Nachdem bereits Ende Januar die Fachausschüsse des Deutschen Bundestages für Verteidigung und Haushalt die 25-Mio-Euro-Vorlage passieren ließen, hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) nun die entsprechenden Verträge für die Beschaffung und Integration des abstandsaktiven Schutzsystems (APS) Trophy für einen Teil der Leopard-2-Flotte unterzeichnet.
Einer heute veröffentlichten Meldung des BAAINBw zufolge wurden zwei Verträge unterzeichnet. Eine Vereinbarung mit dem Staat Israel zur Beschaffung des aktiven Schutzsystems sowie ein Vertrag mit Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) zur Umsetzung und Integration.
„Das bei den israelischen Streitkräften einsatzerprobte System Trophy bietet einen 360 Grad Schutz gegen Panzerabwehrraketen und Lenkflugkörper und erhöht so die Sicherheit der Besatzungen“, heißt es in der Mitteilung der deutschen Rüstungsbehörde. „Anhand von Sensoren werden die Flugbahnen von Geschossen ermittelt und darauf mögliche Abfangpunkte für eine Gegenmaßnahme berechnet und ausgelöst. Die dafür benötigte Munition ist ebenso Bestandteil des Vertrages wie ein umfangreiches Ersatzteilpaket, Mess- und Prüfmittelausstattungen, Transport- und Lagercontainer sowie die Ausbildung sowohl der Besatzungen als auch des Instandsetzungspersonals“, so das BAAINBw.
Trophy auf dem Leopard 2 A7A1
Die Bundeswehr will 17 Kampfpanzer Leopard 2 mit Trophy ausstatten – das ist die Ausstattung für eine Panzerkompanie – und zusätzlich einen Versuchsträger.
Dazu soll Rafael, der Hersteller des Trophy-Systems, für rund 40 Millionen Euro 187 abstandsaktive Schutzsysteme in 23 Gerätesätzen und die zugehörige Munition liefern. Ein Großteil der Lieferungen ist für das Jahr 2023 vorgesehen. Darüber hinaus gehört die Ausbildung von Kaderpersonal (Bediener und Instandsetzer) zum Vertragsumfang.
Mit der Integration der Schutzsysteme in die Kampfpanzer und Auslieferung der ausgestatteten Kampfpanzer wird Krauss-Maffei Wegmann (KMW) beauftragt. Der Vertrag ist mit rund 80 Millionen Euro dotiert, etwa zwei Drittel des Volumens für das gesamte Projekt. Der Bund stellt 17 Türme Leopard 2 A6 A3 und für den Versuchsträger einen Turm (Leopard 2 VT-ETB) bei, in die KMW die Schutzsysteme integriert. Die Türme mit eingebauten Trophy-Systemen werden mit neugebauten Fahrgestellen „verheiratet“, die KMW eigens für dieses Projekt herstellt. Neue Fahrgestelle sind u.a. erforderlich, um die zusätzlich notwendige Stromversorgung unterbringen zu können. Außerdem liefert KMW Spezialcontainer für Transport und Aufbewahrung von Komponenten, Sonderwerkzeugen und Zubehör des Schutzsystems. Dazu gehören Trophy-Attrappen, die genutzt werden, wenn die scharfen Systeme nicht aufgebaut werden können oder sollen.
Der Zeitplan sieht den unmittelbaren Beginn der Arbeiten vor. Nach dem Schwerpunkt der Arbeiten 2023 sollen die Kampfpanzer mit Schutzsystemen im Zeitraum 2024 bis 2025 ausgeliefert werden. Es gab ursprünglich den Plan, 2019 mit der Trophy-Integration zu beginnen, um die dann besonders geschützten Panzer bei der NATO-Speerspitze VJTF 2023 einzusetzen.
Trophy besteht im Wesentlichen aus vier Komponenten. Flache AESA-Radarsensoren erfassen das Gefechtsfeld rundum den Panzer und stellen anfliegende Objekte dar. Die Auswerte- und Feuerleitelektronik klassifiziert die Objekte und bewertet, ob diese eine Bedrohung für den Panzer sind. Falls ja, werden die Wirkmittelwerfer auf das Ziel ausgerichtet und eine projektbildende Ladung (Multiple Explosively Formed Projectile, MEFP) als Gegenmaßnahme abgefeuert, die die Bedrohung in optimaler Entfernung so neutralisiert, dass am eigenen Fahrzeug kein wesentlicher Schaden entsteht. Vierte Komponente ist die Energieversorgung im dafür angepassten Panzerfahrgestell.
Entscheidendes Einsatzkriterium ist neben der Wirksamkeit die Sicherheit der automatischen Auslösung des Systems. Einerseits muss Trophy Bedrohungen sicher erkennen und die Gegenmaßnahme zuverlässig auslösen. Andererseits dürfen Fehlauslösungen nicht vorkommen. Der Wirkungsbereich der Gegenmaßnahme ist bei eingeschaltetem System ein Gefahrenbereich, in dem sich grundsätzlich keine Personen aufhalten dürfen. Die Auflösung des Dilemmas der Wahl zwischen Schutz der Panzerbesatzung und Gefährdung von Kräften in der Umgebung ist ein bedeutendes Thema in der Ausbildung der Panzerbesatzungen.
In Israel ist Trophy seit zehn Jahren im Einsatz, daneben haben die US-Streitkräfte Ende 2020 die Ausstattung von mehr als 300 Abrams-Kampfpanzern mit Trophy abgeschlossen.
Bleiben APS nationale Schlüsseltechnologie?
Der technologische Bereich Schutz gehört zum Kern der nationalen verteidigungs-industriellen Schlüsseltechnologien, dies geht aus dem Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie vom vergangenen Jahr hervorgeht. Daher wird die nun erfolgte Vergabe aus Reihen der deutschen Schutzanbieter kritisch beobachtet.
Auch wenn die Einführung einer recht kleinen Zahl von Trophy-Systemen keine Vorentscheidung für zukünftige Beschaffungen solcher Systeme darstellt, hat diese Entscheidung industriepolitisch mehrere Alarmsignale ausgelöst. Denn die hohen einmaligen Implementierungsaufwendungen sind ein betriebswirtschaftlicher Anreiz zum Kauf weiterer Trophy-Systeme, nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für internationale Nutzer des Leopard 2. Denn nur durch zusätzliche Aufträge lassen sich die augenblicklich extrem hohen Durchschnittskosten pro eingerüsteter Einheit senken.
Ein weiterer Aspekt ist die Frage, ob aus dem Einsatz des Systems gewonnene Erfahrungen nur mit der israelischen Seite geteilt werden oder ob auch nationale Anbieter für Schutztechnologien Zugang zu den Erkanntnissen bekommen.
Es bleibt daher abzuwarten, ob die Bundesregierung die Entwicklung nationaler Schlüsseltechnologien im Segment abstandsaktiver Schutzsysteme forciert oder der Kauf der israelischen Technik doch eine Vorfestlegung darstellt. In dem Strategiepapier der Bundesregierung heißt es dazu: „Industrielle Kernfähigkeiten und strategisch relevante Entwicklungskapazitäten sind am Standort Deutschland und EU zu erhalten und zu fördern.“