Seit der Krieg in der Ukraine begonnen hat, gibt es etliche Versuche, Lehren aus diesem Konflikt zu ziehen. Hunderte Videos auf Social-Media-Plattformen geben einen Einblick in das Kriegsgeschehen und machen den Krieg greifbar, was sonst nur schwer möglich ist, wenn man nicht selbst an den Kämpfen teilnimmt.
Dies hat viele Leute zu Analysen angeregt, die sie aus diesem Konflikt ableiten und auf den Krieg als Solches anwenden wollen. Allerdings ist in zweierlei Hinsicht Vorsicht geboten. Erstens gibt es nach vorsichtigen Schätzungen mehr als 200.000 Kriegsteilnehmer, und obwohl eine Menge Videos zur Verfügung steht, zeigt dieses Filmmaterial nicht die gesamte Bandbreite der Ereignisse an der langen Frontlinie. Diese Videos geben nur eine begrenzte Menge an Informationen, denen obendrein der Kontext fehlt und die daher nur einen kleinen Ausschnitt des Kriegsgeschehens zeigen. So können beispielsweise Videos, die zeigen, wie Panzer von Panzerabwehrlenkflugkörper (ATGM) getroffen werden, nicht als Beweis dafür dienen, dass der Panzer auch tatsächlich endgültig zerstört ist.
Der zweite Grund liegt in der Besonderheit dieses Krieges. Sowohl Russland als auch die Ukraine haben seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 ihre Streitkräfte modernisiert, aber keiner der beiden Staaten hatte die artilleriezentrierten Doktrinen aus Sowjetzeiten hinter sich gelassen. Russland hat einige spätsowjetische Doktrin verwirklicht, wie das Prinzip, die kritische Infrastruktur des Gegners ins Visier nehmen zu können und gleichzeitig seine Flotte gepanzerter Kampffahrzeuge (AFV) zu modernisieren, aber im Großen und Ganzen blieb die russische Armee eine Artilleriearmee mit vielen Panzern. Analysten des Royal United Services Institute (RUSI), einer Londoner Denkfabrik, die die Ukraine vor und während des Krieges besucht hatten, stellen fest, dass es einige ukrainische Einheiten mit Kommandostrukturen gab, die Gemeinsamkeiten mit denen NATO haben, dass aber die meisten Einheiten nach wie vor ihren sowjetischen Vorgängern sehr ähneln.
Hinzu kommt, dass beide Seiten bei Kriegsbeginn über die gleiche Anzahl an Artilleriesystemen verfügten. Nur die Verfügbarkeit von Munition machte den Unterschied. Deshalb ähneln sich die Streitkräfte Russlands und der Ukraine, aber haben mit den meisten Militärs der Welt nur wenig gemeinsam. Daher bieten viele Aspekte des Ukrainekriegs nur wenig Anschauungsmaterial für diejenigen, die Doktrinen und Lehren entwickeln wollen, da sie auf ungewöhnlichen Situationen beruhen und in anderen Kriegen kaum reproduzierbar wären.
Nehmen wir zum Beispiel die enormen Mengen an Artilleriemunition, die Russland verschießt – zeitweise waren es 20.000 Schuss pro Tag. Das zeigt die Notwendigkeit einer großen Lagerhaltung an Artilleriemunition und großer mechanisierter Verbände, die in der Lage sind, eine solche Feuerkraft zu gewährleisten und den damit verbundenen Verschleiß durchzuhalten. Es gibt auf der Welt nur wenige Streitkräfte, die diese Art von Wirkung auf dem Schlachtfeld erzielen können, und noch weniger, die dazu bereit sind. Es ist eine sehr kostspielige Taktik, die enorme Reserven an Munition und Personal erfordert. Für die russischen Streitkräfte funktioniert diese Taktik, weil sie für diese Art der Kriegsführung ausgebildet wurden. Gleichzeitig kompensiert diese Taktik auch den Mangel an taktischem Geschick. Wenn man also die Möglichkeit eines Krieges mit Russland in Betracht zieht, dann ist dies ein wichtiger Aspekt, den man berücksichtigen muss, aber ob sich das auf andere Konflikte anwenden lässt, ist fraglich.
Kann man dennoch aus dem Ukraine-Krieg Lehren für den Einsatz von Schützenpanzern ziehen, die auch für ein breiteres Publikum von Nutzen sind als auch für diejenigen, die sich auf eine Konfrontation mit dem russischen Militär vorbereiten müssen? Einige Aspekte gibt es sicher, aber es ist schwer zu beurteilen, ob diese Lehren wirklich neu sind nur oder Variationen vergangener Konflikte.
Es ist sinnvoll, die Erkenntnisse aus dem Ukrainekrieg in ein breiteres Verständnis der Kriegsführung des 20. und 21. Jahrhunderts einzubetten. Dieser Artikel versucht, eine kontextbezogene Analyse zu liefern, um zu beurteilen, ob die Lehren aus dem Ukrainekrieg grundlegend neu sind. Zuallererst ist es angebracht, ein uraltes Thema durch die Brille des Ukrainekrieges zu betrachten und zu fragen: Hat der Panzer seine beste Zeit hinter sich?
Panzer
Der Panzer ist noch lange nicht am Ende.
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