StartStreitkräfteUkrainische Kursk-Offensive: Laterale Geländegewinne auf beiden Seiten

Ukrainische Kursk-Offensive: Laterale Geländegewinne auf beiden Seiten

Print Friendly, PDF & Email

Bei der ukrainischen Kursk-Offensive und der seit zwei Wochen laufenden russischen Gegenoffensive konnten beide Seiten zuletzt nicht weiter in die Tiefe des vom jeweiligen Gegner gehaltenen Raums vordringen. Lediglich lateral konnten sie zusätzliches Gelände sichern: Russland nördlich und vor allem südlich seiner auf den Ort Ljubimowka gerichteten Angriffsachse mit der Einnahme zweier Dörfer am Fluss Snagost, die Ukraine westlich der Straße nach Lgow im Norden sowie bei ihrem grenzüberschreitenden Entlastungsangriff Richtung Weseloje im Westen.

Nach der Kraftanstrengung der Gegen- und Gegen-gegen-Offensive fehlen möglicherweise beiden Parteien momentan die Ressourcen zur entscheidenden Ausnutzung ihrer jeweiligen Vorstöße. Unter Umständen haben auch die offenbar schweren kürzlichen Schläge durch ukrainische Drohnen auf drei russische Munitionsdepots Auswirkungen auf die Versorgung der russischen Fronttruppen, die damit das Schicksal fehlender Munition mit dem Gegner teilen würden. Allerdings hatte sich das Tempo ihres Vordringens schon nach dem ukrainischen Entlastungsangriff reduziert.

Kursk 240924
Lagebild am 24. August, 23:00 MESZ. Die russische Seite hat vor allem südlich von Ljubimowka, die ukrainische westlich der Straße nach Lgow im Norden und bei ihrem Entlastungsangriff bei Weseloje im Westen zusätzliches Gelände gesichert. Im Osten hat die Gefechtstätigkeit abgenommen. (Bild: Google Maps/Boes)

Auch bei dem zuvor vergleichsweise schnellen Vormarsch auf die Schlüsselstadt Pokrowsk im Donbass sind bereits seit der Verlegung einer zusätzlichen ukrainischen Brigade aus dem Süden Stillstand, teilweise sogar kleinere Rückschläge für Russland zu verzeichnen. Dass es seither im vorherigen Einsatzraum dieser Brigade bei Wuhledar zu russischen Geländegewinnen kam, ist für die Ukraine vermutlich weniger wichtig als das Halten von Pokrowsk und des dahinterliegenden unbesetzten Territoriums der Oblast Donezk.

Sollte sich der erneute Trend zur statischen Kriegführung verfestigen, erhielten Initiativen für mögliche Waffenstillstands- oder gar Friedensverhandlungen verstärkte Bedeutung. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist in dieser Woche auf USA-Reise, um unter anderem Präsident Joe Biden und den beiden Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump einen „Siegesplan“ vorzustellen, der zu einem Kriegsende im kommenden Jahr führen soll.

Anzunehmen ist, dass dieser weiterhin die Erlaubnis zum Einsatz westlicher Langstreckenwaffen gegen Ziele tief in russischem Staatsgebiet einschließt, um Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen. Bislang scheint Biden dies aufgrund der Gefahr einer Eskalation zu einer direkten Auseinandersetzung zwischen Russland und NATO abzulehnen. Wie Harris oder gar der notorisch Ukraine-skeptische Trump – der erklärt hat, den Krieg nach einer Wahl innerhalb eines Tages beenden zu können – solche Pläne aufnehmen, bleibt abzuwarten.

Russland ist derweil nach verbreiteter Auffassung willens und in der Lage, den Krieg bis mindestens 2026 weiterzuführen. Verschiedentlich wird die Hoffnung geäußert, dass es dann Anfang dieses Jahres zu Problemen bei der personellen und materiellen Bedarfsdeckung kommen könnte, die Auswirkungen auf die Fortsetzung haben könnten. Wladimir Putin, der nach Beginn der Kursk-Offensive zunächst erklärt hatte, dass sich damit alle Verhandlungen erledigt hätten, ist zumindest seither kommentarlos zu seiner vorherigen Haltung „ständiger Gesprächsbereitschaft“ zurückgekehrt.

Stefan Axel Boes