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Der Melder kommt zurück – Kradmelder bei der Bundeswehr

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Eine verlässliche Kommunikation ist eines der wichtigsten Elemente auf dem Gefechtsfeld, um Aufklärungsergebnisse abzurufen, Effektoren ins Ziel zu lenken oder sich mit Verbündeten zu koordinieren.

Bei internationalen Übungen liegen deutsche Einheiten oft neben NATO-Verbündeten, können z.B. die US Kompanie sehen, aber nicht mit ihr sprechen. Oft liegt das einfach an einer Ausrüstung, die nicht interoperabel ist. Hinzukommen Einschränkungen durch das Gelände und andere natürliche Grenzen (Umwelteinflüsse). Spätestens seit der Ukraine und dem NATO-Manöver Trident Juncture 2018 ist klar, der potentielle Gegner aus dem Osten verfügt über enormes Störpotenzial.

Bei der Infanterie wurde daher wieder vermehrt auf den Melder zu Fuß zurückgegriffen, die Marine führt wieder Flaggensignale und das Lichtmorsen ein. Uralte aber verlässliche Methoden. Für die Very High Readiness Joint Task Force (Land) 2019, VJTF (L) führt das Heer jetzt den Kradmelder wieder ein. Dazu erhielt die Panzerlehrbrigade 9 in Munster bereits Ende März neue geländegängige Motorräder (kurz Kräder) und die dazugehörige Ausstattung zur Reparatur im Gelände. Die neuen Maschinen vom Typ BMW 850 GS sind für den Einsatz der sogenannten Kradmelder vorgesehen. Bei der offiziellen Übergabe wurden 29 Kräder sowie die „Werkstattausstattung Bedarfsfall zur feldmäßigen Instandsetzung“ durch die BwFuhrparkService GmbH (BwFPS GmbH) an die Panzerlehrbrigade 9 – die den Kern der multinationalen VJTF (L) bildet – übergeben. Mit weiteren Lieferungen wird die Anzahl auf 84 steigen. Gleichzeitig konnte die neue Fahrzeuggeneration von IVECO (LKW 1-3 t und 3-10 t hümS) sowie der neue VW Widder in der Variante FüInfoSys besichtigt werden.Oberstleutnant Sirko Bednarski vom BAAINBw

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BMW 850 GS ersetzt Hercules K 125

Bis in die 90er Jahre nutzte die Bundeswehr die Hercules K 125 für ihre Kradmelder. Im Anschluss aber nur als Zwischenlösung (auf absoluter Sparflamme) standen zwischenzeitlich die KTM LS 400 und die BMW G650GS als geländegängige Kräder zur Verfügung. Jetzt setzt man auf modernere Fahrzeuge aus dem Hause BMW mit der Typenbezeichnung des Herstellers BMW F 850 GS (GS für Gelände/Straße). Bundeswehrintern wird diese Variante als Krad gl (Gelände) bezeichnet.

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Der Abteilungsleiter Ausrüstung im BMVg, Vizeadmiral Carsten Stawitzki (zweiter von links) ist mehr als stolz auf die Beschaffung und stellt vor allem auch die schnelle und reibungslose Beschaffung immer wieder gerne heraus. (Fotos: Bundeswehr)

Die in der Bundeswehr betriebenen Motorräder sind dienstleistungsfähig eingestuft. Alle derzeit in Nutzung befindlichen Kräder werden durch die BwFPS GmbH gestellt. Der Antrag für die ersten 29 Kräder gl für VJTF 2019 gingen Anfang 2018 beim BAAINBw ein und wurden an BAAINBw Abt. E3.2 (Projektleiter BwFPS) weitergeleitet. Leider mussten prozessual einige Klippen bereinigt werden, bevor in die Beschaffung eingestiegen werden konnte. In der Bundeswehr gab es zu der Zeit kein Krad, welches die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllte. Zum Schluss erfüllte die BMW F 850 GS die meisten Forderungen und wurde als zeitlich beschaffbar eingestuft. Innerhalb von vier Monaten konnte dann auch die Beschaffung eingeleitet werden.

Im Gegensatz zur alten Hercules ist die BMW eigentlich zu groß, schwer und nicht für schweres Gelände konzipiert. Daher stellt sich die Frage, ob mehr Komfort und einfachere Bedienung anstelle extremer Geländegängigkeit wichtiger war. Wie bei allen militärischen Projekten wurden auch hier die bestimmten Fähigkeitsforderungen in einer Leistungsbeschreibung (LB) abgebildet. Die Forderungen wurden am Markt platziert und Angebote eingeholt.

Die BMW F 850 GS wird von einem wassergekühlten Zwei-Zylinder-Benzinmotor mit 70 kW angetrieben. Der Kraftstoff wird elektronisch eingespritzt und das Abgas über einen Katalysator nach Euro 4 gereinigt. Von den 445 kg zulässigem Gesamtgewicht können 216 kg für Zuladung genutzt werden. ABS, Antischlupfregelung und Stabilitätskontrolle erhöhen die Fahrsicherheit. Aufgrund der Ausführung von Fahrwerk, Bereifung und Bodenfreiheit ist das Motorrad für Straßen- wie für Geländefahrten geeignet. Die Höchstgeschwindigkeit der Serienmaschine beträgt 200 km/h. Der Tankinhalt von 15 Litern ermöglicht (je nach Fahrweise) eine Reichweite von rund 300 km. Der Preis pro Maschine liegt bei rund 15.000 €. Die Bundeswehr zahlt eine monatliche Miete dafür.

Der Melder kommt zurück Kradmelder bei der Bundeswehr 2In Deutschland werden die Kräder beim nächsten BMW-Händler instandgesetzt bzw. die Wartungen durchgeführt. Für den Einsatz wird derzeit ein Instandhaltungskonzept vorbereitet. Es sollen im Einsatz aber nur Kleinstschäden behoben werden, resultierend aus Geländefahrten und dort stattfindenden Stürzen. Ansonsten wird eine Reserve mitgeführt. Größere Schäden werden bei Vertragshändlern im In- und Ausland durchgeführt. Die Kräder werden gerade in die Klasse handelsübliche Fahrzeuge mit militärischer Sonderausstattung (hümS) eingestuft. Ausplanung erfolgt über die Stärke- und Ausrüstungsnachweisung (STAN) der Truppenteile. Der Vertag läuft über sechs Jahre und 6.000 km pro Jahr.

 

Die Kräder werden handelsüblich (hü) als BMW F 850 GS beschafft und durch die Firma INTAX in Oldenburg oliv foliert und glänzende Teile schwarz matt lackiert. Außerdem wurden noch Koffer (links und rechts) angebracht. Auf Waffenhalter wurde bewusst verzichtet, weil keine Forderung seitens der Truppe vorlag. Zur Selbstverteidigung wird daher die Waffe entweder auf dem Rücken oder seitlich mitgeführt.

VJTF nur der Anfang

Zunächst werden 84 Maschinen für die VJTF (L) 2019 beschafft. Aber nach und nach sollen auch alle anderen Truppenteile ausgestattet werden. Vordringlich werden derzeit die Bw-Fahrschule in Kümmersbruck und die LogSBw in Garlstedt mit den neuen Krädern ausgestattet. Auch die Feldjäger (FJg) erhalten hierzu ein Sonder(Behörden)Modell.

Derzeit wird die alten BMW G 650 GS durch die neue BMW F 850 GS ersetzt. Ziel ist das einheitliche Krad in dieser Klasse. Im Gegensatz der Motorräder für die VJTF (L) werden die Maschinen für die FJg mit Behördenausstattung und nicht komplett in oliv sondern silber-blau foliert.

Brigadegeneral Ullrich Spannuth, Kommandeur Panzerlehrbrigade 9, sagte anläßlich der Übergabe der ersten Maschienen: „Die Motorräder werden die Führungs- und Kommunikationsfähigkeit unserer Truppe verbessern“. In der Panzerlehrbrigade 9 wird am Ende jede Kompanie über zwei Motorräder verfügen.

Alternativen

Das BAAINBw sagt selbst, die BMW F 850 GS (Krad gl) ist zu groß (Sitzbank 860 mm), schwer (Leergewicht: 229 kg) und übermotorisiert (70 kW/95 PS). Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 200 km/h. Daher stellt sich die Frage, welche Alternativen hätte es gegeben. Neben den gerade erwähnten Kriterien dürfte auch die Situation der Führerscheine in der Truppe eine Herausforderung sein, nicht viele dürften über die entsprechende Klasse A verfügen. Selbst der Führerschein allein ist noch keine Befähigung, um gut und sicher im schweren Gelände unterwegs zu sein. Die ersten der neuen Kradmelder haben ihre Schulung vor kurzem durchlaufen, dies ist aber nicht mehr als eine Einweisung.

Sicherlich gibt es kleinere und einfacher zu händelnde Zweiräder auf dem Markt. Exemplarisch seien nur die ZERO-Elektrobikes genannt, die sich in der Gewichtsklasse < 150 kg bewegen und deutlich weniger Hubraum und Leistung (60 PS) besitzen. Auch sind sie niedriger, können von kleineren (weiblichen) Fahrern genutzt werden. Der Elektromotor ist gekapselt, damit wasserdicht und zudem deutlich wartungsärmer als normale Motorräder. Aber die Ladeinfrastruktur im Gelände oder auch im Feldlager ist derzeit noch nicht verfügbar.

Krad und Quad beim KSK
Für die Auftragserfüllung nutzt das Kommando Spezialkräft sowohl Krads als auch Quads. (Foto: Bundeswehr)

Auch andere zivile Zweiräder der „Krad-Klasse“ wären in Frage gekommen. So eine kleinere Enduro ist die Yamaha WR450. Eigengewicht <130 kg, max. Gesamtgewicht ca. 300 kg. Außerdem ist dieses Bike schon in der Bundeswehr in Nutzung, genauer gesagt beim Kommando Spezialkräfte. Aber die Forderung nach Straßenzulassung war hier erst nach einer Nachrüstung erfüllbar.

Einen ganz anderen Weg hätte man mit einem kleineren Quad gehen können. Hier reicht der Pkw-Führerschein (Klasse B). Für viele nicht geübte Zweiradfahrer sind diese Vierräder einfacher zu fahren, bieten daher eine höhere Sicherheit. Auch kann mehr Material und sogar liegend Verwundete transportiert werden. Bei einem Defekt lassen sich diese Fahrzeuge einfacher abschleppen. So favorisiert z.B. das Wachbataillon ein Quad als zukünftige Ausstattung.

André Forkert