Die in Franken ansässige VECTED GmbH, ein auf Wärmebildtechnik, Ballistikrechner sowie Head-up-Displays spezialisiertes Unternehmen, hat im Zuge der diesjährigen AFCEA-Fachausstellung eine neue Technologie zur Kampfwertsteigerung von Wärmebildgeräten gezeigt. Die auf Künstliche Intelligenz (KI) gestützte Funktion erlaubt es, die Wärmebildoptronik als emissionslosen Entfernungsmesser zu nutzen.
Die militärische Entfernungsermittlung wird üblicherweise entweder mittels der sogenannten MKS-Formel oder einem Laserentfernungsmesser (LEM) durchgeführt. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile. Die Entfernungsermittlung mittels eines LEM ist schnell und auch auf weite Entfernungen sehr genau. Für die korrekte Ermittlung muss der Nutzer das LEM jedoch sehr genau auf das Ziel richten, so dass nicht aus Versehen mehrere hundert Meter im Vorfeld stehende Büsche – die das Ziel teilweise verdecken können – angelasert und damit falsche Ergebnisse erzeugt werden. Der größere Nachteil der LEM-Nutzung ist und bleibt der emittierte Laserstrahl, der den Beobachter verraten kann, falls der Gegner über ein Laserwarngerät verfügt. Zudem können auch im nicht sichtbaren Spektrum emittierte Laserstrahlen mittels technischer Hilfsmittel sichtbar gemacht und somit rückverfolgt werden. Die klassische Alternative zum LEM ist die MKS-Formel in Kombination mit einer Optik, die über ein Strichbild verfügt. Anhand der Zielbreite in der Optik (gemessen in Strich) und dem Wissen um die grobe Größe des Ziels (bspw. querstehender Kampfpanzer), lässt sich mittels einer einfachen Rechnung die Entfernung zu dem Ziel schätzen. Diese Schätzung ist für die meisten militärischen Zwecke hinreichend genau und kommt komplett ohne verräterische Emissionen aus, bedarf aber einer deutlich intensiveren Ausbildung der Soldaten. Notwendig ist eine korrekte Ablesung der Strichbreite in der Optik, das Wissen über die jeweiligen Zielgrößen sowie die Fähigkeit, rechnen zu können – das Ganze auch unter Gefechtsstress und Feldbedingungen.
VECTED bietet nun eine neue Möglichkeit an, die dazu geeignet ist, Entfernungen schnell, genau und emissionslos zu messen. Eine integrierte KI unterstützt bei der visuellen Erfassung des Zielobjekts. Vereinfacht gesagt funktioniert die Methode vergleichbar mit der MKS-Methode, nur dass die anfallenden Aufgaben der Entfernungsschätzung ohne Zutun des Nutzers erledigt werden. „Möglich machen dies die mit einer Fülle synthetischer Daten „gefütterten“ Algorithmen, die auf den spezifischen militärischen Einsatzzweck hin trainiert wurden“, erklärt VECTED gegenüber Soldat & Technik. Auf der AFCEA-Veranstaltung wurde die Methode von VECTED anhand eines maßstabsgetreuen Panzermodells demonstriert. Die gezeigten Ergebnisse übertreffen die Entfernungsschätzung mittels der MKS-Formel, beschränkten sich jedoch auf ein einfaches Anwendungsbeispiel, welches für die militärische Relevanz deutlich ausgeweitet werden müsste. Die KI müsste dazu trainiert werden, deutlich mehr Ziele korrekt bestimmen zu können. Zudem ist der Nachweis zu erbringen, dass die korrekte Objektzuordnung und die damit verbundene Entfernungsbestimmung auch auf dem Gefechtsfeld fehlerfrei wiederholt werden kann. Schließlich ist ein Kampfpanzer auf einer freien Fläche einfach zu detektieren und zu erkennen. Schwieriger wird es, wenn der Kampfpanzer mittels multispektraler und natürlicher Mittel getarnt wurde und sich zudem vor einem für die Aufklärung unpassenden Hintergrund befindet. Ist eine KI aber erst einmal ausreichend gut trainiert, wäre sie womöglich in der Lage, Soldaten erheblich zu entlasten und in dem ein oder anderen Fall vor unnötiger Laseremission, mit der damit verbundenen Gefahr der Entdeckung, zu bewahren.
KI und Optronik
VECTED beschäftigt sich eigenen Angaben zufolge schon viele Jahre mit den Möglichkeiten von KI und der verantwortungsvollen Integration von KI in Wärmebildsysteme. Das selbstformulierte Ziel ist es, „die Objektdetektion und -identifikation weiter zu verbessern und so die Entscheidungsfindung des Nutzers zu unterstützen“. Da insbesondere im behördlichen und militärischen Kontext sprichwörtlich Leben auf dem Spiel stehen, muss die Entscheidungsunterstützung VECTED zufolge „absolut verlässlich sein“. Damit dies gelingen kann, braucht es nach Ansicht der Franken zuverlässige und hochqualitative Datensätze für das Anlernen der KI-Anwendungen. Diese müssen zudem als Trainingsdaten markiert sein. Solche Daten sind VECTED zufolge – insbesondere im militärischen Umfeld – „meist schwer und nicht ohne Fehler zu bekommen“. Daher verfolgt VECTED den Ansatz, die KI mittels synthetischer Daten – diese haben „den Vorteil, zu 100 Prozent perfekt gelabelt zu sein“ – zu trainieren und im Anschluss mittels echter Daten zu verifizieren. Dazu arbeiten die Franken eigenen Angaben nach mit dem Kooperationspartner ThermoAnalytics zusammen, der offenbar qualitativ hochwertige, kontextspezifische Daten bereitstellen kann.
Zudem muss die KI-generierte Entscheidung für den behördlichen und militärischer Nutzer transparent sein, damit der Mensch im Zweifelsfall wahrnehmen kann, ob die KI-Entscheidungshilfe hilfreich ist oder nicht. Dazu hat VECTED seine Systeme mit einem auswählbaren Transparenzmodus ausgestattet. Dieser benötigt nach Angaben des Unternehmens mehr Rechenkapazität, bietet aber die Möglichkeit dem Nutzer jeden Arbeitsschritt, der beispielsweise bei der Bestimmung des Objektes und der Entfernung zum Tragen kommt, einzublenden. Somit werden nach Ansicht von VECTED „Nachvollziehbarkeit und Transparenz geschaffen und die Vertrauenswürdigkeit der KI gesteigert“.