StartAusrüstung & BekleidungZivile und militärische Funktionsbekleidung – der Unterschied liegt nicht nur im Detail

Zivile und militärische Funktionsbekleidung – der Unterschied liegt nicht nur im Detail

Gastbeitrag von Thomas Meyer – W.L. Gore & Associates GmbH

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Mit der „Zeitenwende“ bei der Beschaffung von Bekleidung und persönlicher Ausrüstung der Bundeswehr wird vermehrt die Forderung nach marktverfügbaren Produkten laut und erweckt schnell den Anschein, dass handelsübliche Funktionsbekleidung aus dem Trekking- und Outdoorbereich oder „Workwear“ uneingeschränkt von den Soldatinnen und Soldaten genutzt werden kann. Das lässt sich auch nicht mehr ganz verneinen, weil mittlerweile viele zivile Technologien die Entwicklung militärischer Bekleidung und Ausrüstung beeinflusst haben oder sogar direkt übernommen wurden, wie beispielsweise beim Kampfstiefel schwer mit GORE-TEX Membrantechnologie.

Kampfstiefel schwer Foto Gore
Kampfstiefel, schwer (Foto: W.L. Gore)

Es ist aber nicht immer so einfach zivile mit militärischer Funktionsbekleidung direkt zu vergleichen. Die Anforderungen an militärische Bekleidung sind generell sehr hoch und komplex. Es gilt hierbei immer die drei wesentlichen Einflussfaktoren – Schutz, Haltbarkeit und Tragekomfort – bestmöglich aufeinander abzustimmen.

Besonders der Schutz hat in den letzten Jahren mehr an Bedeutung gewonnen, was auch von der Industrie technologisch umgesetzt und weiterhin optimiert wurde. Neben dem Schutz vor den Widrigkeiten der Umwelt gibt es weitere Anforderungen, die in eine militärische Kampfbekleidung dauerhaft integriert werden müssen, wie z.B. Tarnung (hier ist zu beachten, dass nicht jedes Material mit allen Tarnmustern bedruckt werden kann), IR-Reflektion, Vektorenschutz (Insekten und Kriechtiere) sowie der Schutz vor den Gefahren von Hitze und Flammen im Einsatz.

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Darüber hinaus werden im militärischen Umfeld oft auch deutlich höhere Anforderungen an geräuscharme Bekleidung gestellt und sie muss möglichst lange halten sowie eine hohe Wasch- und Pflegebeständigkeit erfüllen. Alles Anforderungen, die der zivile Nutzer von Funktionsbekleidung in der Regel so nicht hat.

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Einflussfaktoren Bekleidung (Graphik: W.L. Gore)

Die Herausforderung einer hochfunktionellen Bekleidung liegt immer darin möglichst alle Einflussfaktoren zu berücksichtigen und optimal aufeinander abzustimmen – was in der Theorie einfach klingt, aber in der Entwicklung oft die Quadratur des Kreises bedeutet und dann gerne als „eierlegende Wollmilchsau“ oder „Goldrandlösung“ bezeichnet wird.

Beispielsweise der Schutz vor Hitze und Flammen wird vorwiegend durch die Verwendung von flammfesten Aramidfasern in den Textilien erreicht. Aramide bieten zwar ein sehr hohes Schutzniveau, haben aber gewisse Einschränkungen bei der Haltbarkeit und machen die Textilien und Bekleidung schwerer, so dass ein Konflikt im Hinblick auf die ideale Performance entsteht. Gore hat sich dieser Herausforderung angenommen und basierend auf einer anderen Technologie eine innovative und marktverfügbare Lösung geschaffen, die das Spannungsfeld von Schutz, Haltbarkeit, Tragekomfort gut gelöst hat, die GORE PYRAD Textiltechnologie.

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Einsatzkampfbekleidung Spezialkräfte, Beflammungstests (Foto: W.L. Gore)

Die Bundeswehr hat diese Technologie schon seit 2014 mit der Einsatzkampfbekleidung Spezialkräfte und teilweise bei der Kampfbekleidung KBS SK seit 2019 eingeführt.

Weitere Anwendungen der marktverfügbaren GORE PYRAD Textiltechnologie werden zur Zeit von der Bundeswehr evaluiert, beispielsweise für das Nachfolgemodell der bewährten Wetterschutzjacke für technisches Bodenpersonal von Luftfahrzeugen, die in 2023 beschafft werden soll.

Wetterschutzjacke Bodenpersonal Foto Gore
Wetterschutzjacke Bodenpersonal aus GORE-TEX Material (Foto: Patrick Zwerger)

Neben der Betrachtung einzelner Artikel, muss militärische Bekleidung und persönliche Ausrüstung immer als ein System gedacht werden, wo die jeweiligen Schichten modular und funktionell aufeinander abgestimmt sind und somit dem Soldaten ein Optimum an Schutz, Tragekomfort und Bewegungsfreiheit ermöglichen.

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GORE-TEX Stretch Technologie beim “Fitness-for-Use” Tragetest (Foto: W.L. Gore)

Als „Zwiebelschalenprinzip“ bekannt und im Zivilen bei Outdoor- und Berufsbekleidung schon seit langem bewährt, wurde der Systemgedanke auch bei der Bundeswehr in den 80er Jahren mit der Einführung des Feldbekleidungssystem 90 angewendet und bei weiteren Entwicklungen, wie dem „Infanterist der Zukunft“ (IdZ ES) und „Kampfbekleidungssatz Streitkräfte“ (KBS SK), konsequent beibehalten. Es sollte auch weiterhin das grundlegende Prinzip bei der Konzeption militärischer Bekleidungssysteme bleiben, um marktverfügbare Technologien zu integrieren, weiterzuentwickeln und an die Einsatzerfahrungen anzupassen.

Autor: Thomas Meyer ist Key Account Manager Defense Fabrics bei der W.L. Gore & Associates GmbH