Heute vor 80 Jahren kapitulierte die deutsche Wehrmacht vor den Alliierten des 2. Weltkriegs. Das bedeutete 68 Monate nach dem deutschen Überfall auf Polen das Kriegsende in Europa. Bereits am 7. Mai hatte Generaloberst Alfred Jodl als Chef des Wehrmachtsführungsstabes im französischen Reims die bedingungslose Kapitulation an allen Fronten unterzeichnet. Diese trat am Folgetag um 23:01 Uhr mitteleuropäischer Zeit in Kraft.
Die Sowjetunion bestätigte allerdings die Unterschrift ihres Vertreters in Reims nicht und bestand auf der Unterzeichnung einer weiteren Kapitulationserklärung durch das Oberkommando der Wehrmacht und die Befehlshaber der deutschen Teilstreitkräfte. Diese „Ratifizierung“ erfolgte am 9. Mai um 00:16 Uhr (02:16 Uhr Moskauer Zeit) am Sitz des Oberkommandieren der Roten Armee in Deutschland, Marschall Georgi Schukow, in Berlin-Karlshorst. In Russland und verbündeten Staaten wird der Tag des Kriegsendes daher am 9. Mai begangen.
Besiegt oder befreit?
In der Bundesrepublik Deutschland wird des Datums erst seit der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard Weizsäcker vor dem Bundestag 1985 und zu runden Jahrestagen in größerem Rahmen gedacht. Weizsäcker ergriff mit der Aussage, Deutschland sei an diesem Tag vom Nationalsozialismus befreit worden, Partei in einem langdauernden Historikerstreit darüber, ob man als Land besiegt oder befreit worden sei. Beide Positionen hatten auch Implikationen für die Frage nach der Schuld der Deutschen als Volk am 2. Weltkrieg – ob sie also eher Opfer oder Mittäter des Nationalsozialismus gewesen seien. Die Diskussion über die Nuancen dazwischen setzt sich bis heute fort.
Der aktuelle 80. Jahrestag ist, wie schon der 75., nur in Berlin außerordentlicher gesetzlicher Feiertag. Hier kam auch der Bundestag zu einer Gedenksitzung zusammen. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier bezeichnete den Zweiten Weltkrieg als „nichts als ein endloses Grauen“. Es seien Deutsche gewesen, „die nicht willens und nicht fähig waren, selber das Joch des NS-Regimes abzuwerfen“. Steinmeier erinnerte an die Leistungen der Alliierten und Widerstandsbewegungen. Dabei erwähnte er auch den Beitrag der Roten Armee, verurteilte aber den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zum Schluss rief er dazu auf, die seit dem Kriegende gewonnene Freiheit und Demokratie zu schützen.
Feiern zum Kriegsende bei den Siegern
In Moskau steht die morgige traditionelle Militärparade zur Feier des Sieges über Deutschland ebenfalls im Schatten des Ukrainekriegs. Der russische Präsident Wladimir Putin hat dazu einen dreitägigen Waffenstillstand ausgerufen. Der offensichtliche Grund ist, die Teilnahme internationaler Staatsgäste und die damit verbundene Demonstration von Anerkennung seines Regimes nicht zu gefährden. In Kiew, wohin Staatsgäste wegen der Bedrohungslage schon seit drei Jahren per Zug fahren müssen, stieß das erwartbar nicht auf Gegenliebe. Zu Wochenbeginn startete die Ukraine neue Drohnenangriffe auf Moskau, die zwar nur minimale Schäden verursachten, aber zur Schließung aller Moskauer Flughäfen führten.
In den USA hat Präsident Donald Trump kürzlich erklärt, den bisherigen „Victory in Europe (VE) Day“ als gesetzlichen „Victory Day for World War II“ etablieren zu wollen und bei dieser Gelegenheit auch den „Veterans Day“ am 11. November in „Victory Day for World War I“ umzubenennen. Beides stieß auf scharfe Kritik von Historikern und Veteranen. Diese wiesen darauf hin, dass der 2. Weltkrieg im Pazifik nach dem 8. Mai noch mehrere Monate mit großen Verlusten andauerte, und der ursprüngliche „Armistice Day“ zur Feier des Waffenstillstands im 1. Weltkrieg bewusst auf die Würdigung aller US-Veteranen ausgedehnt worden sei. Offizielle Schritte zu Umbenennungen sind nicht erfolgt.
Stefan Axel Boes