StartStreitkräfteBedeutung von unbemannten Systemen für die Kriegsführung in Landoperationen

Bedeutung von unbemannten Systemen für die Kriegsführung in Landoperationen

Major Peter Schwall, Amt für Heeresentwicklung

Der Einsatz von unbemannten Systemen in Landoperationen hat sich zu einem bedeutenden Aspekt der modernen Kriegsführung im 21. Jahrhundert entwickelt. Die eingesetzten Systeme reichen von unbemannten Luftfahrzeugen über unbemannte Landfahrzeuge bis hin zu unbemannten Über- und Unterwasserfahrzeugen.

Im zivilen Sprachgebrauch werden diese Systeme auch mit dem Begriff „Drohne“ umschrieben; der militärische Fachbegriff lautet „Unmanned System“ (UxS), wobei das x durch die Dimension (Ground, Aerial, Sea) ersetzt wird. Der Begriff UxS bezeichnet immer das Gesamtsystem, das neben der unbemannten Plattform inklusive Sensoren und Effektoren auch die erforderlichen Komponenten zum Betrieb wie Kontrollstation, Bediener, ggf. erforderlicher Start- und Landeorganisation sowie der Instandsetzung umfasst.

Das Heer setzte bereits in den 1990er-Jahren Unmanned Aircraft Systems (UAS) für die Heeresaufklärung in Landoperationen ein. Beispielsweise war die CL-289 eine Aufklärungsdrohne, die über eine Reihenbildkamera und einen Infrarotsensor verfügte. Sie wurde durch die Bundeswehr bei den Einsätzen auf dem Balkan im Rahmen des internationalen Krisenmanagements eingesetzt.

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Bild1 Aufkla╠erungsdrohne CL 289
Das System Drohne CL 289. Dieser Flugkörper wurde mithilfe einer Feststoffrakete gestartet, flog einen vorprogrammierten Kurs und wurde mithilfe eines Fallschirms an einem vorgeplanten Platz gelandet.
©Bw/Voll

Weltweit wurde um die Jahrtausendwende begonnen, unbemannte Luftfahrzeuge zu bewaffnen. Diese wurden knapp zehn Jahre später im sogenannten „Krieg gegen den Terror“ in Ländern wie Pakistan, Jemen und Somalia eingesetzt. Fortschreitend wurden bewaffnete UAS in weiteren internationalen Konflikten im Irak, in Afghanistan, Syrien oder in Libyen genutzt. Vor allem während des Konfliktes um das Gebiet von Bergkarabach wurden in großem Umfang bewaffnete UAS durch die aserbaidschanische Armee im Kampf gegen die armenischen Streitkräfte eingesetzt. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist der erste bewaffnete Konflikt, in dem eine Vielzahl unterschiedlicher UxS massenweise für Einsatzzwecke genutzt werden. Zur Aufklärung und Erkundung kommen häufig kleine, marktverfügbare Systeme zum Einsatz. Diese werden oftmals behelfsmäßig umfunktioniert, um Wirkmittel zu transportieren und über gegnerischen Truppenteilen abzuwerfen oder direkt in ein Ziel gesteuert – umgangssprachlich als „Kamikazedrohnen“ bezeichnet – zu werden. Daneben werden auch militärische Modelle eingesetzt. Diese sind resilienter gegen Störungen im elektromagnetischen Umfeld, Störungen von GPS und in der Bauweise robuster und witterungsunabhängiger als handelsübliche Modelle.

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Das Deutsche Heer setzt neben UAS u. a. Unmanned Ground Systems (UGS) zur Kampfmittelerkundung, -beseitigung und zur Aufklärung im Ortsbereich ein.

Der Einsatz von UxS nimmt in allen Dimensionen (Land, Luft, See) und Domänen (Führung, Aufklärung, Wirkung und Unterstützung) stetig zu:

In der Domäne Führung können unbemannte Systeme zu Land, auf See oder in der Luft als Relaisstation eingesetzt werden, um beispielsweise die Reichweite von Kommunikationssystemen zu erhöhen oder ein lokales Funknetzwerk zu etablieren.

Zur Aufklärung werden unbemannte Systeme bereits seit längerer Zeit in Landoperationen eingesetzt. Die Systeme tragen im Wesentlichen zu einer Erhöhung der Aufklärungsreichweite und -dichte zu jeder Tages- und Nachtzeit bei. In der Bundeswehr sind verschiedene Aufklärungssysteme je nach Erfordernissen verfügbar: von dem Nano-UAS Black Hornet mit einigen Minuten Flugzeit und einigen hundert Metern Reichweite bis hin zu großen weitreichenden unbemannten Luftaufklärern in mittleren Flughöhen (beispielsweise Remotely Piloted Aircraft Systems (RPAS) Heron TP). Letztere können länger im Luftraum verweilen als jedes Aufklärungsflugzeug mit seiner Besatzung. Speziell unbemannte Luftfahrzeuge liefern wichtige Informationen über Feindbewegungen, Truppenstärken und Bewaffnung und tragen so wesentlich zum Lagebild, zur Überwachung von Räumen und zum Schutz der eigenen Truppe bei.

Bild2 UAS HUSAR
Das Hocheffiziente Unbemannte System zur Aufklärung mittlerer Reichweite (HUSAR) wird in der Heeresaufklärungs- und Artillerietruppe für die Lage-, Ziel- und Wirkungsaufklärung sowie Zielortung eingeführt.
©Rheinmetall

Mittlerweile gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie unbemannte Systeme in der Domäne Wirkung als Effektoren eingesetzt werden können. Fliegende bewaffnete UAS sind hinreichend bekannt. In zukünftigen Landoperationen werden unbemannte fahrende oder schwimmende Systeme vermehrt zum Einsatz kommen, die ebenfalls bewaffnet sind. Zudem werden Loitering Munition Systems (LMS) an Bedeutung gewinnen. Ein entscheidender Vorteil davon ist, dass sie als Sensor und Effektor zugleich fungieren und zunächst ohne konkretes Ziel in einen Raum gestartet werden können. Durch ihre softwaregestützte Sensorik werden dann mögliche Ziele in dem Gebiet identifiziert. Die Freigabe zur Wirkung gegen diese erfolgt durch den Bediener. Loitering Munition Systems sind mittlerweile auf allen taktischen Ebenen marktverfügbar. Diese können im Nahbereich bis Fernbereich systemabhängig weiche bis gepanzerte Ziele bekämpfen.

In der Domäne Unterstützung werden bereits heute unbemannte fahrende und fliegende Systeme erprobt. Diese sollen in zukünftigen Landoperationen zur logistischen Versorgung der kämpfenden Truppe eingesetzt werden. Durch den Einsatz unbemannter Systeme auf allen Ebenen wird das logistische Personal einer deutlich geringeren Gefährdung und körperlichen Belastung ausgesetzt. Zudem kann die Reichweite der logistischen Versorgung erhöht werden. Hierzu erprobt die Bundeswehr seit einiger Zeit das unbemannte Fahren, u. a. die „Elektronische Deichsel“. Damit soll das Heer bis 2031 in der Lage sein, teilautomatisierte Fahrzeuge in den Einsatz zu bringen. Militärische Konvois sollen künftig auch längere Strecken mit einem Minimum an Personal zurücklegen. Für logistische Aufgaben im Nahbereich werden auch Unmanned Ground Vehicles und unbemannte Luftfahrzeuge im Heer erprobt, um Munition, Wasser, Verpflegung oder Verwundete zu transportieren.

Bild3 Unbemanntes Fahren
Das Autonomy-Kit ist auf dem Dach eines Lkw während des ersten Feldversuchs der sogenannten Elektronischen Deichsel im Rahmen des Projekts „Unbemanntes Fahren von Landsystemen in der Bundeswehr“ angebracht.
©Bw/Neumann

Bedrohung durch Unmanned Aircraft Systems

UAS haben in der heutigen Kriegsführung die häufigste Auftrittswahrscheinlichkeit. Der Aspekt „Wirken auf Abstand“ wird in zukünftigen Konflikten deutlich an Bedeutung zunehmen. Die Fähigkeit von AUS, in Echtzeit Informationen zu liefern, ermöglicht es, in der Folge reaktionsschnell auf Bedrohungen zu reagieren. Eine zusätzliche Bedrohung in Landoperationen stellen die Kamikazedrohnen und die bewaffneten Angriffsdrohnen dar. Diese werden genutzt, um gezielt direkte Angriffe auf Bodentruppen oder Hochwertziele (z. B. Führungseinrichtungen und Führungspersonal, Materialdepots) durchzuführen. Kleine, meist zivile Drohnen sind einfach in der Handhabung, mittlerweile für jedermann günstig verfügbar und können zudem mit einfachen Mitteln gegen Störeinflüsse modifiziert werden. Sie werden nicht nur zur Aufklärung eingesetzt, sondern auch um damit Ziele anzugreifen oder Anschläge zu verüben. Auch das Verbringen sowie der Einsatz von ABC-Kampfmitteln durch einen Gegner ist ein realistisches Szenario.

Die ständige Verfügbarkeit von Echtzeitinformationen in einem Einsatzgebiet erzeugt ein zunehmend gläserneres Gefechtsfeld, insbesondere in den vorderen Bereichen der Kampfzone. Es ist davon auszugehen, dass diese Transparenz sowohl einem Gegner zu Verfügung steht, als auch Zielvorgabe für die eigenen Fähigkeiten durch Sensorverdichtung für das eigene Lagebild sein muss. Im Informationsumfeld werden häufig Film- und Bildmaterial über den Einsatz von UAS, die in bewaffneten Konflikten gegnerische Kräfte oder Einrichtungen angreifen, verbreitet. Diese Wirkung hat vor allem einen psychologischen Einfluss auf den Gegner und die eigenen Kräfte, da diese sich nirgendwo mehr sicher fühlen und eine Bedrohung durch Drohnen als allgegenwärtige Gefahr wahrgenommen wird.

Aufklärung und Abwehr von Unmanned Aircraft Systems

Die Aufklärung von UAS beginnt mit der Detektion, einer Freund-Feind-Erkennung und soweit möglich mit der Identifizierung. Abhängig von ihrer Radarrückstrahlfläche können Radarsysteme Luftfahrzeuge frühzeitig erfassen und ihre Flugbahn verfolgen. Zusätzlich werden Infrarotkameras verwendet, um Details über ihre Größe und Form zu sammeln. Da viele unbemannten Systeme über Funk gesteuert werden, können Systeme zur Funkfrequenzerkennung auf die Anwesenheit von Drohnen hinweisen. Hierzu werden ungewöhnliche oder verdächtige Funkaktivitäten detektiert und ausgewertet. Optische Sensoren werden genutzt, um visuelle Informationen über Drohnen und deren Payload (Sensorik/Wirkmittel) zu sammeln. Alle diese Daten müssen natürlich in Echtzeit in den vernetzten Einsatzführungssystemen verfügbar gemacht werden, um auf Bedrohungen aus der Luft durch unbemannte Systeme schnell und effektiv reagieren zu können.

Einfachere, vor allem kleinere und niedriger fliegende Systeme  können sowohl durch Fähigkeiten des elektromagnetischen Kampfes (EK) als auch durch qualifizierte Flug- und Fliegerabwehrsysteme bekämpft werden. Der elektromagnetische Angriff auf die Daten- und Kommunikationsverbindungen zwischen dem UAS und der Bodenkontrollstation kann zum Absturz führen, mindestens jedoch zum Missionsabbruch. Die Steuerungssignale werden dabei gezielt gestört oder verändert und tragen so zum Kontrollverlust über das UAS bei. Diese Signale sind sowohl für die Navigation aufgrund der Positionsdaten als auch für die Synchronisation der Steuer- und Datenverbindungen von wesentlicher Bedeutung für den Einsatz von unbemannten Systemen.

Im Heer werden bereits heute verschiedene Systeme zur Abwehr von unbemannten Luftfahrzeugen genutzt bzw. sollen für den Einsatz beschafft werden. Dazu zählen beispielsweise der Jammer HP-47+, das Feuerleitvisier SMASH, das mobile Flugabwehrsystem Skyranger 30 oder das Abwehrsystem gegen unbemannte Luftfahrzeuge (ASUL). Mit ASUL können unbemannte Luftfahrzeuge detektiert, klassifiziert und identifiziert sowie nach Freigabe durch einen Bediener bekämpft werden. Wird ein UAS durch ASUL detektiert, werden dessen Parameter zunächst mithilfe von Datenbanken abgeglichen und der UAS-Typ kann, sofern das Signaturprofil bekannt ist, identifiziert werden. Der Bediener wird durch das System über ein vermeintliches Zielobjekt informiert und kann dieses mit dem Kamerasystem verifizieren. Bei einer Bedrohung kann ein EK-System (Störer) auf das Zielobjekt ausgerichtet werden, um die Drohne abzuwehren oder unschädlich zu machen.

Bild4 ASUL
Abwehrsystem gegen unbemannte Luftfahrzeuge (ASUL).
©Bw/Bannert

Es ist wichtig, dass die Technologie zur Aufklärung und Abwehr von Drohnen ständig weiterentwickelt wird, um mit den sich ändernden Fähigkeiten von Drohnen Schritt zu halten. Eine umfassende Herangehensweise, die verschiedene Technologien und Strategien kombiniert, ist entscheidend, um die Sicherheit vor Drohnenbedrohungen zu gewährleisten.

Zusammenfassung

Das Heer arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung von Fähigkeiten für den Einsatz von unbemannten Systemen in den Domänen Führung, Aufklärung Wirkung und Unterstützung. Der Fokus liegt dabei auf einer integrierten, vernetzten und effektiven Nutzung dieser Technologien, um den Herausforderungen der modernen Kriegsführung gerecht zu werden. Dabei wird weiter in die Forschung und Entwicklung von unbemannten Systemen investiert. Dies umfasst den Einsatz von Schwarmsystemen, die Integration von Künstlicher Intelligenz, autonomen Flug- und Sensoriksystemen.

Im vergangenen Jahr wurde durch das Heer ein Positionspapier veröffentlicht, in dem dargestellt wird, wozu das Heer in Zukunft unbemannte Systeme und Loitering Munition Systems einsetzen will. Darauf aufbauend folgt ein Konzept für den Einsatz von unbemannten Systemen und Loitering Munition Systems. Darin wird konkret festgelegt, in welchen Truppengattungen unbemannte Systeme ausgeplant und eingesetzt werden. Gemeinsam mit dem Planungsamt der Bundeswehr werden Maßnahmen umgesetzt, um Testmuster in verschiedenen Bereichen Unmanned Systems/Combat Unmanned Systems zu kaufen und diese in der jährlich fortlaufenden Experimentalserie des Heeres zu erproben.

Das Heer arbeitet eng mit der im November letzten Jahres durch Staatssekretär Hilmer eingesetzten Task Force Drohne zusammen. Diese hat zunächst Vorhaben, Themen, Projekte, Forschungsprojekte sowie kurz-, mittel- und langfristige Untersuchungsfelder für UAS kurzer Reichweite identifiziert. Diese Vorhaben und Projekte werden harmonisiert und für die gesamte Bundeswehr koordiniert.

Die neuen Möglichkeiten zur Überwachung und Aufklärung, Durchführung von präzisen abstandsfähigen Angriffen und Unterstützungsleistungen durch unbemannte Systeme werden die Art und Weise, wie Landstreitkräfte in Zukunft operieren, weiter verändern. Gleichzeitig sind jedoch sorgfältige Überlegungen zu ethischen und rechtlichen Aspekten erforderlich, um einen verantwortungsbewussten Einsatz vor allem von bewaffneten unbemannten Systemen sicherzustellen.

Alle aktuellen Arbeiten in dieser Thematik erfolgen unter einem enormen Zeitdruck. Ziel muss es sein, dass die Bundeswehr zeitnah über ausgereifte, möglichst marktverfügbare, kostengünstige Systeme in großer Stückzahl verfügt, um das eigene Fähigkeitsprofil zukunftsgerecht anzupassen.

Major Peter Schwall, Amt für Heeresentwicklung