Die Bundeswehr hat den ersten Kampfpanzer mit aktivem Schutz erhalten. KNDS Deutschland hat am Dienstag mit einem Rollout den ersten Leopard 2 A7A1 präsentiert, der mit dem aktiven Schutzsystem (Active Protection System, APS) Trophy ausgerüstet ist. Die Kollegen der Europäischen Sicherheit & Technik waren dabei.
Vor großer Kulisse aus Vertretern der Bundeswehr, an der Spitze Vizeadmiral Carsten Stawitzki, einer Delegation aus Israel und der Industrie stellte Ralf Ketzel, CEO von KNDS Deutschland, mit dem Rollout den neuen Spitzenpanzer der Leopard 2-Familie der Öffentlichkeit vor. „Wir demonstrieren, den großen Schritt, den wir in der Technologie mit dem Leopard gemacht haben und den großen Schritt in der Kooperation zwischen zwei Nationen. Der Leopard 2 steht immer für internationale Kooperation“, sagte Ketzel.
Stawitzki wünschte der Kampftruppe in Zukunft mit dem Waffensystem einen guten Erfolg. „Wir werden die Erfolgsgeschichte des Leo 2 weiterschreiben.“ Mit dem Panzer beginnt nach den abschließenden Firmentests die integrierte Nachweisprüfung. Ziel ist die Genehmigung zur Nutzung (GeNu), die für den Sommer 2025 angestrebt wird. Danach gehen die Leopard 2 A7A1 in die Truppe.
Mit dem APS Trophy erreicht der Leopard 2 A7A1 ein Schutzniveau, das die Überlebensfähigkeit des Panzers und seiner Besatzung – insbesondere gegen die aktuell gestiegenen Bedrohungen durch Panzerabwehrlenkraketen – deutlich steigert. Äußere Merkmale sind die auf dem Turm verteilten vier Radarantennen und zwei Werfer mit Trägerplattformen. Im Turm und in der Wanne sind die Steuerungseinheit mit Schnittstelle zur Feuerleitanlage mit dem Battlemanagement-System (BMS) und die Energieversorgung integriert.
Zentrales Merkmal des Leopard 2 A7A1: Trophy
Trophy besteht im Wesentlichen aus vier Komponenten. Flache AESA-Radarsensoren erfassen das Gefechtsfeld rund um den Panzer und stellen anfliegende Objekte dar. Die Auswerte- und Feuerleitelektronik klassifiziert die Objekte und bewertet, ob diese eine Bedrohung für den Panzer sind. Falls ja – und falls der Kommandant das APS scharf geschaltet hat –, werden die Wirkmittelwerfer auf das Ziel ausgerichtet und eine projektbildende Ladung (Multiple Explosively Formed Projectile, MEFP) als Gegenmaßnehme abgefeuert, die die Bedrohung in optimaler Entfernung so neutralisiert, dass am eigenen Fahrzeug kein wesentlicher Schaden entsteht. Vierte Komponente ist die Energieversorgung im dafür angepassten Panzerfahrgestell.
Entscheidendes Einsatzkriterium ist neben der Wirksamkeit die Sicherheit der automatischen Auslösung des Systems. Einerseits muss Trophy Bedrohungen sicher erkennen und die Gegenmaßnahme zuverlässig auslösen. Andererseits dürfen Fehlauslösungen nicht vorkommen. Der Wirkungsbereich der Gegenmaßnahme ist bei eingeschaltetem System der Gefahrenbereich, in dem sich grundsätzlich keine Personen aufhalten dürfen. Das Dilemma zwischen dem Schutz der Panzerbesatzung und der Gefährdung von Kräften in der Umgebung ist ein bedeutendes Thema in der Ausbildung der Panzerbesatzungen.
Durch Integration von Trophy in den Hauptrechner der Plattform und das BMS wurde die Fire-Source Location (FSL) realisiert, mit der der Standort der Bedrohung lokalisiert und an das BMS übergeben wird. Damit können Beobachtungsgeräte und Waffen zur unverzüglichen Bekämpfung automatisch auf die Bedrohung gerichtet werden.
Beschaffungsvertrag
Im Februar 2021 hat die Bundeswehr mit KNDS Deutschland – damals noch Krauss Maffei-Wegmann – die Herstellung und Lieferung von 17 Kampfpanzern Leopard 2 A7A1 und einen Versuchsträger zur Lieferung ab 2024 vereinbart. Das ist die Ausstattung für eine Panzerkompanie einschließlich einer Reserve. Parallel wurde mit Israel ein Regierungsvertrag zur Lieferung von Trophy Gerätesätzen, Munition und Sonderwerkzeugsätzen einschließlich Mess- und Prüfmitteln sowie Ausbildung abgeschlossen. Lieferant ist Rafael Advanced Defense Systems.
Die vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages dafür freigegebenen Haushaltsmittel in Höhe von 120 Millionen Euro sind im Verhältnis etwa 2:3 zwischen KNDS und Israel aufgeteilt. Der Bund hat 17 Türme Leopard 2 A6 A3 und einen Turm (Leopard 2 VT-ETB) für den Versuchsträger bereitgestellt, in die von KNDS die Schutzsysteme integriert werden. Die Türme mit eingebauten Trophy-Systemen werden mit neugebauten Fahrgestellen „verheiratet“, die KNDS eigens für dieses Projekt herstellt.
Neue Fahrgestelle sind u.a. erforderlich, um die zusätzlich notwendige Stromversorgung unterbringen zu können. Außerdem liefert KMW Spezialcontainer für Transport und Aufbewahrung von Komponenten, Sonderwerkzeugen und Zubehör des Schutzsystems. Dazu gehören Trophy-Attrappen, die genutzt werden, wenn die scharfen Systeme nicht aufgebaut werden können oder sollen.
Leistungsbestimmende Komponenten des Leopard 2 A7A1
Die „neuen“ Kampfpanzer entsprechen dem Standard A7. Das heißt sie verfügen über
- die Waffenanlage 120mm/L55A1 von Rheinmetall mit HE-Anpassung,
- das neue PERI R17 A3 von Hensoldt mit Wärmebildgerät der 3. Generation,
- eine neue Bordverständigungsanlage,
- die Energie- und Kampfraumkühlanlage EKKA,
- ein Stromerzeugeraggregat (Auxiliary Power Unit, APU) mit 20 kW Leistung,
- Ultracaps in Wanne und Turm zur Stabilisierung des Stromnetzes,
- den Thermoschutz Barracuda und
- eine geänderte Brandunterdrückungsanlage.
Seit der Version A7V ist der Leopard 2 für ein Gefechtsgewicht von 70 Tonnen qualifiziert, 15 Tonnen mehr als die Ausgangsversion A1. Um die Mobilität zu erhalten, wurde die Übersetzung des Seitenvorgeleges verändert, um das ursprüngliche Beschleunigungsverhalten annähernd wiederherzustellen. Der von MTU Friedrichshafen grundüberholte Motor hat eine leistungsgesteigerte Motorkühlung erhalten.
Leoparden des Heeres
Mit dem Leopard 2 A7A1 erhält die Bundeswehr erneut einen Spitzenpanzer in der Leopard 2-Familie. Seit 2017 wird der Leopard 2-Bestand des Heeres auf den Standard A7 umgerüstet. Die neuen Versionen heißen A7V, ausgeliefert bis 2023, und A6A3/A6MA3, die – ebenso wie die Leopard 2 A7A1 – bis 2025 ausgeliefert werden sollen. Es bleiben 106 Leopard 2 A5/A6 von den 328 Panzern im Bestand des Heeres, über deren Schicksal möglicherweise 2026 entschieden wird.
Derweil steht mit dem Leopard 2 A8 das nächste Spitzenmodell auf dem Plan. Ab 2025 sollen insgesamt 123 Panzer mit neu gebautem Turm, integriertem APS Trophy, digitalen Optiken und überarbeitetem Triebwerk an die Bundeswehr und eine weitere dreistellige Anzahl an europäische Nationen geliefert werden.
Gerhard Heiming