Vernetzung und Multi Domain Operations, Digitalisierung des Gefechtsfeldes, Combat Clouds, Software Defined Defense – diese Stichworte gehören inzwischen zum Standard-Repertoire der Streitkräftekonzeptionäre weltweit. Worauf kann und muss sich der abgesessen kämpfende Soldat bei der künftigen Kriegführung einstellen?
Die Vorstellungen vom Gefechtsfeld und der Operationsführung der Zukunft gleichen sich in vielen Streitkräftekonzeptionen grundsätzlich. Demnach agieren vernetzte Gefechtsverbunde aus einzelnen Soldaten, deren Land-, Luft-, See-, Cyber- und Weltraumplattformen sowie besatzungslose Systeme miteinander, um die teilweise parallel zueinander laufenden Operationen in unterschiedlichen Intensitätsspektren in allen Domänen zu meistern.
Alle Akteure speisen regelmäßig Informationen in das gemeinsame Netzwerk ein, so dass stets ein aktuelles Lagebild zur Verfügung steht. Künstliche Intelligenz unterstützt die Truppenführer bei der Auswertung der Informationsflut und bei der Entscheidungsvorbereitung. Die durch leistungsfähige Sensor-to-Effector-Ketten generierte Informations- und Wirküberlegenheit ermöglicht es, jegliche Lagen in angemessener Intensität abarbeiten zu können.
Vorhaben des Cyber Innovation Hubs der Bundeswehr für Spezialkräfte
Auch unterhalb der Soldatensysteme wird die Vernetzung verbessert. Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) hat derzeit zwei Innovationsvorhaben in Arbeit, um den Spezialkräften der Bundeswehr eine störungsresistentere taktische Kommunikation in Echtzeit zu ermöglichen.
Der „Radio Access Point (RAP)“ ermöglicht dem Kommando Spezialkräfte (KSK) eine „On the Man/On the Move“-Kommunikation (OTM/OTM). Dabei wurde das Einsatzspektrum des seit einigen Jahren im Einsatz bewährten Funkgeräts PRC 117G durch eine zusätzliche Hardwarekomponente „Black RAP“ sowie einer zugehörigen Serverkomponente erheblich erweitert. Eine LTE-Infrastruktur ermöglicht es jetzt, Datenpakete auch ohne einen „Funkhalt“ untereinander oder mit der Operationszentrale direkt und in Echtzeit auszutauschen. Mit einer breitbandgestützten Komponente wie RAP erhalten die Spezialkräfte der Bundeswehr einen deutlichen Fähigkeitszugewinn, der abhängig von der Lage weitere taktische Optionen ermöglicht und außerdem Energie und operative Planungsprozesse einspart.
Das Innovationsvorhaben „Worldwide Optimized Communication (WOC)“ wiederum dient dazu, verdeckte oder mobile Einsatz-Gefechtsstände auch über weite Entfernungen möglichst abhörsicher, störunanfällig und schwer aufklärbar an die Kommunikation anbinden zu können. Als Schlüssel zum Erfolg sollen hier tragbare Troposcatter-Systeme fungieren. Die entsprechenden Module lassen sich schnell aufbauen und ausrichten, so dass sie Funkwellen in Richtung Erdatmosphäre senden können. Diese werden dann an deren untersten Schichten, der Troposphäre, reflektiert und gestreut („scatter“).
Selbst größere Distanzen lassen sich so gut überbrücken, wobei die Troposcatter-Technik größere Übertragungsstrecken als der normale Richtfunk ermöglicht – und dies ohne eine durchgehende Sichtlinie. Die Troposcatter lassen sich mit externen Akkus betreiben. Zudem lassen sich die Signale durch gegnerische Elektronische Kampfführung (EloKa)-Kräfte nur schwer orten, denn das Troposphärenfeld, in dem sich die beiden Signale treffen, ist nur schwierig und aufwendig zu lokalisieren.
Abgesessener Elektronischer Kampf
Die Elektronische Kampfführung hat im Krieg in der Ukraine erheblich an Bedeutung gewonnen. Eigene Truppenteile und Verbände müssen sich vor Aufklärung im digitalen oder elektronischen Umfeld schützen. Eine große und sehr vielschichtige Gefährdung geht hier von privater Smartphone-Nutzung aus. Ebenso gilt es, die eigenen Netzwerke und Führungssysteme resilient vor gegnerischen Angriffen zu machen. Umgekehrt lassen sich gegnerische Schwachstellen ausnutzen, um dessen Netzwerke durch „Non-Kinetic Effects“ zu täuschen oder zu lähmen.

EloKa ist durchaus in den deutschen und weiteren Streitkräften in abgesessen kämpfender Form vorhanden. Der jetzt zur Teilstreitkraft aufgewertete Cyber- und Informationsraum (CIR) der Bundeswehr beispielsweise verfügt mit der „Luftlandefähigen Komponente für den Elektronischen Kampf zur Nahunterstützung im Einsatz“ (LEKE) über spezialisierte EloKa-Kräfte. Diese unterstützen die Spezialkräfte der Bundeswehr durch Aufspüren, Orten und Analysieren von elektronischen Signalen – und zwar in extremer Nähe zu Feindkräften sowie in hochriskanten Missionen weltweit.
LEKE-Kräfte können wichtige Informationen in schwierigen Einsatzsituationen sammeln, gegnerische Kommunikation stören und im Nahbereich von Zielpersonen operieren. Sie verfügen daher nicht nur über eine umfassende EloKa-Ausbildung, sondern beherrschen auch das infanteristische Handwerkszeug.
Kamerad Roboter und andere besatzungslose Systeme
Unbemannte bzw. besatzungslose Systeme entwickeln sich rasant. Ob in der Luft, ob am Boden oder ob über und unter Wasser – kaum ein Kriegführungskonzept bezieht die kurz als „UxS“ (U = Unmanned bzw, Uncrewed, x = Domäne, S = System) genannten Geräte nicht mehr in die Überlegungen ein. In den sozialen Medien und in den Politik- und Feuilleton-Sparten der Tagespresse gehören sie gar zu den vielgepriesenen Wunderwaffen. Ganze „Drohnenwälle“ sollen nach Vorstellungen einiger Protagonisten in Presse und Politik künftig die NATO-Ostflanke schützen.
Unabhängig von Machbarkeit und militärischem Sinn solcher Überlegungen lässt sich jedenfalls ein Umdenken bezüglich der Drohnen feststellen: Zumindest die kleineren Kategorien gelten – ähnlich wie Munition – inzwischen als Mengenverbrauchsgut. Im gleichen Maße, wie der Drohnen (Uncrewed Aerial Systems, UAS)- und eng damit verbunden der Loitering Munition (LM)-Markt zulegt, gewinnt deren Abwehr (Counter-UAS, C-UAS) an Bedeutung. Inzwischen dreht sich die UAS-C-UAS-Rüstungsspirale mindestens genau so schnell wie bei Panzerung und Penetrator.

Im Zusammenhang mit dem „Drohnenwall“ und besatzungslosen Systemen steht ein weiterer Themenkreis im Fokus. So hat der Kampf mit und um Sperren erheblich an Bedeutung gewonnen. Fernbedienbare Wirkmittel, Panzerabwehrrichtminen und weitere Kampfmittel werden in größerem Umfang die Arsenale moderner Streitkräfte ergänzen, um Schlüsselgelände sperren zu können. Vernetze vorbereitete Sperren werden sich bei Bedarf auch auf Distanz schnell aktivieren und wieder deaktivieren lassen. Denkbar ist ebenso, dass mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete Sperren die Bewegungen eigener Truppen oder gar unbeteiligter Zivilbevölkerung erkennen und diese unbehelligt lassen, sollten sie unbeabsichtigt in gesperrte Geländeabschnitte geraten.
Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) kann unter anderem die Auswertung der auf dem digitalisierten Gefechtsfeld erzeugten großen Datenmengen erleichtern. Ebenso kann es dem Truppenführer die Entscheidungsvorbereitung erleichtern. In vernetzten multinationalen Operationen gilt es freilich zu bedenken, dass die KI der Partnernationen auf andere Parameter hinsichtlich Führungsphilosophie, Lagebewertung und weiteren Standards zurückgreift und ggf. abweichende Ergebnisse liefert.
Kontrovers wird der Einsatz von KI in Bezug auf den Waffeneinsatz betrachtet. Nach derzeitiger Bewertung der Bundeswehr und anderer Streitkräfte erfordert der völkerrechtskonforme Einsatz autonomer Waffensysteme grundsätzlich das „Human in the Loop-Prinzip“: Die Entscheidung zur Feuereröffnung trifft demnach ein Mensch und keine KI-gesteuerte Maschine. Anders sieht es bei einem Kampf Maschine gegen Maschinen aus, beispielsweise wenn ein Flugbabwehrsystem Drohnenschwärme oder Cruise Missiles bekämpfen muss. Hier ist ein vollautonomer Waffeneinsatz denkbar.
Ausblick
Digitalisierung endet nie! Doch gerade auf der Ebene des Einzelschützen – und nicht nur dort – wird sie sich weiterhin mit zahlreichen profanen Fragen verbinden: Wie und mit welchen Geräten interagiere ich mit dem Netzwerk und dem Führungssystem? Was wiegt mein entsprechendes Equipment? Kann ich mich auf mein taktisches Verhalten und die Waffenanwendung konzentrieren oder überfordert mich schon die bloße Bedienung dieser Geräte oder gar die generierte Informationsflut? Wie erkenne ich, wenn Gegner in das Netzwerk eindringen konnten und dort zum einen Informationen gewinnen und zum anderen Fehlinformationen verbreiten? Und was passiert, wenn mir der Saft ausgeht? Menschliche Kreativität und Intelligenz bleiben also auch für den einzelnen Kämpfer auf dem vernetzten digitalisierten Gefechtsfeld der Zukunft gefordert.
Dr. Jan-Phillipp Weisswange, OTL d. R. in der Heeresaufklärungstruppe, arbeitet hauptberuflich als stellv. Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der wehrtechnischen Industrie. Dieser Artikel gibt seine persönliche Meinung wieder.