StartBewaffnungBelarussischer UGCV „Whistle“ vorgestellt

Belarussischer UGCV „Whistle“ vorgestellt

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Auch wenn die realisierten Ansätze noch immer eine Technologie offenbaren, welche in den Kinderschuhen steckt, bleibt der Trend in Richtung unbemannter Gefechtsfahrzeuge (Unmaned Ground Combat Vehicle – UGCV) weiterhin ungebrochen. So stellte jüngst auch die staatliche belarussische Vertriebsgesellschaft Belspetsvneshtekhnika auf der in Minsk stattfindenden MILEX-2021 Messe ihr neues UGCV Konzept vor. Das Datenblatt des Herstellers offenbart einige überaus ambitioniert Parameter und wirft die eine oder andere Frage auf.

Seit 1995 bemüht sich Belspetsvneshtekhnika darum die militärischen Erzeugnisse der weißrussischen Industrie im Ausland zu vermarkten. Das dies zuweilen recht erfolgreich abläuft zeigen Exporterfolge wie die des Polonez Mehrfachraketenwerfers, welcher an Aserbaidschan geliefert wurde. Daher verwundert es nicht, dass auf der als wichtigen Heimatmesse angesehenen MILEX-2021 auch dem internationalen Trend folgend ein UGCV vorgestellt wurde, welcher allerdings trotz anders anmutender Suggestion seitens des Produzenten eher als Konzept, denn als fertiges Gefechtsfahrzeug anzusehen ist.

Der laut Herstellerangaben 2,5 m lange und 1,4 m breite UGCV hat mit einer Bauhöhe von 1,8 m einen vermutlich recht hohen Schwerpunkt. Das 2200 kg schwere Fahrzeug wird durch einen nicht näher definierten Hybridantrieb bei einer Reichweite von knapp 30 km auf befestigten Wegen auf eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 5 km/h beschleunigt. Überschlägt man Gewicht und Maße, so ist davon auszugehen, dass der Whistle wenn überhaupt dann nur sehr leicht bzw. partiell gepanzert sein kann, was im Verbund mit der hohen Silhouette und der als gering zu bewertenden Beweglichkeit der Überlebensfähigkeit auf dem Gefechtsfeld nicht gerade zuträglich ist.

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Deutliche Fragen wirft auch die Bewaffnung auf, die als obsolet angesehen werden kann. Das kleine Fahrzeug ist mit einem voluminösen Turm ausgestattet, welcher in 18 zusammengefassten 57-mm-Rohren die gleiche Anzahl an Raketen des Typs S-5 aufnehmen kann. Der Anfang der 1950er Jahre in der Sowjetunion eingeführte ungelenke Flugkörper im Kaliber 55 mm verwendet einen Ring am Gehäuse, welcher beim Verschuss die Führung im 2 mm größeren Rohr gewährleistet. Bekannt geworden ist die Rakete, welche weltweit exportiert wurde, durch die für Luftfahrzeuge vorgesehenen UB-16 bzw. 32 Startbehälter. Die S-5 gilt nicht nur in ihrer ursprünglichen Rolle als günstige Flächenwaffe als zunehmend veraltet, auch wenn sie bis heute in zahlreichen Bürgerkriegen als improvisierter Mehrfachwerfer verwendet wird. Die Reichweite ist vom Boden verschossen noch eingeschränkter als aus der Luft, von der Genauigkeit ganz zu schweigen. Die ursprüngliche S-5 Rakete wird in Russland schon seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellt, auch wenn seit 2019 die modernisierte und leistungsfähigere S-5U in Produktion gegangen ist.

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Der Turm ist zudem mit dem Sensorstation Chizh-D versehen, welcher aus einer Tagsicht- und einer Wärmebildkamera, sowie einem Laserentfernungsmesser besteht. Geführt wird der UGCV aus einer Bodenstation, welche mehrere Fahrzeuge zu kontrollieren vermag. Die Aussage des Herstellers, dass der Whistle selbst im urbanen Gelände eine effektive, per Telemetrie Übermittlung gewährleistete Reichweite von 2000 m hat, ist indes mit besonderer Vorsicht zu begegnen. Einsatzerfahrungen des deutlich weiterentwickelten russischen Uran-9 haben gezeigt, dass im bebauten Gelände die tatsächliche Reichweite einer Datenverbindung zumeist nur wenige hundert Meter beträgt.

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Der laut Herstellerangaben 2,5 m lange und 1,4 m breite UGCV hat mit einer Bauhöhe von 1,8 m einen vermutlich recht hohen Schwerpunkt. (Foto: Belspetsvneshtekhnika)

Dennoch ist es interessant, dass Belspetsvneshtekhnik offenkundig Potential im UGCV Bereich sieht. Die Option zur Steigerung der Fähigkeit innerhalb der aktuellen Bewaffnungskonfiguration sind indes stark begrenzt. Vorstellbar wäre höchsten die Integration von gelenkten Raketen wie der S-5Kor. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Whistel als Studie dient und der weißrussischen Industrie die Möglichkeit zur Erprobung von Konzepten und dem Generieren von Erfahrungen bieten soll.

Kristóf Nagy