Der im deutschen Sprachraum verwendete Begriff des Brückenlegepanzers findet im militärischen Englisch mit dem Kürzel AVLB (Armored Vehicle-Launched Bridge) sein Gegenstück. General Dynamics European Land Systems (GDELS) hat nun während des Combat Engineer Symposium in Warschau das Konzept eines Brückenlegers vorgestellt, welches einen Traktor vom Typ FENDT 900 mit der Fähigkeit kombiniert, die Gefechtsfeldbrücke COBRA zu verlegen. Damit könnte das Akronym AVLB auch eine neue Fahrzeuggattung beschreiben: AGRICULTURAL Vehicle-Launched Bridge.

Dieses Konzept leitet sich aus der systematischen Analyse des militärischen Nutzerpotentials für Großtraktoren durch FENDT Defence im Verbund mit der Brückenkompetenz von GDELS und unter Berücksichtigung militärisch relevanter Geodäsiedaten ab.
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts haben sowohl Frankreich, Großbritannien als auch Deutschland modulare Brückensysteme entwickeln lassen. Allen drei Systemen lagen die Erkenntnisse zugrunde, dass 60% der natürlichen Hindernisse in Europa weniger als acht, weitere 20% nicht mehr als 18 m breit sind. Mit einer 26-m-Brücke sind weitere 10% der in Europa vorkommenden natürlichen Hindernisse zu überwinden. Die genannten Zahlen sind Circa-Werte.
Dieser Denkansatz spiegelt sich mit der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung im Zahlenspiel von Generalleutnant a.D. Todd Semonite, ehemaliger Kommandeur des US Army Corps of Engineers, wider. Besonders akut ist die Herausforderung in der Region ostwärts von Deutschland – bis hin ins Baltikum. Alleine auf dem Weg nach Estland sind sechs große Flüsse (Donau, Wolga, Rhein, Elbe, Oder und Dnjepr) zu queren, mit mehr als 4.500 Brücken, von denen 800 länger als 100 m sind. Wenn nur ein Prozent dieser Brücken beschädigt – nicht zerstört – würde, wären laut Generalleutnant a.D. Semonite 5.500 Meter militärische Brücken erforderlich, um sie zu ersetzen. Aber viele Nationen haben in den vergangenen Jahren hier Kapazitäten abgebaut, die jetzt langsam wieder aufgebaut werden (müssen).
Die Panzerschnellbrücke 2 (PSB 2), das französische Système de pose rapide de travure (SPRAT) und das britische Modular Bridging System (MBS) waren bzw. sind komplexe Brückenlegesysteme. Diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie aus Brückensegmenten bestehen, welche einzeln oder gekoppelt verlegt werden können.
Für die SPRAT wurde ein 10×10 Sonderfahrgestell entwickelt, welches über zwei koppelbare Brückenmodule mit einer Länge von jeweils 14 m verfügt. Werden diese beiden Module gekoppelt, wird eine Brückenlange von 26 m erreicht. Als Zeitbedarf für die Verlegung eines Brückenmodules gibt der Hersteller acht Minuten, für die beiden gekoppelten Module circa zehn Minuten an.

Es wurden zehn Fahrzeuge zwischen 2011 und 2013 ausgeliefert. Bis heute sind die Pioniere des französischen Heeres die einzigen Nutzer.
Das britische Modular Bridging System, auch als BR 90 bekannt, nimmt für sich in Anspruch, das Brückensystem zu sein, welches die größte Brückenlänge, die höchste Flexibilität und die kürzesten Verlegezeiten vereint. Die „Bridge No.10“, eine 26-m-Scherenbrücke, kommt wie die „Bridge No.11“ als Gefechtsfeldbrücke oder in Kombination mit anderen Brückenelementen als Logistikbrücke zum Einsatz. Die „Bridge No.12“ wird ausschließlich als Gefechtsfeldbrücke eingesetzt und mittels des Brückenlegepanzers TITAN verlegt.

Britischer Brückenlegepanzer TITAN mit zwei Brücken No.12 mit je 13,5 m Länge. (Foto: NATO efP Estland)
Die PSB 2 nutzte das Fahrgestell des LEOPARD 2 und verfügte über drei Brückenmodule mit jeweils 9,70 m Länge, so dass eine maximale Brückenlänge von 27,70 m erreicht werden konnte.
2002 wurde der Prototyp an das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw – damals BWB) übergeben. Nachdem die geforderten Leistungsparameter nicht erreicht werden konnten, stellte des BAAINBw die Erprobung ein und begann 2009 mit der Erprobung des heute in Nutzung befindlichen Systems LEGUAN auf Leopard 2.


Mit LEGUAN bietet KNDS, ehemals KMW, das Gefechtsfeldbrückensystem mit der größten Anzahl von Nutzerstaaten an. Die Pioniere von 15 Armeen nutzen das System. LEGUAN ist in zwei Längen verfügbar – 14 m als Festbrücke und 26 m mit zwei koppelbaren Teilen. Das LEGUAN-System kann sowohl Ketten- als auch Radfahrgestelle (z.B. LKW 10×10 oder BOXER 8×8) nutzen. Beide Brückentypen werden im freien Vorbau verlegt.


Der amerikanische Brückenlegepanzer M1074 ist auf dem M1 Abrams-Chassis aufgebaut. Er trägt eine zweiteilige, 3,66 m breite Schnellbrücke von Leonardo DRS für Fahrzeuge bis zur militärischen Lastenklasse MLC 95. Die Klappscherenbrücke wird hydraulisch verlegt und kann Gewässer/Geländeeinschnitte bis 18 m Breite überbrücken. Aktuell werden von der U.S. Army 900, von Australien 18 Systeme, und von den Philippinen eine nicht bekannte Anzahl auf dem israelischen Panzer MERKAVA beschafft.
Die Frage, ob der freie Vorbau von SPRAT, LEGUAN und der ANACONDA von GDELS im Vergleich zur Scherenbrücke noch immer die Aufklärungswahrscheinlichkeit durch den Gegner relevant reduziert, muss durch Vertreter der Aufklärungstruppe beantwortet werden.
Wenig Verbreitung hat bisher die Lösung der FFG Flensburger Fahrzeugbau GmbH bezüglich des Überganges über Hindernisse gefunden. Fast schon spektakulär ist das Verlegen einer 12-m-Brücke mittels Baggerarm des Pionierpanzers WISENT 2. Mit Kanada, Katar, Norwegen, Ungarn und den Vereinigten Arabischen Emiraten nutzen bereits fünf Nationen dieses innovative, vielseitige Unterstützungsfahrzeug.
Pionierpanzer (PiPz) WISENT 2 verlegt 12-m-Gefechtsfeldbrücke mittels Baggerarm. Den WISENT 2 gibt es in den Varianten Bergepanzer (ARV) und Pionierpanzer (AEV). (Bild: FFG)Die bisher in diesem Artikel genannten Verlegefahrzeuge haben neben der Fähigkeit Gefechtsfeldbrücken zu verlegen eine weitere Gemeinsamkeit. Alle, ohne Ausnahme, sind Spezialfahrzeuge, welche in einer geringen Stückzahl gebaut wurden, und entsprechend kostenintensiv sind. Dies gilt sowohl für die Beschaffung als auch für die Nutzung, und setzt sich in den Ausbildungskosten für Bedien- und Instandsetzungspersonal fort.
Die Fähigkeit eine Brücke zu legen erweitert das Fähigkeitsspektrum eines Pioniermaschinenzuges. (Bild: FENDT/GDELS/Victorinox)Eine Alternative im Vergleich: Traktoren sind Großserienprodukte, die von Grund auf den täglichen Einsatz in Land- und Forstwirtschaft ausgelegt sind, und in allen Klimazonen eingesetzt werden.
In der Systembetrachtung nutzt die Verlegeeinrichtung dieselbe Schnittstelle wie Räumschild, Grabenfräse, Mulcher und die Vielzahl anderer Anbaugeräte, welche dem Großtraktor das breite Einsatzspektrum verleihen. Eine der Alleinstellungsmerkmale eines Traktors gegenüber allen anderen Verlegefahrzeugen ist die Rückfahreinrichtung (RüFa). Binnen weniger als einer Minute kann der Fahrer seinen Fahrerplatz um 180° drehen und ohne „Umdenken“ die Fahrt in die andere Richtung fortsetzen.

Diese traktorspezifische Besonderheit resultiert in der Fähigkeit, schnell und ohne Einweiser an die Verlegestelle heranzufahren, um damit die notwendige Zeit für den Übergang über das Hindernis möglichst gering zu halten.
Traktoren sind mit ungeschützter oder geschützter Kabine lieferbar. Eine weitere Option ist die Möglichkeit, das System mittels einer Funkfernsteuerung abstandsfähig zu bedienen. Kameras, auch nachtsichtfähig, und Fernbedienung sind in der Landwirtschaft bereits seit längerer Zeit integrale Bestandteile von Traktorsystemen.

Durch den Einsatz von einteiligen Gefechtsfeldbrücken mit einer Länge von bis zu 15 m können circa 70% aller in Mitteleuropa vorkommenden Hindernisse überwunden werden.

Skandinavische Schotterpisten: Kilometerlang ohne Wendemöglichkeit. (Foto: FIN Army)