StartMobilitätVorerst keine neuen Einsatzboote für die Kampfschwimmer

Vorerst keine neuen Einsatzboote für die Kampfschwimmer

Waldemar Geiger

Print Friendly, PDF & Email

Die Kampfschwimmer des Kommandos Spezialkräfte Marine (KSM) werden offenbar doch nicht wie geplant ab Mitte der 2020er Jahre neue Einsatzboote als Ersatz für die in die Jahre gekommenen RHIB H1010 erhalten. Dies geht aus einer jüngst verschickten Stellungnahme CDU Politikers und Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages Ingo Gädechens hervor. Demnach kann der finnische Bootsbauer Boomranger, das den Zuschlag für den Bau der Boote erhalten hat, die Boote nicht bauen.

Nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages (HHA) der entsprechenden 25-Mio-Euro-Vorlage im Sommer 2022 zugestimmt hat, wurde der Weg freigemacht für die Beschaffung von „Einsatzbooten mittlerer Reichweite für das Kommando Spezialkräfte der Marine“. Wie S&T zu dem Zeitpunkt berichtete, wollte die Bundeswehr für den Ersatz der überalterten RHIB H1010 einem Rahmenvertrag von zunächst neun und optional bis zu zwölf weitere Einsatzboote nebst Zubehör schließen. Die neuen Boote sollten zu einem Fähigkeitsaufwuchs in den Bereichen Aufklärung, Reichweite, Geschwindigkeit und Selbstschutz führen. Der HHA hat knapp 35 Millionen Euro für die ersten neun Boote freigegeben. Für die weiteren zwölf rechnet das BMVg mit einem Finanzbedarf in Höhe von 47 Millionen Euro.

Dieses Vorhaben scheint nach Angaben von Gädechens so nicht mehr realisierbar zu sein.

sut layout500x300 2024yH5BAEKAAEALAAAAAABAAEAAAICTAEAOw==

Die Erklärung von Ingo Gädechens, der nebenbei ehemaliger Berufssoldat der Marine ist, im Originalwortlaut:

yH5BAEKAAEALAAAAAABAAEAAAICTAEAOw==

„Das Verteidigungsministerium hat die Einsatzboote für die Marine-Spezialkräfte komplett an die Wand gefahren – obwohl von Anfang an alle Alarmglocken geschrillt haben und viele Beteiligte auf die vorhandenen Probleme hingewiesen haben. Bei diesem Beschaffungsvorhaben lässt sich Schritt für Schritt genau nachvollziehen, was im Beschaffungsprozess der Bundeswehr im Argen liegt.

Seitdem das Verteidigungsministerium dem Parlament im vergangenen Sommer den Vertrag für die Einsatzboote vorgelegt hat, haben uns aus vielen Richtungen Warnungen erreicht. Es war von Anfang an klar: Hier läuft etwas richtig schief. Das Ministerium hat aber immer wieder versprochen, dass alles in Ordnung sei und dass die Spezialkräfte nach so langer Wartezeit endlich neue Boote bekommen werden. All diese falschen Versprechungen platzen jetzt wie Seifenblasen.

Uns Parlamentariern wurde früh zugetragen, dass namhafte deutsche Werften und auch die entsprechenden Schiffbauexperten der Bundeswehr von Anfang an massive Probleme in diesem Beschaffungsvorhaben gesehen haben. Der Forderungskatalog der Bundeswehr – so die Feststellung – war so umfangreich, dass er nach allen Regeln der technischen Kunst unmöglich in ein Bootsdesign umsetzbar war und ist. Das Ministerium aber behauptete immer wieder, dass die Konstruktion des Bootes möglich sei. Daher habe ich darum gebeten, direkt mit einem zuständigen Schiffbauingenieur sprechen zu können. Das Verteidigungsministerium hat auch jemanden aus dem Beschaffungsamt in Koblenz nach Berlin geschickt – nur keinen Schiffbauingenieur, sondern den Projektleiter. Und der war eben kein Schiffbauingenieur und konnte nicht aus eigener Expertise heraus die Bedenken zerstreuen. Genau wie die Vertreter des Ministeriums hat er damals behauptet, dass keinerlei Bedenken hinsichtlich der Konstruktion des Bootes bestünden.

Vor wenigen Wochen habe ich zum ersten Mal die Information erhalten, dass eingetreten ist, was alle befürchtet haben. Die finnische Firma musste eingestehen, die Boote nicht bauen zu können – der Schaden für die Soldatinnen und Soldaten ist da. Informiert das Verteidigungsministerium das Parlament proaktiv über diese Entwicklung, wo es doch offensichtlich ein großes politisches Interesse an diesem Vorhaben gibt? Nein! Dann wird aber noch alles schlimmer: Um zumindest den Anschein einer proaktiven Information zu erwecken, verzögert die Bundesregierung die Beantwortung einer diesbezüglichen schriftlichen Frage. Dann berichtet sie – angeblich aus eigenem Antrieb – in einem der regelmäßig stattfindenden Gespräche mündlich über die Entwicklungen, um die schriftliche Frage wenige Stunden darauf deutlich nach der Frist zu beantworten. Was für ein durchschaubares Spiel – und was für eine Missachtung des parlamentarischen Fragerechts! Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, wird die Antwort eingestuft, sodass ich darüber nicht berichten darf. Begründet wird dies damit, dass sonst ‚Rückschlüsse auf die Ausstattungssituation‘ der Spezialkräfte möglich wären. Was eine absurde Aussage! Es weiß ja schon jeder, was passiert ist. Und das Verteidigungsministerium hat bei der Vertragsunterschrift eine Pressemitteilung herausgegeben, sodass es zumindest in der Vergangenheit nicht so geheimhaltungsbedürftig schien. Gleiches gilt für die Zukunft: Spätestens wenn eine neue Ausschreibung erfolgt, wird die Entwicklung öffentlich.

Bei den Einsatzbooten zeigt sich in erschreckender Weise, was alles schiefläuft. Das Verteidigungsministerium hat sich absolut beratungsresistent gezeigt, obwohl so viele Warnhinweise vorlagen. Anstatt den Warnungen wirklich nachzugehen und auf fachmännischen Sachverstand zu hören, wurde alles soweit wie möglich vertuscht und vernebelt. Letztlich war wieder einmal ein juristisch sauberes Vergabeverfahren die oberste Zielsetzung – nicht aber, dass die Truppe schnellstmöglich einsatzbereites Material erhält. Das sind falsche Prioritäten.

Im Beschaffungsprozess brauchen wir an vielen Stellen eine 180°-Wendung. Aus dem katastrophalen Ergebnis bei den KSM-Booten müssen jetzt endlich einmal Konsequenzen gezogen werden. Denn der ganze Prozess beginnt jetzt von vorne – wieder einmal entstehen jahrelange Verzögerungen! Der Verteidigungsminister kann nicht nur ankündigen und einzelne Personen austauschen, sondern muss jetzt im Beschaffungsprozess tiefgreifende Veränderungen angehen. Wenn das Verteidigungsministerium nicht einmal in der Lage ist, Einsatzboote zu kaufen, machen wir uns international lächerlich und lassen den Respekt vor der Arbeit unserer Soldatinnen und Soldaten vermissen. Das darf so nicht weitergehen!“

Waldemar Geiger