Die Bundeswehr hat Ende letzter Woche den schwedischen Rucksackhersteller Snigel Design AB über die Bw Bekleidungsmanagement GmbH mit der Herstellung und Lieferung von 250.000 „Rucksacksystemen 110 Liter“ beauftragt, wie Soldat & Technik aus gut unterrichteten Kreisen erfahren hat. Die dafür notwendigen Haushaltsmittel hat der dafür zuständige Haushaltsausschuss des Bundestages am Donnerstag vergangener Woche freigegeben. „Mit dem heutigen Beschluss können wir die Beschaffung nun sehr schnell einleiten und die Lieferaufträge an unsere Vertragspartner erteilen“, sagte Verteidigungsministerin Lambrecht im Anschluss an die Sitzung des Haushaltausschusses.
Das „Rucksacksystem 110 Liter“ bestehet aus einem großen Rucksack mit 110 Litern Fassungsvermögen (im Titelbild links abgebildet) sowie einem kleineren 30-Liter-Einsatzrucksack (im Titelbild rechts abgebildet) und mehreren Packlinern. Die Bundeswehr hat nach mehreren Verzögerungen 2020 insgesamt 60.000 dieser Systeme für Kräfte der Nato-Speerspitze (Very High Readiness Joint Task Force – VJTF 2023) sowie weitere ausgewählte Truppenteile bestellt. Bei den ausgewählten Truppenteilen handelt es sich um Kräfte, bei welchen ein abgesessener Einsatz mit einer Durchhaltefähigkeit von bis zu 72 Stunden gefordert ist oder eine Folgeversorgung auch über mehrere Wochen nicht sichergestellt werden kann. Den Zuschlag für diese Lieferung erging jeweils hälftig an die Anbieter Snigel Design und Tasmanian Tiger, S&T berichtete.
Kurz nach dem Überfall der russischen Streitkräfte auf die Ukraine wurde S&T vorliegenden Informationen zufolge auf Drängen der Verteidigungsministerin entschieden, dass die Vollausstattung der gesamten Bundeswehr höchste Priorität hat. Daraufhin wurden Haushaltmittel für die Beschaffung von insgesamt 305.000 Schutzwesten des Typs MOBAST (Modulare ballistische Schutz-und Trageausstattung), 150.000 Kampfbekleidungssätzen Streitkräfte, 122.000 Gefechtshelmen sowie 250.000 Rucksacksystemen beantragt. Alle diese Systeme sollen nun spätestens bis 2025 der Truppe zulaufen.
Snigel Design
Bei dem nun erfolgten Rucksackauftrag an Snigel Design müsste es sich um den größten Auftrag der Firmengeschichte handeln. Das Unternehmen ist zwar seit Jahrzehnten auf dem Markt, ein solch großes Auftragsvolumen von 250.000 Rucksacksystemen ist jedoch nicht dokumentiert. Bereits der vorherige Auftrag der Bundeswehr hat in Fachkreisen Interesse an dem Unternehmen erregt, welches seit mehreren Jahren Ausstatter der schwedischen Streitkräfte sowie vieler anderer europäischer Armeen ist.
Die nun der Bundeswehr zulaufenden Rucksäcke – sowohl der große 110 Liter Rucksack, als auch der 30 L Einsatzrucksack – sind als Top- und Frontloader konzipiert. Beide ähneln vom äußeren Erscheinungsbild seit Jahren im Einsatz befindlichen Rucksacksystemen anderer Streitkräfte. Es scheint jedoch so, dass einzelne Details spezifisch für die Bundeswehrausschreibung umgesetzt wurden. Branchenkenner verweisen darauf, dass das auf den Behörden- und Streitkräftemarkt fokussierte Unternehmen auf einige wenige Rucksacksystemdesigns vertraut, die je nach Kundenanforderung spezifisch angepasst und weiterentwickelt werden. Je nach Bedarf werden die Rucksäcke mit einzelne gewünschten Fähigkeiten ausgestattet und die Rucksackgröße auf das geforderte Volumenniveau hoch- oder runterskaliert.
Während der ursprünglichen Vergleichserprobung in der Truppe für das Rucksacksystem 110 Liter der Bundeswehr sollen die Snigel-Rucksäcke der S&T vorliegenden Informationen zufolge den zweiten Platz erreicht haben. Der erstplatzierte Hersteller ist zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund nicht bestandener Materialprüfungen aus dem Verfahren ausgeschieden.
Bei der Lieferung des ersten Loses an die Bundeswehr soll es jedoch Qualitätsmängel am Reisverschluss des kleineren Einsatzrucksackes gegeben haben, die aber mit dem Sachverhalt vertrauten Kreisen zufolge bereits auf Kosten des Unternehmens teilweise behoben wurden bzw. bis zum Sommer 2022 behoben werden sollen. Dazu mussten die bereits ausgegebenen Einsatzrucksäcke wieder eingesammelt werden. Offenbar war ein Reißverschlussschieber für die Mängel verantwortlich, der unter bestimmten Belastungen abreißen kann. Dem Vernehmen nach werden die nun unter Vertrag gegangenen Rucksacksysteme bereits über den neuen Reißverschlussschieber verfügen.
Der Zeitplan für die Herstellung der 250.000 Rucksacksysteme erscheint ambitioniert, da das Verteidigungsministerium eine Vollausstattung der gesamten Truppe bis spätestens 2025 beabsichtigt.