK47 im Fokus – die 7,62 mm x 39 alias M43.

Hintergrund ist vor allem die weltweite Verfügbarkeit dieser Patrone. In nahezu jedem Einsatzgebiet befindet sie sich in Nutzung. Könnten man diese Munition möglichst in den eigenen Standardwaffen verwenden, ließen sich zum einen etwaige Engpässe bei der Munitionsversorgung umgehen, zum anderen wäre man kompatibel mit Partnernationen, die diese Munitionssorte als Standard hätten, und schließlich könnte man die Anwesenheit in Entlegenen Einsatzgebieten verschleiern, da keine verräterischen Hülsen in anderen Kalibern herumlägen.

In allen Anwendungsfällen könnten die zumeist zu Spezialkräften zählenden Soldaten dabei idealerweise ihre gewohnten Handwaffen-Drills beibehalten. Dies wäre bei einer Fremd- oder Sonderwaffenlösung nicht der Fall. Davon unabhängig handelt es sich bei der Kurzpatrone M43 – nach heutiger Lesart ein „Mittelkaliber“ – durchaus um eine interessante Laborierung, die einen gelungenen Kompromiss aus Reichweite, Wirkung, Gewicht und Rückstoßverhalten bietet.

Einen aktuellen Ansatz zur Nutzung der M43 aus westlichen Waffen hat das US-Spezialkräftekommando USSOCOM auf den Weg gebracht. Das USSOCOM beabsichtigt, für die derzeit im Zulauf befindlichen Personal Defence Weapons SIG MCX Rattler Umrüstkits zu beschaffen. Diese sollen die Waffen in die Lage versetzen, neben 5,56 mm x 45 und 7,62mm x 35 (.300 BLK) auch die Munition im Kaliber 7,62 mm x 39 verschießen zu können. Eine entsprechende Ausschreibung wurde am 28. Oktober 2022 veröffentlicht.

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Die Umrüstkits sollen ein modifiziertes Gehäuseoberteil (Upper Receiver) und ein längeres Rohr von 7.75 Zoll (197 mm) Länge umfassen. Ebenso sollen sie mit angeklappter Schulterstütze nur 467mm lang sein. Weiterhin sind SIG Sauer-Schalldämpfer gewünscht. Eine gewisse Herausforderung besteht darin, dass der Lower Receiver – also das Gehäuseunterteil mit Griffstück und Abzugseinrichtung – unverändert bleiben soll. Dies wiederum bedingt, dass keine AK-typischen Magazine in der Waffe genutzt werden können. Also gilt es dafür zu sorgen, dass die Kurzpatrone M43 problemlos in mit AR-15-Lowern kompatiblen Patronenbehältern läuft.

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SIG Sauer hat bereits seit einigen Jahren entsprechende Lösungen im Portfolio. Die aktuelle Version des modularen Waffensystems SIG MCX SPEAR-LT lässt sich durch den Tausch von Lauf, Magazin und Verschlussgruppe auf 7,62mm x 39 umbauen – und dies bei Bedarf auf Anwenderebene.

Bei aller Begeisterung für Modularität und Multikaliberfähigkeit bleiben jedoch einige Nachteile bestehen. So gilt es, die unterschiedlichen ballistischen Parameter beim Waffeneinsatz zu berücksichtigen. Weiterhin gibt es eine grundsätzliche Gefahr von Multikalibersystemen: Setzt der Schütze im Eifer des Gefechtes ein mit der falschen Munition geladenes Magazin in seine Waffe, kann das fatale Folgen nach sich ziehen.

Einen anderen Lösungsansatz, um die interessante Laborierung 7,62 mm x 39 nutzbar zu machen, wählten beispielsweise die französischen Gendarmerie-Spezialkräfte der GIGN. Um Kalibergleichheit zu terroristischen Angreifern herzustellen, beschaffte der Verband CZ 806 Bren 2-Sturmgewehre des tschechischen Herstellers CZ. Diese ergänzen freilich den umfangreichen Werkzeugkasten der Elite-Gendarmen, sie ersetzen nicht die anderen Waffen und Wirkmittel.

Jan-Phillipp Weisswange