StartMobilitätPandur Evolution 6x6 – taktische und strategische Mobilität der Extraklasse

Pandur Evolution 6×6 – taktische und strategische Mobilität der Extraklasse

Waldemar Geiger

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Der Pandur Evolution 6×6 gehört zu den leistungsfähigsten gepanzerten Fahrzeugen seiner Klasse. Rund 20 Jahre nach der Ersteinführung des Radpanzers Pandur 6×6 in das österreichische Bundesheer hat General Dynamics European Land Systems (GDELS) 2019 mit dem Pandur Evolution 6×6 bereits eine deutlich kampfwertgesteigerte Variante des Fahrzeuges entwickelt und mittlerweile die Hälfte der georderten Exemplare an die Infanterieverbände des Bundesheeres übergeben. Anfang September hat die österreichische Verteidigungsministerin Klaudia Tanner hat den 50. Pandur Evolution im Montagewerk von General Dynamics European Land Systems-Steyr GmbH in Wien Simmering für das Bundesheer übernommen. Die österreichischen Jäger nutzen den Pandur Evolution als Mannschaftstransportpanzer. Die Besatzung besteht aus Kraftfahrer, Richtschütze und Fahrzeugkommandant, darüber hinaus finden weitere acht voll ausgerüstete Infanteristen Platz in dem Fahrzeug.

Um die gestiegenen Anforderungen an das Fahrzeug – insbesondere in puncto Schutz – zu erfüllen, hat GDELS den Evolution komplett überarbeitet und dabei auf das bewährte Konzept der Monocoque-Wanne aus Panzerstahl mit gänzlich in die Wanne integrierten Antriebsstrang vertraut. Der Bauphilosophie – wie sie beispielsweise auch beim Boxer umgesetzt wurde – von taktischen Radfahrzeugen folgend, wurden der komplette Antriebsstrang samt Hydrauliksystemen, die Kraftstoffanlage und die Lenkung vor ballistischer Bedrohung geschützt in der Fahrzeugwanne belassen. Weiterer Vorteil dieser Bauweise ist die geringere mechanische Beanspruchung (Verschmutzung, Schlagschäden, Überhitzung) der Bauteile während Fahrten in schwerem Gelände und der damit verbundene geringere Wartungsaufwand.

Seit Kurzem wurde eine Variante des Pandur Evolution, die eine Kombination aus Mobilität und Schutz in Verbindung mit einer Innenlasttransportfähigkeit im taktischen Lufttransportflugzeug des Typs C-130J bietet, auch von den US-Spezialkräften im Zuge des Armored Ground Mobility System Program (AGMS) als geschützte Plattform für Counterterror- sowie Aufklärungs-Operationen ausgewählt. GDELS fertigt den Pandur Evolution derzeit in Serie, da bereits über 100 Fahrzeuge unter Vertrag sind, wobei ein großer Teil auch bereits ausgeliefert wurde und sich bei der Truppe im Einsatz bewährt.

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Zur Technik

Der Pandur Evolution ist im Vergleich zu anderen 6×6-Radpanzern besonders stark motorisiert. Das etwa 18,6 Tonnen schwere Fahrzeug – davon bis zu 4,5 Tonnen Nutzlast – wird von einem 8,9 Liter Cummins ISLe 450 6-Zylinder-Dieselmotor mit 335 kW Leistung über einen ZF 6-Gang-Getriebeautomaten angetrieben und erreicht Höchstgeschwindigkeiten von 82 km/h (Gelände) bzw. 118 km/h (Straße). Das Leistungsgewicht beträgt 17,6 kW/t, was dem Pandur GDELS zufolge sowohl auf der Straße, als auch im Gelände eine in der Fahrzeugklasse unerreichte Agilität verleiht. Dazu trägt auch die Einzelradaufhängung samt des so genannten Automatic Drivetrain Management mit 100 Prozent Sperrwirkungsgrad bei. Dieses bietet GDELS zufolge „ein vollautomatisches Antriebsstrangmanagement (Aktivierung und Deaktivierung von Allradantrieb, Längs-/Quersperren) mit möglicher manueller Teil- oder Vollübersteuerung“.

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Pandur Evolution 6x6 als Innenlast in einer C 130 Foto GDELS e1662111445543

 

Das Fahrzeug ist inklusive des Minenschutzes und der Zusatzpanzerung von Rheinmetall Protection Systems – Schutzklasse gemäß STANAG 4569 Level 3 ballistisch – nur 2,6 Meter breit und 2,2 Meter hoch, womit die Fähigkeit zum Lufttransport in einer C-130 H/J gegeben ist. Eine Explosionsunterdrückungsanlage, ein entkoppelter Fußboden (als Teil des Minenschutzes; bietet gleichzeitig einen Mehrwert für den Besatzungskomfort und die Ergonomie) und eine ABC-Schutzbelüftung tragen zum hohen Schutzniveau bei.

Pandur Evolution
Antriebsstrang, Hydraulik, Seilwinde, und Lenksystem (mit Ausnahme der äußeren Lenkhebel) sind bzw. können innerhalb der geschützten Fahrzeugwanne verbaut werden. (Graphik: GDELS)
Technische Daten Pandur Evolution 6×6
zulässiges Gesamtgewicht 19 t
Leergewicht 14,5 t
Länge/Breite/Höhe 6,70 m / 2,60 m / 2,20 m
Motor 6 Zylinder (Cummins)
Leistung 335 kW (455 PS)
Leistungsgewicht 17,6 kW/t (24 PS/t)
Schwimmfähigkeit möglich
Einzelradaufhängung ja
Gelenkte Achsen 2
Schutzklasse STANAG 4569 Level 3 ballistisch und höher als Level 3 Minenschutz
Entkoppelter Fußboden ja
Entkoppelte Sitze ja
Brand-Unterdrückungsanlage ja
ABC-Schutzbelüftungsanlage ja
Mögliche Besatzung 3+8

Volle Ausrichtung auf die taktische Nutzung im Einsatz

Die Designphilosophie des Fahrzeuges ist auf den ersten Blick erkennbar, der taktische Einsatz des Fahrzeuges steht im absoluten Fokus. Vergleichbar mit Kampf- und Schützenpanzern wurde auch beim Pandur Evolution aus Schutzgründen auf eine Frontscheibe für den Kraftfahrer und Kommandanten verzichtet. Das Führen des Fahrzeuges erfolgt entweder über Luke oder unter Luke mittels Winkelspiegeln und 360-Grad-Fahrersichtsystemen (Tag/Nacht).

Die Triebwerksanordnung (Powerpack-Konzept) vorne rechts im Fahrzeug ermöglicht nicht nur eine schnelle und einfache Zugangsmöglichkeit im Rahmen der Wartung und Gefechtsschadeninstandsetzung, sie bietet auch einen direkten Zugang zum Kraftfahrer aus dem Kampfraum heraus. Im Bedarfsfall kann dieser so unter Panzerschutz geborgen werden. Herstellerangaben nach ist ein Triebwerkstausch innerhalb von einer Stunde – 30 Minuten Ausbau und 30 Minuten Einbau – möglich.

Mehrere Dachluken für Kraftfahrer, Kommandant und drei Luken für den Kampfraum sowie eine hydraulisch betätigte Heckrampe samt manuell bedienbarer Nottür bieten nicht nur mannigfaltige Möglichkeiten zum Auf- und Absitzen, sondern auch die Option zum Führen des Feuerkampfes über Luke.

Besonders durchdacht ist die Platzierung der innenliegenden Spill-Selbstbergewinde von Rotzler mit Zugmöglichkeit nach vorne oder hinten an der oberen linken Ecke des Fahrzeughecks respektive der oberen rechten Seite der Fahrzeugfront. Einmal „richtig“ festgefahren muss die Fahrzeugbesatzung so nicht erst die Winde und mögliche Anschlagpunkte freischaufeln, um den Pandur bergen zu können.

Ausgewogenes „Eisernes Dreieck“

Mobilität, Schutz und Wirkung sind die wesentlichen Parameter, die die Leistungsfähigkeit militärischer Fahrzeuge bestimmen. Es ist grundsätzlich so, dass diese Parameter sich gegenseitig beeinflussen. Höherer Schutz erfordert zumeist mehr Panzerung oder andere Schutzmaßnahmen, was wiederum in einem höheren Gewicht und einem größeren Volumen mündet und damit maßgeblichen Einfluss auf die Mobilität des Fahrzeuges hat. Weiterhin fallen Schutzmaßnahmen ins Gewicht. Gewichtsreserven können somit nicht mehr für den Parameter Wirkung (bspw. Waffensysteme oder Nutzlast/Kampfraumvolumen) genutzt werden kann. Das Zusammenwirken dieser sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren wird als „Iron Triangle“ – auf Deutsch „Eisernes Dreieck“ – bezeichnet.

Beim Pandur Evolution 6×6 scheint es GDELS gelungen zu sein, die Balance des „Eisernen Dreiecks“ besonders ausgewogen zu gestalten. Das Fahrzeug verfügt über ein in der Gewichtsklasse (14,5 t) vergleichsweise hohes Schutzniveau. Zum Vergleich: Der Patria 6×6 CAVS kommt in der leichteren Konfiguration (16 t) gerade einmal auf ein Schutzniveau gemäß STANAG 4569 Level 2 ballistisch und Mine/IED. Gleichzeitig ist der Pandur Evolution rund 40 Zentimeter schmaler und 20 bis 30 Zentimeter tiefer als andere 6×6- Radpanzer, wie beispielsweise die neuste Version des Transportpanzers Fuchs oder des bereits erwähnten Patria-Fahrzeuges. In Verbindung mit einem ebenfalls bisher unerreichten Leistungsgewicht von 17,6 kW/t führen die technischen Parameter des Fahrzeuges nicht nur zu einer besonders hohen taktischen Mobilität (Geländegängigkeit, Manövrierbarkeit in eng bebauten urbanen Strukturen oder nur mit schwacher Infrastruktur versehenen Regionen), sie führen auch zu einer besonders hohen strategischen Mobilität. Denn der Evolution ist dazu geeignet, als Innenlast in einem C-130- Transportflugzeug – dem meistverbreiteten Transportflieger der Welt – transportiert zu werden. Hierzu muss jedoch die Waffenstation abgenommen werden.

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Neben der dreiköpfigen Besatzung finden in der Mannschaftstransportpanzer-Variante des Pandur Evolution acht voll ausgerüstete Infanteristen samt einer üppigen Gruppenausstattung Platz. (Foto: GDELS)

Technisch ist wohl auch eine amphibische Mobilität des Pandur Evolution umsetzbar. Auch wenn weder die österreichische, noch die US-Version des Fahrzeuges schwimmfähig ist, könnte GDELS eigenen Angaben zufolge den Pandur Evolution 6×6 auch in einer schwimmfähigen Version anbieten. Alle dafür notwendigen Technologien sowie das erforderliche Know-how sind laut GDELS im Unternehmen vorhanden und amphibische Panduren (8×8) seien in der Tschechischen Republik und auch in Portugal bereits seit geraumer Zeit im Einsatz. Die in der Fahrzeugwanne geschützt verbauten Antriebskomponenten bieten Auftriebsvorteile für das Fahrzeug. GDELS-Ingenieure verweisen darauf, dass dieses Fahrzeugdesign die Grundlage dafür bietet, auch stärker gepanzerte Fahrzeuge schwimmfähig zu machen.

Gleichzeitig ist das Fahrzeug in der Lage, eine dreiköpfige Besatzung sowie bis zu acht weitere voll ausgerüstete Infanteristen im Kampfraum aufzunehmen. Was wohl auch mit dafür ursächlich war, dass die US-Spezialkräfte sich für genau dieses Fahrzeug entschieden haben. Aufgrund der kompakten Bauweise und geringen Fahrzeugbreite ist dies natürlich nur in einer engen, verzahnten Sitzkonfiguration – ein Knie des Gegenübers befindet sich zwischen den Beinen des Gegenübersitzenden – realisierbar.

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Die Kampfraumkonfiguration des Pandur Evolution 6×6. (Graphik: GDELS)

Mögliche Varianten

Derzeit wird der Pandur Evolution 6×6 in zwei unterschiedlichen Varianten – Mannschaftstransportpanzer für das Bundesheer sowie eine nicht näher spezifizierte Version als Armored Ground Mobility System für die US-Streitkräfte – gefertigt.

Der Hersteller verweist auf die hohe Modularität des Pandur Evolution, welche bereits auf Nutzerlevel Anwendung findet. Durch ein im Kampfraum integriertes Schienensystem kann die Jägertruppe im Bedarfsfall auch im Feld einzelne Fahrzeuge mittels eines Umrüstkits zu einer CASEVAC-Variante umbauen, um Verwundete unter Panzerschutz aus dem Kampfgeschehen bergen zu können. Zu diesem Zweck wird im linken Teil des Kampfraumes eine Verwundetentrage für einen liegenden Patienten eingerüstet. Die rechten drei Sitze bleiben davon unberührt.

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Durch ein im Kampfraum integriertes Schienensystem kann die Mannschaftstransportpanzer-Variante des Pandur im Bedarfsfall auch im Feld mittels eines Umrüstkits zu einer CASEVAC-Variante umgebaut werden, um so Verwundete unter Panzerschutz aus dem Kampfgeschehen bergen zu können. (Foto: GDELS)

Das Konzept der Monocoque-Wanne ist so ausgelegt, dass ein kompletter Familienverbund von Radfahrzeugen auf derselben Plattform dargestellt werden kann. GDELS zufolge bietet die Pandur Evolution Plattform aufgrund seiner hohen Nutzlast eine ausgezeichnete Basis für weitere Varianten von Gefechtsfahrzeugen. Denkbar wären Varianten als Führungs- und Aufklärungsfahrzeuge – auch mit einem unbemannten 30-mm-Maschinenkanonenturm – sowie Flugabwehrfahrzeuge (Radar oder Wirkmittelträger), Pionierfahrzeuge, aber auch 120-mm-Mörserträger oder Panzerjäger. Der Innenraum kann dazu modular konfiguriert und auf missionsspezifische Erfordernisse ausgelegt werden. Zum Beispiel können die Treibstofftanks je nach Anforderung im Wanneninneren integriert werden, oder auch außenliegende sowie selbstdichtende Tanks verbaut werden. Dieses Konzept erhöht das Verstauvolumen im Fahrzeug deutlich.

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Aufgrund seines Designkonzepts eignet sich die Pandur-Plattform für eine breite Palette an unterschiedlichen Fahrzeugvarianten. (Graphik: GDELS)

Insgesamt bietet der Pandur Evolution 6×6 von den Fähigkeiten, der möglichen Variantenvielfalt und der Preisgestaltung auch eine mögliche Alternative zur Regeneration eingeführter gepanzerter Transportfahrzeuge der Bundeswehr, die zeitnah zur Verfügung stehen könnte.

Waldemar Geiger