Am 9. Februar 2023 erteilte die U.S. Army dem Unternehmen AM General einen Fünfjahresvertrag mit einer Option zur Verlängerung um weitere fünf Jahre für die Produktion und Lieferung von bis zu 20.682 leichten taktischen 4×4 Fahrzeugen des Typs JLTV (Joint Light Tactical Vehicle) und bis zu 9.883 JLTV-Anhängern für die US-Streitkräfte sowie ausländische Militärkunden, ohne dabei den etablierten Anbieter zu berücksichtigen. Der Vertrag hat einen Gesamtwert von 8,66 Milliarden US-Dollar.
Der Auftrag für AM General, der im Rahmen des sogenannten JLTV A2-Programms vergeben wurde, kam überraschend, da der bisherige Produzent von JLTVs für die US-Streitkräfte seit 2015 die Firma Oshkosh Defense ist. Oshkosh Defense hatte im August 2015 mit seinem Light Combat Tactical All-Terrain Vehicle (L-ATV) die erste JLTV-Ausschreibung gewonnen. Das Unternehmen erhielt damals einen Auftrag im Wert von bis zu Milliarden US-Dollar, der eine zweijährige Erstproduktion in kleinen Stückzahlen und eine fünfjährige Serienproduktion vorsah. Seitdem hat Oshkosh Defense mehr als 19.000 JLTVs und 3.500 dazugehörige Anhänger ausgeliefert.
Kurz nach der damaligen Vergabe des ersten JLTV-Auftrags am 25. August 2015 kaufte die US-Regierung Anfang 2016 die Rechte für das JLTV Technical Data Package von Oshkosh. In einer Pressemitteilung vom 9. Februar 2023 erklärte das US-Heer: „Dieser wettbewerbsfähige Folgeproduktionsvertrag war von Anfang an Teil der JLTV-Beschaffungsstrategie und zielte darauf ab, den besten Preis zu ermitteln, mit dem sich die heutigen Fähigkeiten des JLTV erhalten lassen und der gleichzeitig sicherstellt, dass das JLTV in Zukunft mit den neuesten Technologien aufgerüstet werden kann.“
In seiner Antwort auf den Zuschlag verwies AM General auf seine „bewährte kommerzielle Produktion“ und die technologischen Verbesserungen des JLTV, die „einen verbesserten Korrosionsschutz und eine höhere Kraftstoffeffizienz sowie kontinuierliche Entwicklungen für eine aktualisierte Fahrzeugarchitektur der nächsten Generation“ umfassen.
AM General wies darauf hin, dass die JLTVs in einer militärischen Produktionsanlage auf dem Mishawaka Manufacturing Campus in Indiana hergestellt werden sollen, zu der auch eine Teststrecke vor Ort gehört, auf der die JLTVs in einem dynamischen Betriebsumfeld erprobt werden. Das Unternehmen erklärte, es wolle „den reibungslosen Übergang der JLTV-Produktion gewährleisten“, und die ersten JLTVs würden 17 Monate nach der Auftragsvergabe ausgeliefert werden.
Oshkosh hingegen erklärte in einer Stellungnahme am 9. Februar: „Wir waren enttäuscht über die Entscheidung der Regierung. Als etablierter Hersteller kann nur Oshkosh die umfangreiche JLTV-Erfahrung und die etablierte Infrastruktur nutzen und gleichzeitig die besten Upgrades für die JLTV-Plattform anbieten.“
Auf die Frage, ob Oshkosh gegen die Entscheidung Einspruch erheben werde, erklärte das Unternehmen: „Wir erwarten in naher Zukunft ein Debriefing der Regierung zu dieser Entscheidung und können zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Kommentare abgeben.“
Tatsächlich hatte Oshkosh kurz vor der A2-Vergabe weitere JLTV-Aufträge erhalten. Am 6. Februar 2023 gab das Unternehmen bekannt, dass es von der Army einen JLTV-Auftrag in Höhe von 84,9 Millionen US-Dollar erhalten hat, den dritten innerhalb von zwei Monaten, wobei diese Aufträge einen Gesamtwert von 730 Millionen US-Dollar haben und mehr als 2.000 Fahrzeuge umfassen.
Offenbar spielten bei der Neuausschreibung des Vertrages auch Gründe der Nachhaltigkeit eine Rolle. „Die Ausschreibung des JLTV-Folgeauftrags zielte im Einklang mit der Klimastrategie des Heeres darauf ab, den Anbietern Anreize zu geben, Technologien zur Verbesserung der Kraftstoffeffizienz während der Fahrt und der Anti-Leerlauf-Fähigkeit vorzuschlagen, um die Kampfkraft zu optimieren“, so die U.S. Army. Das JLTV A2-Design ist das erste taktische Radfahrzeug mit einer Basisarchitektur, die Lithium-Ionen-Batterien verwendet, was eine wichtige Voraussetzung für die Anti-Leerlauf-Fähigkeit ist. „Ein funktionierender Wettbewerb ist das beste Element zur Kostenkontrolle und zur Maximierung der Kaufkraft der Regierung“, heißt es in der Erklärung des US-Heeres. „Die JLTV-Strategie für die Zusammenarbeit mit der Industrie war sehr erfolgreich bei der Festlegung von umsetzbaren Zeitplänen, der Einbau ausgereifter Technologien und Transparenz während des gesamten Prozesses, um den Auftragnehmern die Möglichkeit zu geben, individuelle Geschäftsentscheidungen zu treffen.“
Sowohl AM General und Oshkosh Defense entwickelten in den letzten Jahren Lösungen mit Hybrid-Elektroantrieb (HED) für leichte taktische Fahrzeuge, um die Anforderungen für das JLTV-Nachfolgeprogramm zu erfüllen. AM General arbeitete mit QinetiQ zusammen, um eine HED-angetriebene Version seines High-Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle (HMMWV oder Humvee: das Fahrzeug, das der JLTV ersetzt) zu produzieren, während Oshkosh einen HED-angetriebenen „eJLTV“ entwickelte. Die U.S. Army hatte jedoch im Rahmen der A2-Neuausschreibung keinen JLTV mit HED-Antrieb gefordert.
Peter Felstead