StartBewaffnungSammler: Loitering Munition im Ukrainekrieg

Sammler: Loitering Munition im Ukrainekrieg

Kristóf Nagy

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Loitering Munition ist kein neues Wirkmittel, dennoch wurde dieser Wirkmitteltyp der breiten Öffentlichkeit erst durch den Krieg 2020 um Berg Karbach bekannt. Genau wie bei Drohnen sind Lotering Munitonen in unterschiedlichen Größen, Fähigkeiten und Leistungsparametern verfügbar. Kleinstversionen können aus 40-mm-Granatwerfern oder leichten tragbaren Startbehältern verschossen werden. Am anderen Ende des Spektrums stehen vom Fahrzeug transportierte und gestartete Wirkmittel mit Flugzeiten von deutlich über einer Stunde und der Fähigkeit Kampfpanzer zu jeder Tageszeit sowie schlechten Witterungsbedingungen erfolgreich bekämpfen zu können.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Ankündigung der Lieferung solcher Systeme an die Ukraine ein großes Medienecho verursacht hat. Zudem sind zahlreiche Berichte, Fotos und Videos – zumeist über soziale Medien verfügbar – welche die Wirksamkeit aber auch Probleme mit dem Einsatz dieser Waffensysteme belegen.

Die hier zusammengestellte Liste führt alle zum jetzigen Zeitpunkt nachweislich im Kriegsgebiet eingesetzte Typen von Loitering Munition inklusive einer Kurzbeschreibung auf. Die Liste wird sukzessive weitergeführt.

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Loitering Munition der ukrainischen Streitkräfte

Die ukrainischen Streitkräfte haben das Potential von Loitering Munition bereits seit geraumer Zeit erkannt und auch Beschaffungen angestoßen. Auch die einheimische Industrie hat den Bedarf erkannt und entsprechende Entwürfe präsentiert. Als Beispiel seien hier die ST-35 Silent Thunder, oder die von UKRJET wenige Tage vor Kriegsbeginn präsentierte UJ-32 LASTIVKA bzw. UJ-31 ZLYVA. Ob diese Wirkmittel jedoch unter den Aktuellen Bedingungen überhaupt gefertigt werden können ist unklar. Auch ein Beleg für den Einsatz dieser Waffen ist  bis jetzt nicht auffindbar gewesen, sodass sie in der Liste nicht aufgeführt werden.

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Warmate

Die Warmate Loitering Munition des polnischen Herstellers WB Electronics ist seit 2017 bei der eigenen Armee eingeführt. Im gleichen Jahr begann auch die Kooperation mit dem ukrainischen Hersteller CheZaRa mit dem Ziel ein Wirkmittelkomplex mit der Bezeichnung Sokil auf Grundlage des geschützten Radfahrzeuges Varta. Medienberichten zufolge war die Integration bis Ende 2021 erfolgreich abgeschlossen, eine offizielle in Dienst Stellung stand jedoch noch aus. Dennoch sind Warmate Wirkmittel seit dem April 2022 mehrfach im Ukrainekrieg dokumentiert worden. Es ist auch wahrscheinlich, dass die Bestände im Laufe des Krieges durch polnische Lieferungen erneut ergänzt wurden.

  • Reichweite Steuerung / Flugzeit: 30 km / 70 Minuten
  • Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h
  • Marschgeschwindigkeit: 80 km/h
  • Gefechtskopf: HE Sprengkopf/ Thermobarischer Sprengkopf/ Hohlladungssprengkopf

Switchblade 300

Mitte März 2022 wurde bekannt, dass die USA im Rahmen eines 800 Millionen Dollar Hilfspaketes die ersten 100 Systeme der Switchblade Loitering Munition an die Ukraine lieferte. Seit dem wurde weitere Lose dieses Wirkmittels im Rahmen weiterer Waffenlieferungen übergeben. Die Switchblade 300 ist seit 2011 bei den US-Streitkräften eingeführt und ist im Irak, Afghanistan und Syrien erfolgreich eingesetzt worden. Auch die deutlich größere, auf die Panzerabwehr spezialisierte Switchblade 600 ist seitens der US-Regierung geplant und nach Aussagen des Pentagon auch finanziert. Eine tatsächliche Auslieferung scheint aber bis jetzt nicht erfolgt zu sein.

  • Reichweite Steuerung / Flugzeit: 10 km / 15 Minuten
  • Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h
  • Marschgeschwindigkeit: ubekannt
  • Gefechtskopf: HE Sprengkopf

Phoenix Ghost

Die zweite der Ukraine von den USA im Rahmen eines Hilfspaketes geleiferte Loitering Munition ist die Phoenix Ghost. Über das vom US-Unternehmen Aevex Aerospace im Auftrag der US-Luftwaffe entwickelte Wirkmittel ist nur wenig bekannt. Auch die technischen Parameter sind noch nicht veröffentlicht. Dem vernehmen nach ist die Loitering Munition jedoch mit einem Hohlladungsgefechtskopf zur Bekämpfung von mittleren gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet, was eine Auslegung als Starrflügler nahe legt.

  • Reichweite Steuerung/ Flugzeit: unbekannt
  • Höchstgeschwindigkeit: unbekannt
  • Marschgeschwindigkeit: unbekannt
  • Gefechtskopf: Vermutlich Hohlladung

RAM II

Die RAM II des ukrainischen Unternehmens DEVIRO basiert auf der Leleka-100 Aufklärungsdrohne des gleichen Herstellers. Die Loitering Munition wurde bereits vor dem Ukrainekrieg für den Export angeboten, aber erst jetzt veröffentlichten die ukrainischen Streitkräfte ein Video, welches den Einsatz der RAM II im laufenden Konflikt bestätigt.
Angetrieben von einem vergleichsweise leisen Elektroantrieb nutzt die RAM II das gleiche Startkatapult wie die Leleka-100. Das Wirkmittel mit einer Spannweite von 2,3 m kann mit unterschiedlichen Gefechtsköpfen bis zu einem Gewicht von 3 kg ausgestattet werden. Laut Hersteller ist die RAM II in der Lage eine Flugstrecke von 100 km zurückzulegen, wobei die Funkverbindung nur bis zu einer Entfernung von maximal 30 km zur Bodenstation gewährleistet sei.

  • Reichweite Steuerung / Flugzeit: 30 km / 55 Minuten
  • Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h
  • Marschgeschwindigkeit: 70 km/h
  • Gefechtskopf: HE/ HEAT/  thermobarer Sprengkopf

Russische Loitering Munition

Die Nutzung von Loitering Munition wird von russischer Seite kaum medial begleitet. So sind die Erkenntnisse über die eingesetzten Mittel hauptsächlich auf erbeutete Systeme oder deren Überreste nach dem Einsatz beschränkt. Im letzteren Fall sind die immer wieder auftauchenden Blindgänger überaus aufschlussreich. Neben der Aufgeführten Variante ist zu vermuten, dass auch Lancet 1 bzw. Lancet 3 Wirkmittel zum Einsatz kommen könnten. Die Lancet Loitering Munition Familie wurde von russischer Seite bereits im Syrienkonflikt erprobt. Ein klar dokumentierter Fall in der Ukraine ist bis jetzt jedoch nicht bekannt geworden.

KUB-BLA

Die KUB-BLA ist ein Produkt des Kalashnikov Konzerns und wurde 2019 auf der IDEX in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum ersten Mal vorgestellt. Entwickler und Hersteller ist das auf unbemannte Luftfahrzeuge spezialisierte Unternehmen Zala Aero. International wird sie vom Staatskonzern Rostec vermarktet. Dem Hersteller zufolge ist die Loitering Munition mit einer Spannweite von 1,2 m mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattet, welche die Daten der eigenen Sensoren verarbeiten und selbstständig ein Ziel auswählen kann. International ist diese Praxis wegen der fehlenden Kontrolle durch einen menschlichen Bediener (Human in the loop) stark umstritten. Zudem sind im Laufe des Ukraine Krieges mehrere KUB-BLA aufgefunden worden, welche offenkundig Zündversager aufweisen, was Zweifel an der Zuverlässigkeit des Systems aufkommen lässt.

  • Reichweite/ Flugzeit: 30 Minuten
  • Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h
  • Marschgeschwindigkeit: 80 km/h
  • Gefechtskopf: 3kg HE Sprengkopf

Shahed-136 / Geran-2

Die russischen Streitkräfte setzen seit Mitte September erstmalig aus iranischer Fertigung stammende Loitering Munition des Typs Shahed-136 ein. Shahed bedeutet auf Farsi Zeuge, jedoch scheinen die Wirkmittel in russischen Diensten die Bezeichnung M214 Geran-2 zu tragen, wie auf Überresten der Systeme zu erkennen ist. Dies könnte Medienberichten zufolge auf eine speziell für russische Bedürfnisse abgestimmte Version sprechen. Die Entwicklung der Shahed-136 begann 2011 und basiert auf den Erkenntnissen aus einer seitens Iran erbeuteten US RQ-170 Drohne. Auch die iranischen Fachleute führten ihre Konstruktion ebenfalls als Nurflügler aus und platzierten eine zweiblättrige Luftschraube am Heck. Die Shahed-136 ist mit einem Startgewicht von etwa 200 kg und einer Spannweite von über 3,6 m recht groß und verfügt über einen Gefechtskopf im Bug. Der Start erfolgt mit Hilfe abwerfbarer Feststoffraketen. Über die Leistungsparameter der Shahed ist nur wenig bekannt. Der iranische Hersteller HESA gab in einer Mitteilung die Reichweite mit 2000 km an. Ob dies jedoch tatsächlich der Fall ist, wird von westlichen Beobachtern des iranischen Drohnenprogramms bezweifelt.

• Reichweite Steuerung / Flugzeit: unbekannt

• Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h

• Marschgeschwindigkeit: unbekannt

• Gefechtskopf: HE Sprengkopf eventl. auch Hohlladungssprengkopf

Shahed-131 / Geran-1

Die iranische Shahed-131 Loitering Munition, welche offenkundig in russischen Diensten als Geran-1 bezeichnet wird, wurde bereits Ende September von den ukrainischen Streitkräften identifiziert. Aber erst jüngst tauchten öffentlich zugängliche Bilder auf, welche den Einsatz des Wirkmittels gegen die Hauptstadt Kiew zweifelsfrei dokumentieren. Die Shahed-131 ist als Delta-Nurflügler mit einer Luftschraube im Heck ausgelegt. Bei einer Starmasse von 135 kg beträgt die Spannweite 2,2 m bei einer Länge von 2,6 m. Der Gefechtskopf wird von westlichen Experten auf 10 bis 15 kg geschätzt. Die einfache Trägheitsnavigation erlaubt der Shahed-131 genauso wie der größeren Shahed-136 den Anflug auf ein vorgegebenes Ziel auch ohne GPS Empfang, jedoch mit einer eingeschränkten Präzision. Die vom Hersteller angegebene Reichweite von 900 km kann unabhängig nicht bestätigt werden.

  • Reichweite Steuerung / Flugzeit: unbekannt
  • Höchstgeschwindigkeit: unbekannt
  • Marschgeschwindigkeit: unbekannt
  • Gefechtskopf: HE Sprengkopf eventuell auch Hohlladungssprengkopf

Kristóf Nagy