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Zeitenwende im Business: Arbeitgeber reservefähig machen

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Nicht erst seit den Plänen von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius für einen „neuen Wehrdienst“ ist der Wiederaufbau einer umfassenden Bundeswehr-Reserve in aller Munde. An willigen Reservisten besteht in der Regel auch kein Mangel. Neben der Verfügbarkeit von Dienstposten und den Mühlen der Bundeswehr-Bürokratie müssen sich diese aber häufig auch mit ihrem Arbeitgeber auseinandersetzen. Nicht jeder ist begeistert davon, seine Angestellten in Wehrübungen ziehen zu lassen, wenn dies Auswirkungen auf den Arbeitsalltag hat. Wie also Arbeitgeber reservefähig machen? Ein Problem, das auch andere Organisationen wie die freiwilligen Feuerwehren kennen.

Grund genug für drei beorderte Reservisten, im Zivilleben selbst Geschäftsführer und Führungskräfte, sich unter der Überschrift „Zeitenwende im Business“ einmal systematisch mit der Möglichkeit für Veränderungen auseinanderzusetzen. Daniel Kirch, Thomas Knauff und Johannes Wagner, alle Ende 30, sind in der IT- und Technologiebranche tätig, auch als Startup-Investoren. „Wir kannten uns schon von früher, Thomas und ich sind 2020 gemeinsam Reservisten geworden“, sagt Daniel Kirch. „Johannes kenne ich vom Studium an der RWTH Aachen, und habe ihn dann später bei der Reserveoffizierausbildung in Dresden wieder getroffen.“

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Die Zusammenarbeit von Reservisten und zivilen Blaulichtorganisationen wie dem Technischen Hilfswerk sind ein Eckpunkt der Gesamtverteidigung. (Foto: Bundeswehr/Thomas Overbeck)

Wagner war 2006/2007 nach dem Abitur Wehrdienstleistender beim Heer. Hingegen eher ungewöhnlich: Kirch und Knauff sind ehemalige Zivildienstleistende und dienten zur selben Zeit zusammen in einem Krankenhaus. Nicht aus Aversion gegen das Militär, sondern aus bewusster Entscheidung, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun zu wollen. „Der Wehrdienst hatte damals in unserem Umfeld den Ruf: zwölf Wochen Sport, sechs Monate saufen“, erinnert sich Kirch. Doch dieselbe Motivation trieb sie angesichts krisenhafter Entwicklungen in der Welt während des nächsten Jahrzehnts, ihre zivile Expertise aus der Wirtschaft der Bundeswehr als Reservisten zur Verfügung zu stellen – noch vor COVID und Ukraine-Krieg.

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Als Geschäftsführer ihrer eigenen Unternehmen beziehungsweise höhere Führungskräfte fiel ihnen das vergleichsweise leicht. So konnte Kirch in den letzten drei Jahren jeweils mehrere Wochen die Module der Reserveoffizierausbildung absolvieren und anschließend im Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum (CIR) üben. Doch von Reservekameraden hörten sie auch andere Erfahrungen. „Das beginnt mit der Einstellung des privaten und beruflichen Umfelds zur Bundeswehr“, so Kirch. „Dann kommen die betrieblichen Auswirkungen der Abwesenheit vom Arbeitsplatz, die administrativen Fragen zur Krankenversicherung und andere Details, mit denen sich Personalabteilung und Lohnbuchhaltung zusätzlich befassen müssen.“

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Das war Ansporn für die drei, sich in die einschlägigen Regelungen einzulesen und über Wochen und Monate immer wieder stundenweise an einem umfassenden Konzept zu arbeiten. Denn, so stellen sie in der Einleitung fest: „Über zwei Jahre nach der Zeitenwenden-Rede des Bundeskanzlers ist mittlerweile in viele Sphären unserer bundesrepublikanischen Gesellschaft durchgedrungen, dass die Wahrung von Freiheit und Frieden keine Selbstverständlichkeit, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.“ Auch die Akteure der Wirtschaft müssten sich fragen, was sie zur Verteidigung des Landes beitragen könnten.

Und weiter: „Eine aktive, befähigte Reserve setzt voraus, dass unsere Reservisten von ihrem Arbeitgeber die Möglichkeit und Unterstützung erhalten, die sie für ihren Dienst und regelmäßige Übung benötigen. Viel zu oft scheitert ein zweckmäßiger Reservedienst an bürokratischen, organisatorischen oder ideologischen Hürden innerhalb des Betriebs – oder auf Seiten der Bundeswehr.“ Dabei hätte dieser auch für die Unternehmen Vorteile: von der Stärkung der Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung über die Weiterbildungsmöglichkeiten und Stärkung der Führungsfähigkeiten durch Reserveübungen bis hin zum grundsätzlichen Nutzen einer stabilen Sicherheitslage.

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In einem Krisenfall stehen die Reservisten der Verbindungskommandos in enger Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden. (Foto: Bundeswehr/Jannis Hess)

Für die Herausforderungen, die dies auf der anderen Seite auch bedeuten kann, geben die Autoren eine Reihe von Hinweisen und machen organisatorische Vorschläge zu Heranziehungsprozess und Vertretungsregeln, finanziellen, personellen und rechtlichen Fragen. Wünschenswert wäre aus ihrer Sicht zudem eine klare gesetzliche Regelung zur verpflichtenden Freistellung von Reservisten, analog beispielsweise zu §3 des THW-Gesetzes. Aber schon jetzt gibt es, neben den Erfahrungen der drei Autoren, weitere positive Beispiele in der Wirtschaft. So die auch von der Commerzbank unterstützte „Partnerschaft für den Heimatschutz“ von 250 hessischen Unternehmen, oder die Initiative „Arbeitgeber und Reserve“ des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft zusammen mit dem Bundesministerium der Verteidigung.

Daniel Kirch hofft auf einen allgemeinen Mentalitätswandel. „Auch bei anderen gesellschaftlichen Fragen wie dem Klimawandel zeigen Unternehmen ja branchenübergreifend soziales Engagement nach dem Motto: Was können wir tun?“ So müsse auch die gesamtstaatliche Friedenssicherung von Unternehmen mitgedacht werden. Schließlich gebe es auch niedrigschwellige Angebote wie Reserveübungen von Freitag bis Sonntag, die Arbeitgebern auch ohne längere Abwesenheiten zunächst die Vorteile zeigen könnten. Dazu möchten Kirch, Knauff und Wagner auf jeden Fall einen Anstoß geben. Eine Artikelfassung ihres Papiers erscheint in einer der nächsten Ausgaben des Magazins „Hardthöhenkurier“ für Verteidigungsthemen.

Stefan Axel Boes