Panzerabwehr, ein Thema, welches so alt ist wie der Panzer selbst. Der Gedanke, gepanzerte Fahrzeuge zu Kriegszwecken einzusetzen, war bereits in der antiken Kriegsführung vorhanden. So wurden Streitwagen sowohl für den Fernkampf durch Bogenschützen als auch für den Nahkampf zum Überrennen feindlicher Linien genutzt. Auch der gedeckte, fahrbare Rammbock wurde eingesetzt, um geschützt vor Pfeilen der Verteidiger an die Festungsmauer zu gelangen. Der limitierende Faktor zu dieser Zeit war jedoch der Antrieb, denn Muskelkraft von Mensch oder Tier war dafür nicht geeignet.
Der erste ernst zu nehmende Entwurf eines panzerähnlichen Fahrzeugs wurde von Paul Daimler entwickelt und im März 1906 auf der Internationalen Automobilausstellung in Wien vorgestellt. Es war ein Radpanzer Austro-Daimler mit Rundumpanzerung. Er besaß eine von Hand drehbare Kuppel mit zwei Maschinengewehren. Aber weder diesem Entwurf noch nachfolgenden wurde Aufmerksamkeit geschenkt. Doch die Frage nach der Abwehr solcher Panzer wurde bereits zu diesem Zeitpunkt formuliert.
Auch heutzutage, beispielsweise in der Ukraine, zeigt sich, dass die Fähigkeit der Panzerabwehr elementar ist. Die Bundeswehr hält hierfür zwei Systeme vor – die Panzerfaust 3 und das Mehrrollenfähige Leichte Lenkflugkörpersystem.
Panzerfaust 3
Die Panzerfaust 3 ist eine Handwaffe zur Panzerabwehr, sie kann mit verschiedenen Munitionssorten aufmunitioniert werden und entfaltet hierdurch unterschiedliche Wirkungen im Ziel. So wird sie mit Hohlladungsmunition vor allem gegen gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt, mit einer anderen Munition wird sie zur Bunkerfaust, welche Ziele hinter Deckungen und in Bunkern bekämpft. Sie kann in beiden Varianten auch aus geschlossenen Räumen abgefeuert werden.
Die Panzerfaust 3 wurde 1992 in die Bundeswehr eingeführt. Auch heutzutage wird sie noch von den deutschen wie auch niederländischen und den Streitkräften der Schweiz genutzt. Die maximale Kampfentfernung beträgt 400 Meter und sie kann 700 Millimeter Panzerstahl oder als Bunkerfaust 240 Millimeter Stahlbeton durchschlagen. Sie hat ein Gewicht von ca. 13 Kilogramm und ein Kaliber von 60 Millimeter.
MELLS
Das modernste System zur Panzerabwehr in der Bundeswehr ist das Mehrrollenfähige Leichte Lenkflugkörpersystem, kurz MELLS.
Der Lenkflugkörper des MELLS hat mit 13,7 Kilogramm ein ähnliches Gewicht wie die Panzerfaust 3, jedoch kommt hier die Waffenanlage noch hinzu. Aus dieser wird der Lenkflugkörper abgeschossen; somit entsteht ein Waffensystemgewicht von 32,8 Kilogramm mit der Smart Unit of Display for Operational Commanding Use (SUDOCU), also dem Feuerleitrechner.
Während bei der Panzerfaust 3 das Ziel rein optisch durch den Schützen aufgeklärt wird, bekommt er bei MELLS Hilfe durch den Zweifach-Zielsuchkopf (Tag und Nacht) des Lenkflugkörpers. Der Lenkflugkörper hat die Fähigkeit, nachdem er auf das Ziel aufgeschaltet und abgefeuert wurde, selbstständig ins Ziel zu fliegen. Dieser Fire-and-Forget-Modus ermöglicht es, dass die Schützen einen sofortigen Stellungswechsel nach dem Schuss durchführen können und nach dem Bekämpfen eines Ziels einen neuen Lenkflugkörper laden und den Feuerkampf erneut oder auf ein anderes Ziel zu führen können.
MELLS kann nicht nur abgesessen eingesetzt werden, sondern ebenfalls von Fahrzeugen oder Hubschraubern wie beispielsweise dem Waffenträger Wiesel oder dem Schützenpanzer Puma.
Panzerabwehrrichtminen
Die Bundeswehr setzt ebenfalls Panzerabwehrrichtmine (PARM) des Typs DM22 zur Panzerabwehr ein. Diese Mine ist, vereinfacht gesagt, eine autonome, sensorgesteuerte Panzerfaust auf einem Dreibein. Diese wird an Wegrändern, Engen, Kurven oder Straßengräben zur Sicherung aufgestellt. Die Mine selbst verfügt über einen Lichtwellenleiter, der beim Überrollen durch ein schweres Fahrzeug geknickt beziehungsweise gebrochen wird – hierdurch löst die Mine aus. Als alternative Auslösevorrichtung steht auch ein Infrarotsensor zur Verfügung. Die Richtmine ist mit einer Hohlladung ausgestattet, welche die Fahrzeuge im Bereich der seitlichen Wanne oder der Kettenräder, welche als empfindlich anzusehen sind, trifft.
Die PARM wurden aufgrund fehlenden Bedarfs in den vergangenen Jahren nicht mehr produziert. Im Zuge des Krieges in der Ukraine wurde jedoch wieder ein Bedarf erkannt und aufgezeigt, weswegen nun auch wieder neue Panzerabwehrrichtminen gefertigt werden und 2026 der Truppe zulaufen.
Panzerabwehrminen
Ein weiteres zur Panzerabwehr eingesetztes System ist die Panzerabwehrmine DM31. Diese werden mit dem Minenverlegesystem 85 in den Boden eingebracht. Dabei zieht ein Lkw mit Ladefläche das Verlegesystem. So können die Minen in einer Tiefe von 20 Zentimetern mit bis zu 20 km/h verlegt werden. Dazu bedarf es lediglich zweier Soldaten zur Bedienung des Lkw und des Verlegesystems. Auch bei der Panzerabwehrmine lautet das Wirkprinzip Hohlladung. Die Panzerabwehrmine DM31 hat einen elektronischen Minenzünder, der Veränderungen des Erdmagnetfeldes auswertet und die Mine entsprechend der Programmierung zündet. Die Panzerabwehrmine hat einen elektronischen Minenzünder, der Veränderungen des Erdmagnetfeldes auswertet und die Mine entsprechend der Programmierung zündet.
Wirkmittel 90
Das nachtkampffähige Wirkmittel 90 dient der Bekämpfung weicher und sogenannter halbharter Ziele wie etwa leicht gepanzerter Fahrzeuge oder Feldbefestigungen. Der Schütze kann die Waffe so programmieren, dass die Patrone bei Aufschlag über dem Ziel oder erst nach Durchschlag mit Verzögerung explodiert. Eingesetzt werden kann das Wirkmittel 90 zudem zur Beleuchtung des Gefechtsfeldes im visuellen und Infrarotbereich sowie zum Blenden des Gegners. Für das Wirkmittel stehen verschiedene Munitionssorten zur Verfügung. Beispielsweise zur Bekämpfung von Zielen hinter Deckungen mit einer Reichweite von bis zu 1.200 Metern (Nebel-, Leucht- oder Übungspatronen).
Grundsätzlich muss das Wirkmittel 90 in die Kategorie der Panzerabwehrwaffen eingeordnet werden. Aufgrund der Tatsache, dass der Bundeswehr jedoch nicht die dazu benötigte Munition zur Verfügung steht, kann sie derzeit nicht zur Panzerabwehr eingesetzt werden.
Sachstand
Aktuell verfügt die Bundeswehr mit den verschiedenen Systemen von der Panzerabwehrmine bis hin zum MELLS oder dem Wirkmittel 90 über einen effektiven und zeitgemäßen Waffenmix zur Panzerabwehr. Hierdurch kann sowohl stationär als auch hochmobil gegen Bedrohungen von Kampf- und Schützenpanzern vorgegangen werden. Mit dem MELLS oder Wirkmittel 90 können Gefechtsfahrzeuge jeglicher Art bekämpft werden. Die Bedienung dieser Systeme erfordert jedoch eine spezielle Ausbildung, welche nicht jedem Soldaten zuteilwird.
Um jedoch querschnittlich Soldaten zur Panzerabwehr zu befähigen, hält die Bundeswehr die Panzerfaust 3 vor. Mit der entsprechenden Ausbildung kann so gewährleistet werden, dass jedermann zur Bekämpfung gegnerischer Panzer eingesetzt werden kann, beispielsweise im Panzervernichtungstrupp.
Mit der Entwicklung von Panzerabwehrsystemen geht jedoch auch immer die Weiterentwicklung neuer Schutz- und Panzerungssysteme einher, sodass ein stetiger Wettlauf zwischen Panzerung und Panzerabwehrsystem entbrannt ist.
Forderungen
Moderne Panzerabwehrsysteme müssen effektiv gepanzerte Fahrzeuge vernichten können. Dies erfordert neben Aspekten wie Mobilität, Vernetzung und elektronischen Gegenmaßnahmen selbstverständlich auch, dass die Waffen hochpräzise und mit fortschrittlichen Sensoren für die Zielerfassung ausgestattet sind. Dabei müssen sich diese möglichst schnell an sich ändernde taktische Bedingungen anpassen können und bestmöglich zu Fuß transportabel sein. Dies erhöht den Einsatzwert.
Für die Zukunft sollte sowohl an der Reichweite als auch an der Präzision, Optronik und Sensorik eine kontinuierliche Verbesserung stattfinden, denn die Abstandsfähigkeit wird immer wichtiger in Kriegen und bewaffneten Konflikten. Auch die Energieversorgung beispilesweise der MELLS sollte überdacht werden, um länger durchhaltefähig zu bleiben. Non-Line-of-Sight-Verfahren, also das Wirken auf Ziele, zu denen keine direkte Sichtverbindung besteht, wird weiter an Relevanz gewinnen. Dies sollte bei der Entwicklung neuer und zur Verbesserung bestehender Systeme bedacht werden.
Hauptmann Thomas Heinl, Presseoffizier Infanterieschule