StartStreitkräfteSACEUR: USA erwägen Aufgabe des NATO-Oberkommandos

SACEUR: USA erwägen Aufgabe des NATO-Oberkommandos

Die Regierung Trump erwägt nach einem Bericht des amerikanischen Fernsehsenders NBC, die Besetzung der Position des Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) durch die USA nach 75 Jahren aufzugeben. Dies soll Teil einer größeren Umstrukturierung von höheren Kommandos und Hauptquartieren sein, um Geld und Personal einzusparen. Zugleich dürften solche Pläne den Ankündigungen der Trump-Administration entsprechen, mehr Verteidigungslasten auf die Europäer abzuwälzen und sich möglicherweise ganz oder teilweise aus der NATO zurückzuziehen, um sich auf Asien zu konzentrieren.

Der gegenwärtige SACEUR, General Christopher Cavoli (r.), bei der Übergabe seines vorherigen Kommandos über die U.S. Army Europe and Africa an seinen Nachfolger 2022.
Der gegenwärtige SACEUR, General Christopher Cavoli (r.), bei der Übergabe seines vorherigen Kommandos über die U.S. Army Europe and Africa an seinen Nachfolger 2022. (U.S. Army/Amanda Fry)

Der Posten des SACEUR wird seit seiner Einrichtung 1950 durch einen amerikanischen Vier-Sterne-General beziehungsweise -Admiral besetzt. Dieser war zugleich stets nationaler Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa. Erster Amtsinhaber war Dwight D. Eisenhower, der bereits im Zweiten Weltkrieg den Oberbefehl über die alliierten Truppen auf dem europäischen Kriegsschauplatz innehatte. Nach dem Austritt Frankreichs aus der integrierten Militärstruktur der NATO 1966 wurde das Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) von Rocquencourt bei Versailles zum heutigen Standort im belgischen Mons verlegt.

Verzicht auf SACEUR, Rückzug aus der integrierten Militärstruktur?

Sollten die Rückzugspläne konkret werden, würde dies zahlreiche Fragen aufwerfen. Darunter zunächst, wie der Posten künftig besetzt werden solle. Stellvertretender SACEUR war bislang meist ein britischer, gelegentlich auch ein deutscher Offizier. In der Regel übernahm Deutschland seit seinem NATO-Beitritt 1955 jedoch die Position des Stabschefs bei SHAPE, so auch gegenwärtig. Frankreich strebte nach seiner Rückkehr in die integrierte Militärstruktur 2009 die Übernahme eines regionalen Kommandos für Südeuropa an, erhielt jedoch schließlich das SACEUR gleichgestellte Allied Command Transformation (ACT) im amerikanischen Norfolk, Virginia.

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Denkbar wäre künftig eine Rotation des Oberkommandos zwischen den drei größten europäischen Bündnispartnern. Kritischer wäre allerdings die Frage, ob der Verzicht der USA auch den Rückzug aus der integrierten Militärstruktur bedeuten würde. Es scheint schwer vorstellbar, dass amerikanische Truppen in Europa unter nicht-amerikanischem Oberbefehl belassen würden. Möglicherweise strebt die Regierung Trump zwar ohnehin deren weitgehende Reduzierung an. Allerdings haben die bestehenden US-Basen auch strategische Bedeutung für eigene amerikanische Interessen.

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Weitere Herausforderungen für Europa

Die verbleibenden Strukturen beispielsweise in Deutschland würden dann parallel zu denen der NATO existieren, wie dies auch bei Frankreich zwischen 1966 und 2009 der Fall war. Die Bedeutung der USA für die gemeinsame Sicherheit und Verteidigung ist jedoch ungleich größer. Im Falle Frankreichs wurde weithin davon ausgegangen, dass es sich schon aufgrund seiner geografischen Nähe im Falle eines Angriffs auf Deutschland dennoch an der gemeinsamen Verteidigung beteiligen würde. Bei den USA wäre dies weniger sicher, jedoch müsste ihnen zumindest am Schutz der eigenen Stützpunkte gelegen sein.

Umgekehrt bedeutete die Kombination von nationalem US- und NATO-Oberkommando in der Position des SACEUR bislang auch ein „Backup“ für die gemeinsame Verteidigung, selbst wenn sich einzelne europäische Verbündete dieser zu enthalten versuchten. Insgesamt waren die USA bislang als überstarker außereuropäischer Partner angesichts häufig widerstreitender nationaler Interessen der Europäer unverzichtbare Führungsmacht. Sollte sich ihr Rückzug aus dieser Funktion bewahrheiten, käme auf Europa neben finanziellen, materiellen und personellen Herausforderungen auch die des Ersatzes hierfür in Organisation und Führungswillen zu.

Stefan Axel Boes