Die Regierung der Niederlande will die Stärke der nationalen Streitkräfte von derzeit rund 70.000 auf bis zu 200.000 Männer und Frauen erhöhen. Das berichtet unter anderem der niederländische öffentlich-rechtliche Sender NOS. Dazu sollen, ähnlich wie in Deutschland noch unter der Ampel-Regierung geplant, alle 17-Jährigen einen Fragebogen zur Selbstauskunft erhalten. Die Beteiligung soll zunächst freiwillig sein, könnte aber auch verpflichtend werden und mit der Einladung oder Aufforderung zu einer Musterung verbunden werden. Zudem sollten mehr Männer und Frauen zwischen 18 und 27 die bestehende Möglichkeit für ein freiwilliges Dienstjahr bei den Streitkräften wahrnehmen.

Diese Maßnahmen gehen aus einem Schreiben von Verteidigungs-Staatssekretär Gijs Tuinman an das Unterhaus des niederländischen Parlaments hervor. Ziel ist wie in Deutschland nicht zuletzt, eine Datenbank für verteidigungsbereite junge Menschen anzulegen, um die Aufwuchsfähigkeit der Streitkräfte zu sichern. Auch solle die Zahl einberufungsfähiger Reservisten erhöht werden, die neben ihrer zivilen Tätigkeit Übungen ableisten können. Laut Tuinman könne letztlich auch die 1996 ausgesetzte Wehrpflicht wieder eingeführt werden. Er sei jedoch davon überzeugt, dass es effektivere Wege zur Erhöhung der Personalstärke gebe.
Niederlande sind nicht die einzigen in Europa
Die angegebenen Zahlen beziehen sich offenbar jeweils auf den Verteidigungsumfang einschließlich ziviler Mitarbeiter. Gegenwärtig umfassen die niederländischen Streitkräfte rund 42.000 aktive Soldatinnen und Soldaten, 7.500 Reservisten und 24.000 zivile Mitarbeiter. NOS zufolge ist vorgesehen, bis 2027 eine neue Friedens- und eine Verteidigungsstruktur einzunehmen. Zunächst sei ein Aufwuchs auf 100.000 Mann vorgesehen gewesen. Im Laufe der letzten Woche sei jedoch klar geworden, dass diese Zahl nach oben angepasst werden solle.
Die niederländischen sind die jüngsten in einer Reihe kürzlich bekannt gewordener Pläne europäischer Länder zur Erhöhung ihrer Truppenstärken. So will Italien den Umfang seiner Streitkräfte um 40.000 Mann erhöhen. Polen will ab 2027 jährlich 100.000 Reservisten ausbilden und strebt für den Verteidigungsfall eine Stärke von 500.000 Mann an. In Deutschland sind Pläne zur künftigen Wehrform Teil der laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD. Während erstere die Aussetzung der Wehrpflicht beenden wollen, will letztere sich weiterhin auf die Wiedereinführung von Wehrerfassung und -überwachung beschränken und einen neuen Wehrdienst auf freiwilliger Basis einführen.
Dazu fordert die SPD laut einem öffentlich gewordenen Papier der entsprechenden Verhandlungsgruppe „eine breite gesamtgesellschaftliche Diskussion zur Einführung eines neuen attraktiven Dienstes für alle Bürgerinnen und Bürger“. Da die niederländischen Streitkräfte eng mit der Bundeswehr verzahnt sind, müssen am Ende auch die Personalzahlen auf beiden Seiten zueinander passen.
Stefan Axel Boes