StartBewaffnungSelbstfahr-Haubitze 2S22 Bohdana: ukrainisches Erfolgsmodell

Selbstfahr-Haubitze 2S22 Bohdana: ukrainisches Erfolgsmodell

Obwohl alle Welt vom Drohnenkrieg in der Ukraine spricht, spielt konventionelle Artillerie – oder der Mangel daran – noch immer eine entscheidende Rolle in der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg. Ein zunehmend wichtiger Part kommt dabei der im eigenen Land produzierten Selbstfahr-Haubitze S22 Bohdana zu. Dabei handelt es sich um ein 155-mm-Geschütz mit 52 Kaliberlängen, das ursprünglich auf das 6×6-LKW-Fahrgestell KrAZ-63221 gesetzt wurde. Mittlerweile gibt es auch Varianten auf Fahrgestell MAZ, Tatra 815-7 und Tatra Phoenix.

Das Modell der einheimischen Produktion auf verschiedenen verfügbaren Fahrgestellen, weitgehend finanziert durch Dänemark, stellt einen pragmatischen Ansatz zur Stärkung der ukrainischen Artillerie dar. Bei Kriegsbeginn verfügte das Land praktisch ausschließlich über ehemalige sowjetische Typen. Deren Einsatz ist seither nicht nur durch Materialverluste, sondern auch den Aufbrauch von Munitionsvorräten und begrenzten Nachlieferungen aus in- und ausländischer Produktion zurückgegangen.

Übergang zum Kaliber 155 mm

Die Nutzung von Geschützen im NATO-Kaliber 155 mm eröffnete zusätzliche Quellen, obwohl sich auch die westliche Munitionsproduktion weiterhin im Ausbau befindet, um den gewaltigen Verbrauch im Frontgeschehen decken zu können. Dazu lieferten vor allem NATO-Länder eine breite Palette verfügbarer Typen, was jedoch zu einem logistisch ungünstigen „Zoo“ aus begrenzten Stückzahlen verschiedener Geschütze führte. Unter den Bedingungen hochintensiver Kriegführung zeigte sich zudem rasch deren Tauglichkeit, oder eben nicht.

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So erlitt herkömmliche gezogene Artillerie wie die schnell in großen Stückzahlen gelieferte amerikanische M777 erhebliche Verluste durch Counterbattery-Feuer und Drohnen. Mobile Systeme wie die deutsche Panzerhaubitze 2000 und die französische Caesar fuhren hier aufgrund von besserem Schutz und Beweglichkeit im wahrsten Sinne des Wortes besser, erforderten unter den Bedingungen des ukrainischen Gefechtsfelds aber intensive Wartung, die nur begrenzt vor Ort geleistet werden konnte.

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Vom Bohdana-Prototyp zur Kriegsproduktion

So überschritten die PzH 2000 mit ihrem automatischen Lader regelmäßig bei weitem den vorgesehenen täglichen Munitionsverbrauch, was zu schnellem Verschleiß führte. Da auch Ersatzteile nur begrenzt vorhanden waren und umfassende Instandsetzungsmaßnahmen in Litauen stattfinden mussten, reduzierte sich die Verfügbarkeit entsprechend. Auch von der Caesar hieß es unter ukrainischen Artilleristen beim Einsatz unter den fordernden örtlichen Bedingungen: „Die Dame braucht viel Aufmerksamkeit.“

Die 2S22 Bohdana ist eine Vorkriegsentwicklung, die erstmals 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Bis Kriegsbeginn durchlief der Prototyp Erprobungen, eine Serienproduktion erfolgte jedoch vorerst nicht. Nach der russischen Vollinvasion sollte das einzige Exemplar zunächst zerstört werden, kam dann jedoch zum Fronteinsatz. Anfang 2023 ging der Typ schließlich doch mit anfänglich sechs Stück pro Monat in Produktion. Bis Juli 2024 wurden nach ukrainischen Angaben bereits über 80 hergestellt.

Bohdana bei der Erprobung 2021
Bohdana bei der Erprobung 2021. (Foto: Sergej Woronkow)

Die Rolle Dänemarks

Eine wichtige Rolle übernahm Dänemark, das mittlerweile nach Anteil der Wirtschaftsleistung zusammen mit Estland an der Spitze der Unterstützerstaaten für die Ukraine liegt – insbesondere bei der Artillerie. Unter anderem übergab es 2023 seinen gesamten gerade erst bestellten Bestand von 19 Caesar an das Land. Ab 2024 übernahm es die Finanzierung der Bohdana-Produktion durch Rückgriff auf die Zinsen von russischen Geldern, die in dänischen Banken eingefroren worden waren, sowie weiteren Quellen im Inland und von Partnern wie Norwegen, Schweden, Island und Kanada.

Insgesamt betrug der Umfang im ersten Jahr rund 570 Millionen Euro, davon 400 Millionen aus Zinsen eingefrorener russischer Gelder. Nach einem kürzlichen Abkommen mit der EU, die 2024 ebenfalls die Nutzung dieses Modells zur Unterstützung der Ukraine beschloss, soll sich dieser Anteil im laufenden Jahr auf 830 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Ende 2024 war die Monatsproduktion der Bohdana auf 20 erhöht worden und sollte bis Ende April weiter auf 36 gestiegen sein. Damit dürfte der Typ einen großen Teil der ukrainischen Produktion von 154 Artilleriesystemen im letzten Jahr ausmachen.

Bohdana kann alle NATO-Standardtypen von 155-mm-Geschossen verschießen und erreicht mit Base-bleed-Geschossen eine Schussweite von 42, mit nachbeschleunigten Geschossen 50 Kilometer. Die Feuergeschwindigkeit beträgt sechs Schuss pro Minute. Das System führt 20 Schuss Bereitschaftsmunition mit, die gegen Handwaffenbeschuss und Splitter geschützte Kabine nimmt die fünfköpfige Besatzung auf. Die Masse beträgt 28 Tonnen.

Stefan Axel Boes