StartBewaffnungReichweitensteigerung der US-Rohrartillerie – ERCA-Entwicklung schreitet voran

Reichweitensteigerung der US-Rohrartillerie – ERCA-Entwicklung schreitet voran

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Das Projekt Extended Range Cannon Artillery (ERCA) ist Bestandteil des Long Range Precision Fires (LRPF) Program der U.S. Army, das die Leistungsfähigkeit der Artilleriewirkmittel steigern soll und die höchste Modernisierungspriorität genießt.

Im Teilprojekt ERCA wird seit einigen Jahren das Ziel verfolgt, die Reichweite der US-Rohrartillerie erheblich zu steigern. Neben der Reichweite soll in einem zweiten Schritt auch die Automatisierung der Panzerhaubitzen weiterentwickelt werden, um eine schnellere Feuerrate generieren zu können. Dies soll durch die Entwicklung sowie Integration eines Ladeautomaten in die Haubitzen erreicht werden, gleichzeitig werden damit auch erste Voraussetzungen für einen optional bemannten/unbemannten Einsatz der Systeme geschaffen.

Die ERCA-Panzerhaubitze basiert auf einem M109A7 „Paladin“-Fahrgestell auf dem eine weiterentwickelte Waffenanlage, bestehend aus einer längeren Kanone und einem Ladeautomaten, integriert wurde. Die Waffenanlage ist so gestaltet, dass sie den höheren Druck der Supercharge-Treibladungen aushalten kann, welche in Kombination mit dem längeren Rohr (58 Kaliberlängen) die geforderten Reichweiten erbringen sollen. Absicht der Army ist es, beginnend ab 2023 die ersten Truppenteile mit der neuen Version der Haubitze auszustatten, dann aber noch ohne Ladeautomat. Ab 2024 sollen dann Haubitzen mit Ladeautomatik zulaufen. Die Entwicklung des Systems erfolgt durch Institutionen der US-Streitkräfte, auf industrielle Kapazitäten wird nur im Rahmen der Produktion zurückgegriffen.

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Federführend für die Entwicklung des ERCA ist das U.S. Army Combat Capabilities Development Command (DEVCOM) Armaments Center im Picatinny Arsenal in New Jersey. Dieses hat vor kurzem die ersten Tests im scharfen Schuss mit dem weiterentwickelten, schnelleren Ladeautomaten durchführen können, nachdem bereits im Vorfeld unterschiedliche Schussversuche erfolgreich abgeschlossen werden konnten.

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So wurde im November 2018 mit der XM1299, einer früheren Variante der ERCA-Haubitze, eine Schussreichweite von 72 Kilometern erzielt. Dies waren die weitesten je von Haubitzen der U.S. Army abgefeuerten Schüsse. Im Vergleich zu derzeit im Einsatz befindlichen Artilleriesystemen der Army wurde damit die doppelte Reichweite erzielt. Während einer Demonstration im Juni 2019 wurde dann mit einem ERCA-Prototyp mit einem Ladeautomaten mit begrenzter Leistungskapazität geschossen. Abgefeuert wurde ein Salve von fünf Granaten –  eingesetzt wurde dabei eine Kombination eines Hochgeschwindigkeitsprojektils sowie Treibladungen des Prototyps XM657 Extended Range Supercharge – mit einer Schusskadenz von sieben Schuss pro Minute.

„Der Zweck dieser Demonstration war die Vorstellung des Entwicklungsstandes des ERCA XM1299E1“, so ein ERCA-Projektoffizier der Army. Der verwendete Prototyp des Ladeautomaten war nur für die Nutzung eines spezifischen Geschosses sowie Treibladung ausgelegt und verfügte nur über eine begrenzte Magazinkapazität. „Er diente dazu, wichtige Aspekte des technischen Ansatzes auf dem Weg zum eigentlichen Ladeautomaten zu validieren, und die Tests ermöglichten es dem Team, zu verifizieren, dass die Schlüsselkomponenten unter realistischen Bedingungen wie beabsichtigt funktionieren würden“, so die Army.

Mit den gewonnen Daten konnte eine weiterentwickelte Version gefertigt werden, welche nun zur Verfügung steht und für weiterführende Erprobungen genutzt wird.

Reichweitensteigerung der US Kanonenartillerie – ERCA Entwicklung schreitet voran
Die CAD-Grafik zeigt das Extended-Range-Canon-Artillery-System, das in ein M109A7-Fahrgestell integriert ist, mit farbigen Ausschnitten, die Teile des Munitionszuführungssystems zeigen, zu dem der Ladeautomat und das Magazin gehören. (Foto: U.S. Army Combat Capabilities Development Command Armaments Center)

Ladeautomat

Der Ladeautomat ist eine technische Vorrichtung, die die Aufgaben der Munitionskanoniere erfüllt. Während  des Feuerkampfes  übernimmt  der Ladeautomat die Auswahl der richtigen Kombination von Granaten und Treibladungsmenge sowie die richtige Einstellung der Zünder und führt die Ladetätigkeiten durch.

Der Vorteil eines solchen Systems ist unter anderem eine deutlich gesteigerte Ladetätigkeit, nach Angaben der U.S. Army um bis zu dreimal schneller als eine menschliche Besatzung. Insbesondere über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Nachteile sind eine höhere Komplexität des Gesamtsystems und ein potenzieller Missionsabbruch nach Ausfall des Ladeautomaten.

Der nun im Dezember 2020 erstmals im scharfen Schuss getestete Autolader verfügt über die volle Leistungsfähigkeit und erfüllt die von der U.S. Army definierten Parameter für dieses System. Das System ist in der Lage, eine breite Palette von im Bestand befindlichen und neuen Zündern, Treibladungen und Geschossen der U.S. Army zu verwalten und diese zu laden. Außerdem erreicht der neue Ladeautomat eine höhere Feuerrate und arbeitet gleichzeitig mit einem größeren Magazin. Für 2021 sind nun zwei weitere Demonstrationen geplant. Dabei soll die Ladeautomaten-Technologie weiter erprobt und mit höheren Feuerraten geschossen werden. Die Tests im Dezember waren gemäß Aussagen des US-Heeres Teil der Vorbereitungen für diese Demonstrationen. „Ziel des Tests war es, die Reifung der integrierten Hardware- und Software-Ladeautomaten-Technologie in einer Live-Fire-Umgebung zu verifizieren, bevor die Tests dann in vollem Umfang auf den Yuma Proving Grounds durchgeführt werden sollen“, so die Army.

Munition

Auch im Bereich der Munitionsentwicklung für das ERCA-Project wurden Fortschritte erzielt. Im Rahmen der laufenden Bestrebungen, die Reichweite von Artilleriegeschützen zu erhöhen, hat die U.S. Army jüngst eine Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung (Cooperative Research and Development Agreement, CRADA) mit dem deutschen Rüstungsunternehmen Rheinmetall unterzeichnet. American Rheinmetall Munitions, eine US-amerikanische Tochtergesellschaft von Rheinmetall mit Sitz in Stafford, Virginia, wird dieses CRADA-Projekt mit ihrer lokalen Expertise unterstützen.

Ein CRADA ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Parteien zur Zusammenarbeit in Forschung und/oder Entwicklung. Solche Vereinbarungen umreißen typischerweise das Personal, die Einrichtungen, die Ausrüstung oder andere Ressourcen zur Durchführung bestimmter Arbeiten, die mit dem Auftrag einer Behörde übereinstimmen. Die Vereinbarungen schützen auch das geistige Eigentum jeder Partei.

Das Ziel dieser Entwicklungszusammenarbeit ist es, die Innenballistik und die daraus resultierende Reichweitenleistung der Rheinmetall Nitrochemie 19L Extended Range Top Charge (ERTC) und der 23L ERTC zu evaluieren, wenn sie von einem US-Waffensystem mit US-Geschossen abgefeuert werden, mit dem Ziel, die bestehenden Reichweitenanforderungen zu erreichen oder zu übertreffen. Auch ein potenzieller Beitrag für ERCA soll untersucht werden.

Die primäre Intention von ERCA ist die Entwicklung eines Haubitzensystems mit einer Reichweite jenseits der 70 Kilometer. Dies soll durch eine Kombination eines 58 Kaliber langen Rohres (XM1299A0), einer Supercharge-Treibladung und des mittels Raketenmotor unterstützten XM1113 Sprenggeschosses erreicht werden. Die sekundäre Intention ist eine Reichweitensteigerung der derzeitigen 39-Kaliberlängen-Artilleriesysteme der U.S. Army. Die im ERCA- Projekt gewonnenen Erfahrungen werden daher daraufhin untersucht, in wie weit sie dazu genutzt werden können, die derzeitigen in Nutzung befindlichen Versionen der M109 Panzerhaubitze als auch die gezogenen M777 Artilleriegeschütze zu verbessern.

Rheinmetall hat bereits im November 2019 erfolgreich demonstrieren können, dass die hauseigenen Treibladungen in der Lage sind, Reichweitenvorteile bei bestehenden Systemen zu erzielen. Während den Schussdemonstrationen wurden Reichweiten von fast 67 Kilometern erzielt. Die Schüsse erfolgten aus einer 52-Kaliberlängen-Waffenanlage von Rheinmetall sowie der konzerneigenen M2005 V-LAP Munition, S&T berichtete.

Waldemar Geiger