Nach diversen Anläufen erhalten die Soldaten der Bundeswehr in Kürze 60.000 neue Rucksacksysteme. Gut informierten Kreisen zufolge war auch der nun erfolgreiche Ausschreibungsanlauf nicht gänzlich reibungslos verlaufen. Dem Vernehmen nach soll es unterschiedliche Ansichten über die Relevanz einzelner Kriterien der Ausschreibung zwischen den Beschaffern und den Vertretern der Nutzer gegeben haben.
Schlussendlich wurden, gemäß einer aktuellen Veröffentlichung der Bw Bekleidungsmanagement GmbH auf der europäischen Vergabeplattform TED, bereits im April 2020 zwei unterschiedliche Anbieter mit der Fertigung und Lieferung von jeweils 30.000 „Rucksacksystemen 110 Liter“ beauftragt. Somit wird die Bundeswehr bis zum Auftragen der derzeitigen Rucksacksysteme 110 Liter der Herstellers Berghaus über drei unterschiedliche Rucksacksysteme der gleichen Klasse verfügen.
Bei der Auswahlentscheidung wurden folgende Vergabekriterien berücksichtigt:
- Ergebnis der Truppenerprobung / Gewichtung: 60 %
- Liefertermine / -fristen / Gewichtung: 10 %
- Preis / Gewichtung: 30 %
SnigelDesign AB, Hauptlieferant der Rucksacksysteme schwedischer Streitkräfte, konnte sich das erste Los sichern. Das zweite, gleichstarke Los ging an Tasmanian Tiger / Tatonka GmbH. Die Rahmenvereinbarung sieht die Auslieferung der Systeme im Zeitraum 1.7.2020 bis 30.6.2024 vor. In beiden Losen ist eine Option enthalten, die Losgrößen auf je bis zu 51.000 110 L Rucksäcke und 61.000 Einsatzrucksäcke zu erweitern.
In der Truppe sollen die ersten Systeme allem Anschein nach nicht vor dem ersten Quartal 2021 ankommen. Die ersten 18.000 Systeme sollen für die Kräfte der Nato-Speerspitze (Very High Readiness Joint Task Force – VJTF 2023) vorgesehen sein. Die weiteren Systeme sind gemäß früheren Angaben des Verteidigungsministeriums ausschließlich für ausgewählte Truppenteile vorgesehen, bei welchen ein abgesessener Einsatz mit einer Durchhaltefähigkeit von bis zu 72 Stunden gefordert ist oder eine Folgeversorgung auch über mehrere Wochen nicht sichergestellt werden kann.
Rucksacksystem 110 Liter
Das Rucksacksystem 110 Liter besteht aus einem Rucksack 110 Liter, einem Einsatzrucksack und sechs Packlinern (jeweils zwei Packliner zu je 8, 20 und 40 Liter). Bei den Packlinern handelt es sich um wasserdichte Säcke, die als Inliner im Rucksack bzw. in den Seitentaschen getragen werden können. Die Lieferaufträge für die Packliner konnten sich die Logistik Unicorp Inc aus Kanada bzw. Wise Pearl Ltd aus Hong Kong sichern.
Das neue Rucksacksystem besteht aus einem großen Haupt- und einem 30 Liter-Einsatzrucksack. Beide Rucksäcke, so war es in der Ausschreibung gefordert, sind als Front- und Top-Loader konzipiert und können somit sowohl von Oben als auch von Vorne beladen werden. Die Seitentaschen des Hauptrucksackes sind abnehmbar und können bei Bedarf einzeln oder kombiniert als Notfallrucksack genutzt werden.
Das Einsatzsystem, in der Truppe auch unter dem Namen „Tagesrucksack“ bekannt, verfügt über ein Volumen von 30 Liter und kann ebenfalls mit dem Hauptsystem verbunden werden oder auch als separater Einsatzrucksack getragen werden. Die modularen Seitentaschen können sowohl mit dem Hauptsystem als auch mit dem Einsatzsystem verbunden werden.
Historie der Rucksackausschreibung(en)
Im Jahr 2017 erfolgte erstmals eine Ausschreibung mit dem Ziel, über eine Nachbeschaffung die Versorgung mit den eingeführten Rucksäcken 110 Liter sicherzustellen. Die Mehrzahl der im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens eingereichten Rucksackmodelle erfüllten jedoch die technischen Anforderungen nicht. Die Modelle, die zwar die technischen Anforderungen erfüllten, konnten dem Vernehmen nach im Trageversuch durch die Truppe nicht überzeugen. Das Ausschreibungsverfahren musste daher im Jahr 2018 aufgehoben werden.
Noch im Jahr 2018 wurden die geforderten Funktionalitäten für das Rucksacksystem 110 Liter überarbeitet und der Bedarf neu ermittelt. Die darauf folgende Ausschreibung erfolgte europaweit über die Bw Bekleidungsmanagement GmbH. Sie sah eine vierjährige Rahmenvereinbarung für das Rucksacksystem 110 Liter vor, um die erforderlichen 60.000 Systeme zu beschaffen. Die Abgabefrist für die Angebote endete am 7. Oktober 2019. Ein erneuter Trageversuch war für das erste Quartal 2020 vorgesehen.