StartMobilitätTrends bei der Landmobilität für Spezialkräfte – die industrielle Perspektive

Trends bei der Landmobilität für Spezialkräfte – die industrielle Perspektive

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Die Entwicklung der Landmobilität für Spezialkräfte (SOF) war weltweit insbesondere seit den frühen 2000er Jahren durch Einsatzerfordernisse des internationalen Krisenmanagements (IKM) und des sogenannten Global War on Terrors geprägt. Mit der Refokussierung auf Einsätze im Zuge der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) kommen neue Aspekte und Forderungen an Mobilitätslösungen für Spezialkräfte hinzu. Soldat & Technik befragte mehrere Fahrzeughersteller nach deren Prognosen zur Weiterentwicklung der Spezialkräftemobilität in den nächsten Jahrzehnten.

S&T: Wird sich die Entwicklung von Mobilitätslösungen von Spezialkräften Ihrer Ansicht nach weiterhin auf die Entwicklung und Herstellung von Sonderlösungen fokussieren oder werden Lösungen dominieren, die für die querschnittliche Truppe entwickelt und entsprechend den besonderen Forderungen von Spezialkräfteeinsätzen modifiziert wurden?

Sebastian Schaubeck, Geschäftsführer der ACS Armoured Car Systems GmbH antwortete wie folgt:

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Das ist eine sehr gute Frage und für uns bei der ACS eine sehr strategische Frage dazu. Da wir kein SOF-Taktiker sind, möchten wir die Frage auf Basis unserer Beobachtungen beantworten.

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  1. Mobilität war in den durch IKM geprägten Dekaden und wird unter Einbezug von LV/BV auch weiterhin sehr wichtig bleiben.
  2. Das Gefechtsfeld in der Zukunft wird zunehmend gläsern sein, Einheiten und Ziele werden vermehrt aufgeklärt.
  3. Taktisch unterscheidet sich das LV/BV Szenario vom IKM-Einsatz. Beim IKM kann man eine Lage auch mal aussitzen, das geht im Falle von LV/BV nicht. Einsätze und Aufträge müssen durchgeführt werden, auch wenn diese nicht optimal vorbereitet bzw. geplant sind bzw. nicht die optimalen Voraussetzungen herrschen.
  4. Im LV/BV-Szenario wird „Masse“ (Quantität) eine entscheidende Rolle spielen, wie man aktuell in der Ukraine beobachten kann.
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Luftlandeversion des Enok mit unterschiedlichen Sensoren und Kommunikationssystemen. (Foto: Soldat & Technik)

Auf Basis dieser Beobachtungen gibt es aus unserer Sicht nur eine Antwort auf die gestellte Frage. Wir erwarten in Zukunft querschnittliche Lösungen. Nur so entstehen Skaleneffekte und die Preise sinken (Quantität kann erhöht werden), nur so kann die kritische Logistik und Nachversorgung im intensiven und langanhaltenden Einsatz gewährleistet werden, außerdem können SOF so im Querschnitt „untergehen“, nicht auffallen und selbst kein VIP-Ziel darstellen. Zweifelsfrei bedürfen SOF angepasste und modifizierte Lösungen, aber die Basis werden nach unserer Einschätzung querschnittliche Lösungen sein.

Das Unternehmen Defenture antwortete wie folgt:

Generell ist weltweit ein starker Trend zu erkennen, dass sich die Streitkräfte mehr und mehr auf militärische Standardausrüstung konzentrieren, die speziell für den militärischen Einsatz konzipiert, entwickelt und erprobt wurde. Dieser Trend spiegelt sich auch stark im Bereich der Landmobilität wider. Die zunehmende Intensivierung von Landoperationen erfordert Mobilitätslösungen, die den heutigen und zukünftigen Herausforderungen gewachsen sind. Speziell entwickelte mobile Plattformen berücksichtigen diese ständig steigenden Anforderungen nicht nur unter dem Aspekt der Mobilität, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Systemintegration. Es handelt sich nämlich um echte militärische Standardlösungen (MOTS).

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Die niederländische Beschaffungsbehörde Defence Materiel Organisation (DMO) hat den niederländischen Hersteller für Spezialkräftefahrzeuge Defenture mit der Lieferung von mindestens 41 weiteren Fahrzeugen des Typs VECTOR (Versatile Expeditionary Commando Tactical Off Road) beauftragt. (Foto: Defenture)

MOTS-Lösungen werden daher nicht nur von Spezialkräften, sondern auch von anderen Truppenteilen, z. B. den regulären Streitkräften, in großem Umfang eingesetzt. Landgestützte Kräfte sind mehr und mehr mit modernster Technologie konfrontiert, die für die Durchführung ihrer hochriskanten Aufgaben unerlässlich ist. MOTS-Plattformen tragen diesen operativen Anforderungen am besten Rechnung, indem z.B. Kommunikations- und andere IT-Komponenten und Waffensysteme wie Mörser standardmäßig in das MOTS-Design integriert werden, anstatt in ein bereits fertiggestelltes Basisfahrzeug und eine Konfiguration integriert zu werden, ohne dass dabei Kompromisse bei den höchsten Mobilitätsaspekten eingegangen werden.

Dr. Thomas Kauffmann, Geschäftsführer der General Dynamics European Land Systems (GDELS) Deutschland antwortete wie folgt:

Spezialkräfte benötigen zur Erfüllung ihrer speziellen Aufgaben spezialisiertes Einsatzgerät – daran wird sich auch künftig nichts ändern. Hierzu gehören Fahrzeuge, die das Standardgerät in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Zuladung, Robustheit und Reichweite „out-performen“. Allerdings macht sich mit der Refokussierung weg von Krisenmanagement und Terrorismusbekämpfung hin zu Landes- und Bündnisverteidigung ein wesentlicher Unterschied bemerkbar: Hat man sich bislang primär auf leichtere, kleinere Fahrzeuge aufgrund der Hubschrauberverladbarkeit zur Erhöhung der Eindringtiefe konzentriert, so muss heute im Einsatzraum hinter den feindlichen Linien mit starker gegnerischer Flugabwehr gerechnet werden. Damit rücken weitere Infiltrationsmöglichkeiten zur Verbringung von Spezialkräften wieder in den Vordergrund, wie z.B. der Einsatz auf eigener Achse oder die Verbringung durch Transportflugzeuge wie die C-130 Hercules. Unser Schwerpunkt als militärischer Fahrzeughersteller liegt damit weiterhin auf Kompaktheit & Robustheit, Mobilität & Reichweite, Zuladung & Durchsetzungsfähigkeit.

Diesem Fähigkeitsprofil folgend stehen für GDELS weiterhin die Fahrzeugfamilien PANDUR EVO 6×6, EAGLE 4×4 und MERLIN 4×4 im Mittelpunkt auch für den zukünftigen Spezialkräfteeinsatz. Der jahrzehntelange erfolgreiche SOF-Einsatz des PANDUR bei den US-Spezialkräften und des EAGLE beim KSK der Bundeswehr unterstreicht diesen Ansatz nachdrücklich.

Klaas Krause, Abteilungsleiter Vertrieb D-A-CH, Rheinmetall Landsysteme GmbH antwortete wie folgt:

Die komplexe Forderungslage von Spezialkräften wird auch zukünftig hohe Anforderungen an individuell zugeschnittene Speziallösungen hervorbringen. Gleichzeitig nützt den Spezialkräften nur eine Mobilitätsplattform, die auch sicher und autark im Einsatz verfügbar ist und gleichzeitig interoperabel zum querschnittlichen Gerät eigener Kräfte und dessen Ihrer Partnernationen sein muss, um im Einsatz logistisch versorgbar zu bleiben.

Dafür bedarf es einer kritischen Masse an Fahrzeugen, die wirtschaftlich nur über modifizierte zivile Fahrzeugplattformen erreicht werden kann. Der Energiebedarf für die Versorgung der zunehmend digitalisierten Sensorik, Optronik und C4I-Ausstattung wird absehbar weiter steigen, so dass auch zukünftige Mobilitätslösungen aufgrund der benötigten Energiedichte weiterhin auf flüssige Kraftstoffe und einen Verbrennungsmotor setzen werden. Hier schließe ich mittelfristig auch die Verwendung von E-Fuels und den Einsatz von Brennstoffzellen ein.

Die Auswahl an dafür geeigneten zivilen Fahrzeugplattformen wird sich mittelfristig reduzieren, so dass ich davon ausgehe, dass es zu einer Konzentration auf wenige automotive Plattformen, wie z.B. das Mercedes G-Modell kommen wird, welches wir beispielweise für unseren neuen Caracal nutzen. Die militärischen Fahrzeugaufbauten und Rüstsätze werden aber auch zukünftig sehr vielfältig bleiben und durch spezialisierte Sonderfahrzeugbauer für die militärische Nutzung durch Spezialkräfte individuell angepasst werden.“