Die polnische Beschaffungsbehörde hat am vergangenen Freitag bekannt gegeben, dass sie den Prozess zum Erwerb von 32 Hubschraubern des Typs Sikorsky S-70i Black Hawk gestoppt habe. Grund sei eine Neubewertung von Prioritäten angesichts des Ukrainekrieges. Der stellvertretende Verteidigungsminister Pawel Beja erklärte auf X, dass gegenwärtig die geopolitische Situation, der Krieg in der Ukraine und russische Beschaffungen vom polnischen Generalstab, Piloten und Experten bewertet würden. Grundlage der Entscheidung sei der Bedarf der Streitkräfte.

Polen hatte erstmals 2018 einen Auftrag für zwei S-70i erteilt, um die alten Mil Mi-2 (Lizenzfertigung durch PZL) seiner Polizei abzulösen. Dabei handelt es sich um die „internationale“ Version des Black Hawk, die bei der polnischen Sikorsky-Tochter PZL Mielec endmontiert wird und neben militärischen Kunden wie den Philippinen in der Version Firehawk auch als Löschhubschrauber an mehrere Feuerwehren in den USA geliefert wurde. 2019 folgte eine weitere Order für acht Maschinen zum Einsatz bei den polnischen Spezialkräften, die bis 2024 ausgeliefert wurden. 2023 tauchten Bilder von zwei S-70i im Dienst des ukrainischen Geheimdienstes GUR auf.
Diverse polnische Hubschrauberflotte
Im gleichen Jahr startete Polen das Beschaffungsverfahren für 32 weitere Black Hawk. Bereits 2022 hatte das Land auch 32 AugustaWestland (jetzt Leonardo) AW149 zur Lieferung bis 2029 bestellt, die wiederum zum größten Teil bei Leonardos polnischer Tochter PZL Swidnik produziert werden. Die erste dort hergestellte Maschine verließ die Montagelinie in diesem Februar, nachdem bereits acht von Leonardo ausgeliefert wurden. Die AW149 sollen die noch vorhandenen 46 leichten PZL Mi-2 und einen Teil der 38 PZL W-3 bei den polnischen Heeresfliegern ablösen.
Die Black Hawk waren dagegen für die Nachfolge der 27 mittleren Transporthubschrauber Mi-8 beziehungsweise Mi-17 vorgesehen. Die Luftwaffe betreibt weitere 17 Mi-2, elf Mi-8/17 und fünf W-3. Auch bei der Marine sind noch drei Mi-2 und acht W-3 in Dienst. Mit dem Erwerb von zwei Fregatten der Oliver-Hazard-Perry-Klasse aus Beständen der U.S. Navy wurden auch vier Bordhubschrauber vom Typ Kaman SH-2G Super Seasprite beschafft, während die landgestützten U-Jagd-Hubschrauber Mi-14 durch vier AgustaWestland AW101 Merlin ersetzt werden.
Zu wenig Leistungsvorsprung beim Black Hawk?
Teil der umfassenden Modernisierung ist schließlich ein exorbitanter Auftrag über 96 Kampfhubschrauber Boeing AH-64E Apache, die zwischen 2028 und 2032 die noch etwa 18 vorhandenen Mil Mi-24 ablösen sollen. Übergangsweise sollen acht AH-64D geleast werden. Auswirkungen der jetzigen Entscheidung zum Black Hawk auf die bereits geschlossenen Verträge sind nicht bekannt. Die genannten Gründe hierfür lassen allerdings erheblichen Interpretationsspielraum.

Der Verweis auf den Ukrainekrieg legt nahe, dass angesichts der Entwicklung unbemannter Systeme und der lebensfeindlichen Umgebung für Hubschrauber dort die Rolle des bemannten Drehflüglers insgesamt neu bewertet wird. Zwar hat die NATO in ihren neuen Minimum Capability Requirements Berichten zufolge eine Erhöhung von 90 auf 104 Hubschrauberverbände im Bündnis gefordert. Möglicherweise erwägt man aber eine größere Standardisierung der Flotte, zumal der AW149 mit einem maximalen Startgewicht von 8,6 Tonnen dem Black Hawk mit etwa zehn Tonnen doch schon recht nahe kommt.
Mögliche politische Hintergründe
Dafür könnten auch Kostengründe sprechen, nachdem man sich mit der großen Apache-Bestellung einen erheblichen Posten ins Ausgabenbuch geschrieben hat. Eher unwahrscheinlich scheint angesichts der traditionellen Nähe Polens zu den USA, dass man sich aufgrund der Irritationen im transatlantischen Verhältnis und den Zweifeln an der amerikanischen Bündnistreue unter der Regierung Donald Trump in der Beschaffung grundsätzlich umorientieren will.
Bislang haben polnische Regierungen unabhängig von der politischen Ausrichtung eher versucht, die USA durch zusätzliche Ausgaben stärker an sich zu binden. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, das es sich so kurz nach der Wahl des rechtskonservativen Präsidentschaftskandidaten Karol Nawrocki um ein innenpolitisches Manöver der Mitte-links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk handelt.
Stefan Axel Boes