Die Nachtkampffähigkeit ist entscheidend, um das heutige Gefechtsfeld zu dominieren. Die Zukunft der Nachtsicht ist eine Kombination aus Restlichtverstärker, Wärmebildgerät und der Verknüpfung mit digitalen Informationen. Obwohl niemand bestreitet, dass diese Fähigkeit eine Überlegenheit gegenüber dem oft schlechter ausgestatteten Feind ermöglicht, ist die Ausstattung vieler Streitkräfte dürftig, Ausnahmen bilden nur Spezialkräfte. Auch in der Bundeswehr gibt es hier noch große Baustellen, erste Maßnahmen wurden jedoch ergriffen.
So ist dem Bericht des BMVg zu Rüstungsangelegenheiten vom Juni 2019 zu entnehmen: „Die derzeitigen Bestände an plattformungebundenen Nachtsichtbrillen belaufen sich auf ca. 11.500 Bildverstärkerbrille(n) leicht und ca. 1.700 Bildverstärkerbrille(n), binokular, Kraftfahrer. Für eine aufgabenorientierte Ausstattung liegt der Gesamtbedarf der Streitkräfte für eine querschnittliche Nachtsehfähigkeit bei ca. 120.000 Nachtsichtbrillen. Zukünftig sollen alle Bildverstärkerbrillen auch zur Führung von Kraftfahrfzeugen geeignet sein. Das heißt die Bundeswehr deckt den momentanen Bedarf gerade einmal zu ca. zehn Prozent ab, somit gibt es noch viel zu tun und für die Industrie Möglichkeiten für gute Geschäfte.
Signifikante Erhöhung
Ziel ist die signifikante Erhöhung der Nachtsicht- /Nachtkampffähigkeit in allen Bereichen. Diese wird sich auch bei den Handwaffen durch alle Bereiche ziehen. Daher werden Laser-Licht-Module Standard bei jedem Projekt. Und alle Waffenoptiken müssen eine uneingeschränkte Nachtkampffähigkeit vorweisen können, d.h. sie müssen mit Vorsatzgeräten oder in Verbindung mit Nachtsichtbrillen einsatzfähig sein.
Grundlage für jegliche Maßnahme ist das Konzept „Plattformungebundene Nachtsehfähigkeit der Bundeswehr“ von 2016. Es orientiert sich dabei am Konzept „Handwaffen der Bundeswehr“, vor allem hinsichtlich der Vorgaben zum Reichweitenspektrum als auch den Befähigungsstufen. Bei den Befähigungsstufen wird in vier Stufen unterschieden, mit Stufe 4 sind die Spezialkräfte der Bundeswehr ganz oben angesiedelt, mit Stufe 3 folgen die Spezialisierten Kräfte, Stufe 2 die Kräfte mit einem abgesessenen Auftrag als Hauptaufgabe sowie die Unterstützungskräfte der Spezial- und Spezialisierten Kräfte sowie mit Stufe 1 alle anderen Kräfte für Landoperationen.
Aktuelle Beispiele
Laut dem Bericht des BMVg zu Rüstungsangelegenheiten sind dem Thema aktuell 20 Vorhaben zuzuordnen:
- sieben Vorhaben zu Nachtsichtbrillen in Anfangs- oder Ergänzungsausstattungen,
- fünf Vorhaben zu Fernrohren bzw. Wärmebildbeobachtungsgeräten sowie
- acht Vorhaben zu Zielhilfsmitteln bzw. Zielgeräten.
Für die 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sind in der Beschaffung über 9.800 Nachtsichtbrillen vorgesehen, davon bereits rund 70 Prozent unter Vertrag. Bis Ende April wurden schon 20 Prozent dieser Geräte ausgeliefert, bis Ende des Jahres kommen weitere dazu und für die restlichen 30 Prozent laufen die Vorbereitungen für einen Vertragsabschluss.
Ein ganz kronkretes Beispiel: Die Theon Deutschland GmbH hat einen Auftrag über 906 Nachtsichtbrille NYX (Theon) für das Kommando Spezialkräfte (KSK), die Auslieferung soll dieses Jahr beginnen. Die NYX wird in Teilen den KSK-Forderungen nach angepasst und enthält 18-mm-Röhren von Harris (bis zum Abschluss der Übernahme durch Elbit). Die Brille ist eine Anpassentwicklung und soll wohl unter der Bezeichnung BivBrille NYX SpezKr eingeführt werden, sie kommt unter anderem mit einem eigenen Kopftragesystem auf MESH-Basis von Theon.
Für das neue Gewehr Spezialkräfte G95k werden 1.745 Laser-Licht-Module von Rheinmetall beschafft, eines für jedes Gewehr. Gleiches gilt für den Nachfolger des G36. Neben der Ausschreibung für das neue Standardgewehr der Bundeswehr soll gleichzeitig eine Ausschreibung für die Optik und ein Laser-Licht-Modul erfolgen. Mit rund 130.000 Stück soll fast jedes Gewehr mit einem Laser-Licht-Modul ausgestattet werden. Pistolen sollen in Zukunft nur noch im Status Optical Ready gefordert werden oder gleich mit einem entsprechenden Rotpunktvisier und Laser-Licht-Modul.
Zu den schon angesprochenen Nachtsichtbrillen sollen ab dem Jahr 2020 mindestens 2.200 Beobachtungsgeräte bzw. Vorsatzgeräte hinzukommen. Für den Sofortbedarf für die NATO-Speerspitze 2023 wird die Beschaffung eines ersten Loses mit 5.500 Bildverstärkerbrillen eingeleitet. Die Beschaffung soll in Kooperation mit einem NATO-Partner und über die Rüstungsagentur OCCAR ab 2022 erfolgen. Um den strukturellen Bedarf auch nur im Ansatz zu decken sollen ab 2023 noch einmal über 41.000 Bildverstärkerbrillen als Neuvorhaben hinzukommen.
Geräte der Bundeswehr
Mit der Einführung des Systems Infanterist der Zukunft-ES wurde auch in der Nachtsicht ein Quantensprung vollzogen, so wurden unter anderem die Geräte NYXUS BIRD (Jenoptik), LUCIE II D/IR (Thales), DRAGON C und MERLIN LR (für G28) (beide Qioptiq), JIM LR (Safran Electronics) oder das MOSKITO (Vectronix) eingeführt. Die LUCIE von Thales ist bei den abgesessenen Kräften als Standardbrille für den soldatischen Einsatz der Infanterie eingeführt, hinzukommen die LUCIE IID (im Infanterist der Zukunft), LUCIE IIDIR (im Infanterist der Zukunft in Verbindung mit einem Modul Wärmebildgerät) sowie MONIE (monokulare Nachtsichtbrille in geringeren Stückzahlen). Als Fahrerbrille für militärische Kraftfahrer wird die BONIE-M verwendet. Hinzu kommen in kleinere Stückzahlen die L3 PVS-14 oder der L3 GPNGV-18 (Ground Panoramic Night Vision Goggle – mit 4 x 18 mm Röhren) und die AN/PSQ 36 (Fusion Goggle Enhanced) beim KSK.
Die aktuellste Beschaffung ist die BiV-Brille leicht, mit mehr als 4.000 Stück (rund. 1.000 für das Heer) der TELEFUNKEN RACOMS XACT nv33. Dabei handelt es sich um eine nach deutschen Forderungen (Kopftragesystem, Schaltbaugruppe) angepasste, 450 gr. leichte, binokularen Bildverstärkerbrille. Dieses Binokularbrille hat eine einfache Vergrößerung, ein 40° Sehfeld, bietet 2.300 FOM, ist autogated und verwendet zwei 16 mm Photonis-Röhren. Sie wird in Teilen die bisherige Standardbrille Thales LUCIE ersetzen.
Autor: André Forkert