StartBewaffnungIsrael: Mehr leichte MGs und DMR-Gewehre gefragt

Israel: Mehr leichte MGs und DMR-Gewehre gefragt

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Bisher sind wenige Erkenntnisse oder „Lessons Learned“ seitens der israelischen Streitkräfte (Israel Defence Force, IDF) über ihren Kampf an der Grenze und im Gaza-Streifen nach außen gedrungen. Aus einem Gespräch mit Insidern und der israelischen Waffenindustrie lassen sich jetzt erste Informationen und Annahmen ableiten.

Gerade nach dem Erreichen der israelischen Truppen von Gaza-Stadt werden die Gefechte auf kürzeste Distanzen, von Angesicht zu Angesicht, geführt. Aber eben nicht nur, auch die Präzisionsschützen auf größere Entfernungen kommen zum Einsatz. So sind die Entfernungen von 1 bis 5 m genauso möglich wie mehrere hundert Meter (300 bis 600 m). Das Sturmgewehr und sein Träger, der Infanterist, haben dabei eine entscheidende Rolle. Was aber bei allen Situationen gleich sein soll, die Reaktionszeiten zur Bekämpfung des Gegners sind ultra kurz. Er taucht plötzlich hinter einer Deckung, in einem Fensterausschnitt, etc. auf und genauso schnell wieder ab. Oft müssen entdecken und bekämpfen in unter drei Sekunden erfolgen, so israelische Soldaten. Und das unabhängig von der Kampfentfernung. Laut den vorliegenden Berichten handelt es sich um einen klassischen Einsatz im urbanen Gelände. Hinzu kommen die Problematiken der Tunnel sowie Zivilisten auf dem Gefechtsfeld. Und es soll praktisch keine Vorwarnzeit gegeben haben, da es nicht zu klassischen Annäherungen kam. Das lag auch an der Nutzung von Tunneln. Der Feind tauchte plötzlich und überall auf und unter.

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Einsatz in Gaza. Der Feind taucht plötzlich auf und unter. (Foto: IDF)

Laut einem Vertreter von Israel Weapon Industries (IWI) kommen dabei vor allem Waffen wie das Micro-TAVOR (MTAR) X95 Sturmgewehr, ARAD Sturmgewehr, Maschinengewehr NEGEV (5,56×45 mm und 7,62x51mm) sowie 40 mm Granatenwerfer zum Einsatz. Erst im Juli 2023 hatte die IDF beschlossen alle ihre Infanteriebrigaden mit dem Micro-TAVOR X95 (im Kaliber 5,56×45 mm mit einer Lauflänge von 380 mm und 419 mm) auszustatten. Durch die Bullpup-Konfiguration entsteht eine ergonomische und kurze Waffe mit einem langen Lauf, die im Vergleich zu anderen Plattformen eine bessere Ballistik aufweist, so das Unternehmen. Das (X95) Micro-TAVOR ist ein Multi-Kaliber-Waffensystem, das in wenigen Minuten auf die vier Kaliber 5,56×45 mm, 9×19 mm 5,45×39 mm und 300 BLK umgerüstet werden kann. Dieser Innovation ermöglicht es, ein und dieselbe Waffenplattform für die unterschiedlichsten Szenarien und Missionen entsprechend der Fähigkeitsforderungen anzupassen. Dabei bleibt die Bedienung für den Nutzer identisch. Damit ermöglicht es die Kompatibilität für extreme Anforderungen in urbanen und offenen Kampfgebieten. Außerdem spart man mit den verschiedenen Munitionskalibern Ausbildungszeit und Ersatzteile. Das kurze Bukpup-Design zeigt seine Vorteile gerade in engen Räumen wie den Tunneln. Das ARAD ist ein Sturmgewehr im M4-Style. Es kann zwischen den Kalibern 5,56×45 mm und 300 BLK wechseln. Als ARAD 7 Halbautomat im Kaliber 7,62×51 mm kommt es außerdem als Designated Marksmen Rifle (DMR) zum Einsatz.

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Und der Bedarf an Ausrüstung ist riesig. Das liegt unter anderem an der Einberufung und Ausstattung einer großen Anzahl an Reservisten und zusätzlichen Polizei-Einsatzkräften. Die Ausrüster mussten gerade kurz nach dem 7. Oktober 2023 ihre Lager komplett leeren. Selbst Bestellungen für andere Kunden wurden in Absprache umgebucht. Seitdem wird mit maximalen Output produziert. Mit sofortiger Auslieferung, es geht immer noch nichts ins Lager.

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Einsatz in Tunneln. (Foto: IDF)

Anforderungen seitens der Schützen sind laut Aussagen von Beteiligten eine sehr hohe Treffgenauigkeit sowie hohe Zuverlässigkeit, auch im Einsatz in Wüstenregionen und unter allen klimatischen Bedingungen. Und immer unter Zeitdruck bei der Bekämpfung. Hier spielen die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht eine Rolle, vor allem in den Wüstengebieten. Aufgrund der allgemeinen Mobilmachung, und des andauernden intensiven Kampfes können die Waffen nicht regelmäßig zum Reinigen oder zur Instandsetzung an Wartungstrupps oder die Industrie abgegeben werden. Sie müssen einfach funktionieren und ein Saubermachen im Feld muss reichen. Sie werden bis zum Versagen genutzt, nicht ohne Gefahr für den Nutzer.

Interessant sind auch die Aussagen zur Kampfbeladungen/Versorgungsraten an Munition für die Infanterie. So hatte gerade nach dem Massaker am 7. Oktober und dem Beginn der Kampfhandlungen in Gaza ein Infanterist laut Beteiligten einen sehr hohen täglichen Verbrauch. So berichteten gerade zurückgekehrte Soldaten von zehn gefüllten Magazinen für Sturmgewehre plus fünf Pakete im Rucksack an extra Munition im Kaliber 5,56×45 mm oder 7,62×51 mm zu Tagesbeginn. Am Ende des Tages sollen im Durchschnitt alle Vorräte bis auf ein bis zwei Magazine aufgebraucht gewesen sein. Allerdings war die Kampfintensivität tagesweise wohl extrem unterschiedlich.

Die IDF Spezialeinheit 669 rettet verwundete Soldaten aus Gaza. (Video: IDF)

IWI wurde mit einer Vielzahl an weiteren Lieferungen von Gewehren beauftragt. Die Herausforderung dabei, dem erhöhten Bedarf rasch nachzukommen, ohne dabei die zugesagten Lieferungen anderer Kunden zu verzögern. Laut einem IWI-Sprecher sind neben den Sturmgewehren im Rahmen der allgemeinen Mobilmachung vor allem DMR-Waffen und (leichte) Maschinengewehre in großen Stückzahlen nachbestellt worden. Beliefert wurden aber nicht nur die Streitkräfte, sondern auch die Polizei mit DMR-Waffen. Mit den DMR-Waffen sollen präzise Ziele auf eine Kampfentfernung von 600m auch in unübersichtlichem Gelände bekämpft werden. Außerdem dienen sie zur raschen Schwerpunktverlegung und Feuerzusammenfassung – inklusive des schnellen schnell identifizieren und bekämpfen von Zielen – innerhalb der Schützengruppe. DMR-Waffen schließen die Reichweitenlücke zwischen den Sturmgewehren und den Scharfschützen.

Aber nicht nur Waffen, sondern auch Optiken wurden in großer Stückzahl an die IDF geliefert. Auf Aufnahmen aus dem Gazagebiet ist zu sehen, dass jede Waffe über eine moderne Optik verfügt. Kimme und Korn scheinen ausgedient zu haben und sind nur noch als Notvisier vorhanden. Genannt wurden für den Bereich der Sturmgewehre vor allem das Meprolight M5 Rotpunktvisier 2MOA sowie das Meprolight MOR PRO 2.2 B/E. Letzteres ist ein robustes Mehrzweck-Reflexvisier mit einem Leuchtpunktvisier und zwei Laserpointern (sichtbarer Ziellaser und IR). Die MOR-Optikfamilie verfügt über vier unabhängige Stromquellen – Glasfaser, Tritium und zwei unabhängige, allgemein erhältliche AA-Batterien – die sich gegenseitig unterstützen, falls ein System ausfällt. Das M5 ist mit Nachtsichtbrillen der 2. und 3. Generation sowie mit Vergrößerungsboostern kompatibel, um den Nachtbetrieb und die Zielerfassung über große Entfernungen zu erleichtern. Ebenfalls zum Einsatz soll das noch relativ neue Meprolight TIGON Visier kommen. Das System vereint die Vorteile der ungekühlten Wärmebildtechnologie mit denen der einer Tagesoptik (“Red-Dot”-Visier) in einem einzigen Produkt, und ermöglicht so volle operative Flexibilität bei Tag und Nacht. Die integrierte Technologie ermöglicht operative Flexibilität für einen erfolgreichen Einsatz in offenem Gelände, in Close-Quarters Battle (CQB)-Szenarien, in dicht bewachsenen oder urbanen Gebieten.

Bei Tag ermöglichen das große, transparente Sichtfenster und das gut sichtbare Absehen des Mepro TIGON eine schnelle Zielerfassung mit beiden Augen. Bei Nacht unterstützt das auf dasselbe Display projizierte Wärmebild das Aufspüren und Anpeilen von Zielen in völliger Dunkelheit und unter schwierigen Umgebungsbedingungen, einschließlich Rauch und Staub, so der Hersteller. Beide Bilder können zudem fusioniert werden. Laut den Insidern spielt das Thema Nachtsichttechnik eine hervorgehobene Rolle. Erstens weil die IDF gerne die Nacht und damit ihren technologischen Vorteil nutzt, und auch aufgrund des Vorgehens in Gebäuden und Tunneln. Die Informanten wollten oder konnten im Gespräch keine Stellung beziehen, ob jeder IDF-Schütze schon über die entsprechenden Systeme verfügt.

Wie oben schon angesprochen verfügt keine Waffe nicht über eine Optik. Auch die Maschinengewehre sind auf Bildern aus dem Konflikt mit 4fach-Optiken zu sehen. Alle sollen zudem mit Nachtsichtoptiken oder Nachtsichtvorsätzen kompatibel sein. Auch wurde eine große Anzahl an Laserdesignatoren nachgeordert.

Damit gleichen sich die Lessons Leraned in Gaza mit denen aus der Ukraine, auch hier ist die Nachfrage nach DMR-Waffen, Scharfschützenwaffen und Maschinengewehren im Verhältnis erheblich gestiegen. Genauso wie beim Thema Nachtkampffähigkeit. Die Pistole soll aktuell keine Rolle spielen, sie ist lediglich eine Zweitbewaffnung, sollte die Primärwaffe einmal ausfallen.

Und Israel hat umgehend auch neue Systeme unter Realbedingungen getestet. Obwohl IWI sein neues und computergestütztes System ARBEL gerade erst vorgestellt hat, wurde es praktisch von Tag Eins der Kampfhandlungen eingesetzt. ARBEL soll als Unterstützungs- oder Assistenzsystem hier dem Soldaten helfen, Fehler vorzubeugen und damit die Schussleistung insgesamt verbessern. Das System erhöht neben der Treffwahrscheinlichkeit vor allen auch die Bekämpfungszeit, bzw. reduziert diese. Dank ARBEL können in kürzerer Zeit mehr Treffer gesetzt werden. Das IWI ARBEL wird für Maschinengewehre (7,62×61 mm & 5,56×45 mm) und Sturmgewehre der AR-15 Reihe angeboten. Einen ausführlichen Bericht zu dem neuen System gibt es hier.

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ARBEL-Einsatz an der Grenze. (Foto: IWI)