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Gebirgsjäger kämpfen gegen das Hochwasser

Oberstleutnant Sebastian Zäch

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Seit einer Woche sind Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 im Katastropheneinsatz im Raum Manching und Vohburg. „Um 23:00 Uhr wurden die Zugführer alarmiert“, berichtet Hauptfeldwebel Sebastian A. von der ersten Kompanie des Gebirgsjägerbataillons 233 aus Mittenwald. „Zwei Stunden später war dann Befehlsausgabe an die Zugführer, und unsere Soldaten trafen nach und nach in der Kaserne ein“.

Das war Samstag, der 1. Juni, die meisten Bürger beobachteten das Geschehen und die Pegelstände in den Hochwassergebieten besorgt in den Nachrichten. Im Raum Pfaffenhofen, Schrobenhausen und Manching spitze sich die Lage immer mehr zu. Gegen Mittag wurde der Katastrophenfall ausgerufen, und die Bundeswehr konnte endlich zur Unterstützung angefordert werden. Die Befehlskette nahm ihren Lauf.

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Einsatz in Manching: Mit einer Kette aus Soldaten werden die Säcke weitergereicht und verbaut. (Foto: Bundeswehr)

„Um 03:00 Uhr fuhren wir dann ab, 40 Soldaten der ersten, dritten und vierten Kompanie“, erzählt der Zugführer. An anderen Standorten der Gebirgsjäger in Bad Reichenhall und Bischofswiesen geschah das Gleiche. Über 300 Soldaten der Gebirgsjägerbrigade wurden so in Marsch gesetzt. „Wir wurden nach Baar-Ebenhausen befohlen, ein Ort an der Paar, den es besonders schlimm erwischt hatte“, berichtet A. weiter. „Bis Mittag unterstützen wir mit allen unseren Soldaten am Bauhof und befüllten Sandsäcke, die dringend zur Stabilisierung gebraucht wurden.“

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Der Einsatz der Gebirgsjäger begann in Baar-Ebenhausen mit dem Befüllen von Sandsäcken. (Foto: Bundeswehr)

Doch dann kam es zur Katastrophe, schildert der 39-Jährige: Oberhalb des Ortes war ein Damm gebrochen und Baar-Ebenhausen wurde innerhalb kürzester Zeit überschwemmt, obwohl die Hochwasserschutzeinrichtungen im Ort selbst bislang standgehalten hatten. Das Befüllen von Sandsäcken wurde sofort eingestellt. „Jetzt ging es nur noch darum, Leben zu retten. Wir nutzten alle Fahrzeuge, die wir bekommen konnten und holten Leute aus ihren Häusern, um sie zu einem Sammelpunkt zu bringen. Mit Lastern und Traktoren fuhren wir von Haus zu Haus und sammelten die verzweifelten Menschen ein.“.

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Man sieht dem strammen Soldaten, der sonst Führer des Scharfschützenzugs in Mittenwald ist, bei seiner Erzählung an, wie ihn das Erlebte persönlich berührt. „Auch ein Altenheim musste evakuiert werden und das Wasser stieg immer weiter. Wir ließen einen Bus durch das Wasser fahren, und unsere Männer halfen den Senioren in den Bus. Stellenweise stand uns das Wasser bis zum Gürtel. Bettlägerige und gebrechliche Personen haben sich die Jungs einfach über die Schultern gelegt und hinausgetragen. Für Kosmetik blieb uns keine Zeit“.

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Nach dem Dammbruch in Baar-Ebenhausen evakuierten die Gebirgsjäger Menschen aus den teilweise eingeschlossenen Häusern. (Foto: Bundeswehr)

Oberst Kohlbach, aktuell Führer der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall, stand vor einer schwierigen Entscheidung: Für den Samstag, den 8. Juni, war in Mittenwald der Tag der Bundeswehr geplant, zu dem rund 20.000 Gäste erwartet wurden. Dieses Jahr war Mittenwald der einzige Standort in ganz Bayern, an dem die Bürger die Bundeswehr von innen sehen können. Die Planungs-, Vorbereitungs- und Aufbauarbeiten liefen seit Wochen, eine große Werbemaschinerie war in Gang gesetzt worden. Gerade auch für die Nachwuchsgewinnung ist ein solcher Tag von großer Bedeutung.

„Aber wir können nicht in Mittenwald ein großes Fest feiern, während 150 Kilometer entfernt Menschen um ihre Existenz bangen müssen, ganze Orte im Wasser versinken und es bereits Tote gab“, resümiert der Oberst. „Es half nichts. Der Tag musste abgesagt werden und alle Kräfte waren der neuen Aufgabe zur Verfügung zu stellen.“ Der Bundesverteidigungsminister folgte seiner Empfehlung, und die Großveranstaltung wurde abgesagt.

Zurück an der Hochwasserfront: „Die Nacht verbrachten wir in einer Turnhalle in der Pionierkaserne in Ingolstadt“, erinnert sich Hauptfeldwebel A.: „Wir wurden erstklassig versorgt vom Roten Kreuz.“ Doch auch wenn die Scheitelwelle den Einsatzort in der Nacht passiert hatte, waren die Gebirgsjäger schon am Morgen wieder im Einsatz, diesmal in Manching. „Als wir ankamen, schwappte das Wasser schon über die bestehenden Sandsackwälle. Zusammen mit den Gebirgsjägern aus Bischofswiesen und Bad Reichenhall erhöhten wir sofort die Dämme, um das Schlimmste abzuwenden.“ Abends wurden die Soldaten aus dem Einsatz herausgelöst und durch andere Gebirgsjäger ersetzt.

Ortswechsel. Während sich in Baar-Ebenhausen und Manching das Wasser zurückgezogen hat, in vielen Häusern schon die Pumpen laufen, um die Keller leer zu bekommen und ein penetranter Geruch von Heizöl über den Orten liegt, sind die Gebirgsjäger weitergezogen. „Wir werden jetzt zur Gefahrenabwehr gebraucht“, erklärt Oberstleutnant Sebastian Becker, Kommandeur des Gebirgsjägerbataillons 232 aus Bischofswiesen und Führer der Kräfte vor Ort.

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Und immer wieder: Sandsäcke, Sandsäcke, Sandsäcke. (Foto: Bundeswehr/Zäch)

Bei Irsching, in der Nähe von Vohburg, sammelte sich immer mehr Wasser in einem Seengebiet und drohte die angrenzenden Orte zu überfluten. Ein Hochwasser führender Bach trat über die Ufer und flutete dieses Areal immer weiter. „Zusammen mit THW und Feuerwehr vor Ort haben wir entschieden, den Bach absichtlich in die Seen einzuleiten und das Wasser an anderer Stelle, nahe am Hochwasserdamm der Donau, mit großen Pumpen wieder zu entnehmen und in die Donau einzuleiten“, beschreibt Oberstleutnant Becker die schwierige Aufgabenstellung.

Im Hintergrund werden aus dem Dorf auf Paletten Sandsäcke angefahren und Gebirgsjäger im T-Shirt haben sich in Reihen aufgestellt, die Sandsäcke fliegen von Mann zu Mann, und es werden Wälle errichtet, über die die riesigen Schläuche der Pumpen dann geführt werden sollen. Plötzlich dröhnt es immer lauter, und durch die am Straßenrand aufgereihten Gefechtsfahrzeuge der Gebirgsjäger fährt ein Pionierpanzer Dachs heran.

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In Manching wurden dringend benötigte Sandsäcke sofort verbaut, um den vorhandenen Damm zu erhöhen und zu verstärken. (Foto: Bundeswehr/Stark)

Die Besatzung springt vom Panzer, der Oberstleutnant winkt sie heran, weist sie in ihre Aufgabe ein. Er war es, der den Panzer in Absprache mit den zivilen Behörden vor Ort zur Unterstützung bei der Pionierschule in Ingolstadt angefordert und einige Stunden später bekommen hat. „Ihr fahrt an die Stelle, wo der Bach dem See am nächsten ist, dann reißt ihr die Uferbefestigung des Baches auf und leitet den Bach über den Weg in den See“, erklärt er den Auftrag.

Der Panzer wird für seinen Einsatz vorbereitet, kurz danach dröhnt es wieder. Das Ungetüm dreht sich auf der Straße und fährt durch ein Weizenfeld ins knietiefe Wasser. Es senkt das Räumschild, brüllt auf, der Boden vibriert, und 830 PS und über 40 Tonnen Gewicht schieben sich in die Uferböschung. Das Wasser aus dem Bach strömt um den Panzer und rauscht in den See. Die Böschung wird auf rund 20 Meter Breite abgetragen. Dann fährt der Panzer seine riesige Schaufel am neun Meter langen Arm aus und gräbt eine Schneise in den Weg, um ein neues Flussbett zu schaffen.

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Um Orte vor der Überflutung zu schützen, haben die Gebirgsjäger schweres Gerät zur Unterstützung erhalten: Ein Pionierpanzer Dachs leitet einen Bach um. (Foto: Bundeswehr/Zäch)

Schwitzend, aber zufrieden stehen die Gebirgsjäger auf dem Damm, als die sechs Pumpen angeworfen werden und über die rund 30 Zentimeter dicken Schläuche Wasser in die Donau fördern. Doch eine Pause, oder Zeit zum Nachdenken über das Erlebte bleibt den Soldaten nicht. „Aufsitzen! Ausrüstung verstauen! Abfahrt in 15 Minuten“, ruft einer. Was sie als nächstes erwartet, wissen die Soldaten zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

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Bis neue Sandsäcke ankommen, können sich die Gebirgsjäger ausruhen. (Foto: Bundeswehr)

Bis zum Ende des Hochwassereinsatzes werden noch unzählige weitere Sandsäcke durch ihre Hände bewegt werden. Die Motoren werden angeworfen und der Konvoi setzt sich in Bewegung. Kurz danach werden Sie zum Schutz eines Umspannwerks angefordert, das ohne ihre Hilfe in der Nacht zum Donnerstag ein Opfer der Fluten geworden wäre. Auch hier hat sich ihr Einsatz ausgezahlt.

Oberstleutnant Sebastian Zäch