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Hirtenberger Kommandomörser für die Nutzung in der niederländischen Heeres- bzw. Marineinfanterie und Spezialkräften freigegeben

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Wie einem Beitrag der im Juni 2019 erschienen Informationszeitschrift Materieelgezien des niederländischen Beschaffungsamtes  “Defensie Materieel Organisatie‘‘ (DMO) zu entnehmen ist, wurden die beschafften M6 C-640 Mk1 Kommandomörser mit der dazu passenden Munition qualifiziert und für die Nutzung in der Truppe freigegeben. Die Nutzung des Kommandomörsers des österreichischen Herstellers Hirtenberger Defence Europe soll in den Infanterieverbänden des niederländischen Heeres, dem Korps Mariniers (Marininfanterie) und dem Korps Kommandotroepen (Spezialkräfte) erfolgen.

Das Funktionsprinzip eines Kommandomörsers ist denkbar einfach. Nach Einstellung der Entfernung zum Ziel und des verwendeten Munitionstyps am Richtmittel des Mörsers, muss die Patrone ins Rohr eingeführt werden. Nach Ausrichtung des Mörsers mittels einer Libelle (Höhen- und Seitenneigung) erfolgt der Abschuss durch Betätigung des Abzugsmechanismus. Auf der DSEi 2017 stellte Hirtenberger mit dem GRAM ein elektronisches Richtmittel vor, mit dessen Hilfe sowohl Treffgenauigkeit als auch effektive Kampfentfernung eines Kommandomörsers gesteigert werden können. Darüber hinaus ermöglicht GRAM den Einsatz des Kommandomörsers im indirekten Richten.

Beschaffung und Qualifizierung

Bereits 2015 sind 155 Kommandomörser unter Vertrag gegangen, die Qualifizierung der Munition wurde durch Hirtenberger 2018 abgeschlossen und Anfang 2019 durch DMO mit Unterstützung der niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO) freigegeben.

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Das niederländische Beschaffungsprogramm, ähnlich der noch andauernden Beschaffung eines 60-mm-Mörsers für die Bundeswehr, hat sich äußerst langwierig gestaltet. Nachdem die nun ausgerüsteten Verbände bereits 2011 ihre Notwendigkeit für einen neuen tragbaren Mörser bekundet haben – die in Nutzung befindlichen Systeme stammen aus den 1960ern – führten mehrere Verzögerungen dazu, dass die neuen Systeme erst vor kurzem der Truppe zur Verfügung gestellt werden konnten.

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Die ursprüngliche Projektdauer, so ist dem Bericht zu entnehmen, wurde auf drei Jahre geschätzt: Ein Jahr für die Ausschreibung (einschließlich Vertragsunterschrift), neun Monate Munitionsproduktion und danach anschließend ein bis eineinhalb Jahre Qualifizierung der Munition in Verbindung mit der Waffe. Letztere wurde erst 2019 durch die Niederlande freigegeben, d.h. ab dann ist das System Waffe/Munition als qualifiziert anzusehen und darf in Verwendung gehen. Die Gründe für die Verzögerung sind wohl in der besonderen Akribie der 60-mm-Qualifizierung zu finden.

Unterzeichnung 60 mm Rahmenvertrag Niederlande
Der Rahmenvertrag über die Lieferung der 60-mm-Mörsermunition wurde zwischen der DMO und Hirtenberger am 14. April 2019 unterzeichnet. (Foto: DMO)

Martin Perka, der für die Niederlande zuständige Vertriebsmanager bei Hirtenberger, verweist darauf, „dass auf eine erfolgreiche Systemqualifizierung, nach dem Tod zweier niederländischer Soldaten, wesentlich geachtet wurde. Daher kam es dann auch erst Anfang 2019 zu der Freigabe des Systems, da mehrere Prüfungsinstanzen und Freigabeschritte seitens DMO notwendig wurden.“ In der nun durchgeführten Qualifizierung wurden die Munitionssorten „auf Herz und Nieren geprüft“ und IM-qualifiziert (Insensitive Munition). Die TNO unterstützte die Herstellerfirma und die DMO bei der Qualifizierung der einzelnen Munitionssorten. Die in dem Prozess gesammelten Erfahrungen sollen bei künftigen Munitionsbeschaffungen der niederländischen Streitkräfte genutzt werden. Die DMO gibt an, den Qualifizierungsprozess von Explosivstoffen bei der Planung neuer Beschaffungsvorhaben in Zukunft deutlich stärker berücksichtigen zu wollen. Der Direktor des DMO, Vizeadmiral Arie Jan de Waard, lobt das Engagement und die Hartnäckigkeit des Projektteams für die Beschaffung dieser Waffe. „Es ist gut, dass die Waffe jetzt verfügbar ist und dass der Benutzer mit der Qualität des Systems zufrieden ist.“

Munitionsunfall in Mali 2016

Im Herbst 2017 hatte der niederländische Untersuchungsrat für Sicherheit (OVV) einen Untersuchungsbericht zum Umfall im Juli 2016 veröffentlicht, in dem zwei Soldaten gestorben sind und ein weiterer Soldat schwer verletzt wurde. Sie waren bei einer Übung in Kidal im Nordwesten Malis durch die plötzliche Explosion einer 60-mm-Mörserpatrone getötet worden. Die in dem Bericht aufgedeckten Mängel führten zum Rücktritt der damaligen niederländischen Verteidigungsministerin Jeanine Hennis und dem Befehlshaber der niederländischen Streitkräfte General Tom Middendorp.

Der OVV-Bericht machte „schwere Mängel“ im Zusammenhang mit der Beschaffung der Mörsermunition für den Tod der Soldaten verantwortlich. Die Munition wurde 2006 mit Hilfe des US-Verteidigungsministeriums unter Zeitdruck beschafft. Dabei hatte es das niederländische Verteidigungsministerium versäumt, umfassende eigene Kontrollen vorzunehmen und sich stattdessen auf die Angaben der US-Streitkräfte verlassen. Schlussendlich habe Feuchtigkeit in die Mörserpatronen eindringen können, so dass diese in Verbindung mit der in Mali herrschenden Hitze instabil und empfindlich gegenüber Erschütterungen geworden sind.

Akzeptanz des Kommandomörsers in den Streitkräften

Die Erstausbildung am Hirtenberger M6 C-640 Mk1 Kommandomörser wurde durch die Firma übernommen. Sechs Ausbilder der niederländischen Streitkräfte wurden an dem System geschult und haben darauf basierende und mit niederländischen Einsatzgrundsätzen sowie Sicherheitsbestimmungen korrespondierende Ausbildungskonzepte entwickelt.

Die Nutzer zeigen sich überzeugt von der einfachen Handhabung und der Leistungsfähigkeit des Kommandomörsers. Sergant Major Martin Mulder (Korps Mariniers) – Ausbildungsleiter für die 60-mm-Mörserausbildung in der niederländischen Schule für indirektes Feuer – wird folgendermaßen zitiert:  „Ich bin beeindruckt. Du kannst sehr genau bis zu 1500 Meter feuern und die Wirkung übertrifft die Erwartungen. Wirklich ein beeindruckendes Waffensystem. Vor allem, wenn es darauf ankommt, sehr effektiv. Eine kleine Gruppe kann diese 60-mm-Mörser dazu verwenden, um den Feind niederzuhalten und von der Verwendung schwerer Waffen abzuhalten. Alles in allem können wir mit diesen Mörsern sehr zufrieden sein.“

Niederländische Marineinfanteristen schießen mit dem neuen 60 mm Kommandomörser. (Video: MOD Niederlande)

Beschaffungsvolumen

Insgesamt wurden 155 Kommandomörser beschafft und ein Rahmenvertrag für die Munitionslieferung mit einer Laufzeit von fünf Jahren geschlossen. Bei Bedarf kann der Vertrag um weitere zwei Jahre verlängert werden. Die eingeführten und qualifizierten insensitiven Munitionssorten in der Standardausfertigung sind:

  • Sprengpatrone mit Aufschlagszünder (mit und ohne Verzögerung),
  • Sprengpatrone mit Annährungszünder,
  • Nebelpatrone (roter Phosphor),
  • Leuchtpatrone und
  • Leuchtpatrone (IR).
M6 C-640 Mk1 Kommandomörser
Hersteller Hirtenberger
Kaliber 60 mm
Länge ·         87 cm (gesamt)

·         64 cm (ballistisch)

Gewicht ·         6,4 kg (kleine Bodenplatte)

·         8,1 kg (große Bodenplatte)

Gewicht Munition 1,8 kg
Kampfentfernung bis zu 1.500 m (effektiv)
Schussfolge 15 Schuss / Minute
Truppstärke Zwei Soldaten
Nutzer ·         Infanterieverbände des niederländischen Heeres

·         Korps Mariniers

·         Korps Commandotroepen

Waldemar Geiger