Führende europäische Bündnispartner planen eine schrittweise Übernahme der US-Beiträge bei einem amerikanischen NATO-Rückzug. Das berichtet die Financial Times unter Berufung auf Quellen in europäischen Regierungskreisen. Die bislang informellen Pläne beinhalten demnach einen Vorschlag für einen geordneten Prozess innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre an die Regierung Donald Trump. Dies solle Chaos bei einer plötzlichen Entscheidung des notorisch wankelmütigen US-Präsidenten vermeiden.

Zwar müsste der amerikanische Kongress einem formellen Austritt der USA aus dem Bündnis zustimmen, wovon gegenwärtig noch niemand ausgeht. Als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte kann Trump jedoch praktisch allein entscheiden, ob und in welchem Umfang er den Bündnispflichten nachkommt. Erst kürzlich berichtete der Fernsehsender NBC, dass seine Regierung im Rahmen von Umstrukturierungsplänen angeblich die Aufgabe des NATO-Oberkommandos erwägt.
NATO-Rückzug nach Verzicht auf SACEUR?
Der Verzicht auf die seit Anfang an von den USA besetzten Position des Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) würde mutmaßlich mit einem Rückzug aus der integrierten Militärstruktur der NATO einhergehen. Diesen Schritt unternahm etwa Frankreich zwischen 1966 und 2009, und Griechenland zwischen 1974 und 1980. Im Falle der USA als bisherige Führungsmacht im Bündnis wären die Auswirkungen jedoch ungleich größer, nicht zuletzt aufgrund ihres nuklearen Schutzschirms für Europa.
Nach Angaben der Financial Times sind unter anderem Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die nordischen Länder an den Planungen beteiligt. Diese umfassten demnach feste Verpflichtungen zur Steigerung der Verteidigungsausgaben und sollten den USA noch vor dem NATO-Gipfel im Juni in Den Haag präsentiert werden. Nicht eingeschlossen sei die Frage der nuklearen Abschreckung, zu der gegenwärtig separate Gespräche unter Beteiligung der europäischen Atommächte Frankreich und Großbritannien laufen.
Dem Bericht zufolge beteiligen sich nicht alle europäischen Verbündete an den Plänen, um einem amerikanischen Rückzug nicht auch noch Vorschub zu leisten. Andere gehen davon aus, dass Trump sich ohnehin nicht an einen Deal zu einer geordneten Übergabe halten würde. Die Beteiligten wollen jedoch die bewährten NATO-Strukturen selbst ohne die USA beibehalten. Diese binden etwa auch Nicht-EU-Mitglieder wie Großbritannien, Kanada und Norwegen ein.
Stefan Axel Boes