StartBewaffnungHX3-Radhaubitze: Ungarn steht vor möglicher Beschaffungsentscheidung

HX3-Radhaubitze: Ungarn steht vor möglicher Beschaffungsentscheidung

Kristóf Nagy und Gerhard Heiming

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Die ungarischen Streitkräfte scheinen kurz vor dem Schritt zu stehen, eine Beschaffungsentscheidung über ein neues Waffensystem auf Basis der HX3-155-mm-Haubitze von Rheinmetall zu treffen. Diesen Eindruck befeuerte der ungarische Regierungskommissar für Verteidigungsentwicklung Gáspár Maróth auf seiner eigenen Facebookseite in einem gestern veröffentlichen Video, in dem er in der Fahrerkanzel des besagten Fahrzeuges Platz nahm und die Vorzüge des Systems erläuterte.

Die Absicht der ungarischen Streitkräfte, die momentan recht spärliche Fähigkeit der eigenen Artillerie über die bereits bestellten 24 Panzerhaubitzen 2000 hinaus zu erweitern, ist seit längerem bekannt. Spätestens seit dem Rheinmetall im letzten Frühjahrmit dem HX3 eine neue Generation der bewährten Fahrzeugfamilie vorgestellt und eine Integration einer 155-mm-Haubitze in Aussicht gestellt hat, sind in Fachkreisen immer wieder Gerüchte bezüglich eines deutlichen Interesses seitens Ungarns an dem System zu hören gewesen. Diese erhielten neuen Auftrieb, als bei der am 26. März erfolgenden Eröffnung der im westungarischen Zalaegerszeg befindlichen Fabrik für die Produktion des Schützenpanzers Lynx ein HX3 in der genannten Konfiguration Teil der statischen Technikschau war. In dem erwähnten Video spricht Gáspár Maróth am Steuer eines HX3 sitzend davon, dass aktuell eine Weiterentwicklung des Systems erfolgt. Diese hat laut dem Regierungskommissar zum Ziel, mit einer Kaliberlänge von 60 und der Nutzung intelligenter Munition neben einer deutlichen Präzisionssteigerung eine Reichweite von 82 bis 85 km zu erzielen. Maróth betont dabei ausdrücklich, dass diese Reichweite deutlich die Fähigkeiten aktueller russischer Artilleriesysteme vergleichbarer Bauart überflügeln würde. Zudem erwähnt er sowohl die optionale 8×8 als auch die 10×10 Rad Konfiguration des Trägerfahrzeuges.

Ungarische Medien haben das Video bereits kurz nach der Veröffentlichung aufgegriffen und diskutiert. Pressestimmen zufolge ist die Äußerung des Regierungskommissars zu einem noch nicht besiegelten Beschaffungsvorhaben überaus ungewöhnlich und spricht für einen sehr weit fortgeschrittenen Prozess. Sollte die Entscheidung für das Artilleriesystem auf der HX3 Plattform fallen, so wäre dies nicht überraschend. Schließlich ist Rheinmetall aktuell ein wichtiger Partner der ungarischen Regierung in der Fähigkeitsertüchtigung des ungarischen Heeres.

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Rheinmetall hat den HX3 im Frühling letzten Jahres erstmals vorgestellt. Der HX3 steht in der Tradition der Mitte der 1970er Jahre eingeführten Kat I-Lkw, die über die Entwicklungsstufen Kat I A1, Kat II, SX, LX, HX und HX2 zum jüngst vorgestellten Konstruktionsstand geführt hat. Die Fahrzeugfamilie HX3 deckt mit allradgetriebenen Fahrzeugen mit zwei, drei, vier und fünf Achsen ein breites Transportspektrum ab, das von Cargo, Logistik- und Personentransport vor allem mit Containern und Wechselladungsträgern bis zum Trägerfahrzeug für empfindliche Präzisionssysteme wie Radar oder Haubitzen reicht.

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Der HX3 ist – wie seine Vorgänger – von Grund auf für die militärische Nutzung unter den härtesten Einsatzbedingungen ausgelegt. Als „Military off-the-shelf“ kommen bei der Fahrzeugfamilie soweit möglich robuste Standardbaugruppen aus der Großserie zur Anwendung, die zum Teil für die speziellen Anforderungen zusätzlich gehärtet werden. Basis sind das Schwerlast-Fahrgestell und leistungsstarke Motoren. Von der Vorderachse mit elf Tonnen Achslast bis zur gelenkten Hinterachse und aktiver Hinterachsfederung stehen Komponenten bereit, mit denen Straßen- und Geländegängigkeit deutlich verbessert werden. Zur Aufnahme der schweren Last und der Kräfte beim Schuss hat Rheinmetall das Artillery Truck Interface (ATI) entwickelt, mit der HX3 10×10 in Zukunft als Standardbasis für verschiedene Artillerie-Lösungen oder ähnliche Waffensysteme verwendet werden kann. Bei der Vorstellung der Haubitzenvariante war eine Herstellung der Serienreife für 2024 angekündigt worden.

Die Kabine, der Hauptarbeitsplatz des Kraftfahrers, ist die Steuerzentrale des Fahrzeugs. Das moderne Armaturenbrett aus dem MAN-Sortiment stellt alle notwendigen Informationen über den Fahrzustand bereit und erlaubt über eine neu konzipierte elektronische und elektrische Architektur den Zugriff auf Assistenzsysteme wie Bremsassistent, adaptive Abstands- und Geschwindigkeitsregelung und Spurhalteassistent.

Ein digitaler Tarnmodus ergänzt die herkömmlichen Tarneinstellungen. Damit können alle Übertragungs- und Empfangsfunktionen abgeschaltet werden („Sendeverbot“), um die digitale Signatur zu reduzieren.

Dank standardisierter Schnittstellen lassen sich zukünftig verfügbare Technologien wie etwa Truck Platooning oder andere automatisierte Anwendungen integrieren. Die Kabine ist mit Montageschienen vorbereitet für die Aufnahme von Informations- und Kommunikationssystemen und bietet Stauraum für die Ausrüstung der Besatzung. Auf dem verstärkten Dach können Schutzsysteme wie das abstandsaktive Schutzsystem Active Defence System (ADS), das Schnellnebelschutzsystem Rapid Obscuring System (ROSY) oder eine fernbedienbare schwere Waffenstation eingebaut werden. Optional sind die HX3-Fahrzeuge mit einer gepanzerten Kabine verfügbar, deren Schutz sich modular erweitern lässt. Über das Kabinentauschkonzept sind die Kabinen nach Bedarf austauschbar.

Kristóf Nagy und Gerhard Heiming