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PCAS – Schnellere Luftnahunterstützung durch bessere Kommunikation

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Kommt es zu einem Feuergefecht, können Sekunden über Leben oder Tod entscheiden. Zu einer der wichtigsten Unterstützungen, die die Infanterie anfordern kann, gehört die Streitkräftegemeinsame Taktische Feuerunterstützung/Indirektes Feuer sowie der Close Air Support (CAS; deutsch: Luftnahunterstützung) durch Luftfahrzeuge. Diese Unterstützungsmaßnahmen finden heute zumeist im multinationalen Rahmen statt. So forderte zum Beispiel eine deutsche Infanterieeinheit in Afghanistan die CAS-Unterstützung an und bekam ein amerikanisches oder französisches Luftfahrzeug zugewiesen. Das erste Problem sind die oft schon nicht einheitlichen Funkgeräte, das zweite oft die Sprache, denn Englisch ist nicht immer gleich Englisch. So berichten deutsche Einsatzkräfte aus Afghanistan von US-Piloten, die wohl aus Texas stammten und kaum zu verstehen waren. Das dritte Problem sind die Prozesse, die sich seit der Einführung von Luftnahunterstützung im Ersten Weltkrieg kaum verändert haben. Piloten und abgesessene Bodentruppen können sich auf jeweils nur ein Ziel konzentrieren. Die Verständigung und Einweisung verläuft dabei primär über Sprechfunk und Rückgriff auf einfache analoge oder digitale Karten. Es vergeht kostbare Zeit, bis angeforderter Close Air Support seine Wirkung entfalten kann. In dieser Zeit kann das zu bekämpfende Ziel selbst zum Angriff übergehen oder sich dem Angriff entziehen.

Datenkommunikation vs. Sprechkommunikation

Die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), eine Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums, hat in Zusammenarbeit mit der Industrie bereits 2015 ein Lösung entwickelt, welche seitdem weiterentwickelt wurde und nun sukzessive in die Streitkräfte eingeführt werden soll. Das System Persistent Close Air Support (PCAS) bietet den Informationsaustausch in Echtzeit, schnellere Reaktion und eine präzise Zielansprache. Es verbindet die bodengestützten Joint Terminal Attack Controller (JTAC) bzw. Forward Air Controller (FAC) direkt mit den Luftfahrzeugen. JTACs oder FACs sind heute in der Regel Teil von Spezialkräften und einer jeden Infanterieeinheit.

Für den Abruf von Luftnahunterstützung bleibt oft nur wenig Zeit. Die Luftfahrzeuge befinden sich nur sehr kurze über dem Zielgebiet. In dieser Zeit müssen die Zielkoordinaten, gegebenenfalls eigene und verbündete Positionen, usw. durchgegeben werden. Der Pilot muss diese dann bestätigen und in sein Waffensystem eingeben. Seine Zeit im Ziel – inklusive der punktgenauen Identifizierung – ist ebenfalls sehr kurz.

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„Durch die schnellere Übermittlung von Informationen an die Flugzeugbesatzungen verringert PCAS das Risiko auf dem Gefechtsfeld sowie von Kollateralschäden“, so Ryan McLean, PCAS-Programmmanager bei Raytheon, welches die Rolle des Systemintegrators in PCAS-Programm übernommen hat.

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Am 27. März 2015 testete die DARPA das komplette PCAS-Prototypen-System erstmals erfolgreich im Rahmen der U.S. Marine Corps Talon Reach. (Video: DARPA)

Die digitale Übermittlung spart im Vergleich zur Sprachübermittlung enorm viel Zeit. Das gleiche gilt für eine Zielvermessung mit hoher Genauigkeit. Es entlastet zudem den Piloten. Daneben werden mögliche Fehlerquellen reduziert. Diese können zum Beispiel beim Vorlesen der Zielkoordinaten oder bei der händischen Eingabe dieser ins Waffensystem erfolgen.

Laut Raytheon kann ein PCAS-befähigter Soldat in weniger als sechs Minuten Luftunterstützung für mehrere Ziele von bemannten oder unbemannten Plattformen anfordern. CAS-Anforderungen per Sprache können dagegen bis zu 30 Minuten für Planung und Koordinierung benötigen. „Wenn Bodentruppen das Bodenziel identifiziert haben oder unter Feuer liegen, dann sollten sie bei CAS nicht von Papierkarten und der Sprachkommunikation abhängig sein“, so McLean.

Persistent Close Air Support
Von Dezember 2012 bis März 2013 führe die DARPA Feldtests der PCAS-Ground-Software in Afghanistan durch. Dafür wurden 500 Android-Tabletts an in Afghanistan stationierte Einheiten ausgegeben. (Foto: DARPA)

Das PCAS-Netzwerk teilt alle Informationen digital zwischen den JTCAs, Piloten und anderen angeschlossenen Soldaten, über Tablets, auf denen die Tactical Assault Kit-Software betrieben wird. Die PCAS-Algorithmen im Luftfahrzeug helfen dabei, die Ziele zu lokalisieren, Angriffswege zu kartieren und die richtige Waffe zum richtigen Zeitpunkt für ein bestimmtes Ziel einzusetzen.

Raytheon verweist darauf, dass das PCAS mithilfe von Agile- und DevOps-Softwaremethoden und -Tools entwickelt wurde. Dies verkürzte nicht nur die Entwicklungszeit, sondern erlaubt es auch, neue Funktionen deutlich einfacher zu implementieren. So könnte sich der Programmmanager vorstellen, dass die Steuerung von bestimmten Sensoren ebenfalls ferngesteuert über das PCAS erfolgen könnte.

Zielsetzung des PCAS-Programms laut der DARPA

Die DARPA hat im Juli 2010 das Programm Persistent Close Air Support ins Leben gerufen, um die Prozesse im Close Air Support deutlich zu beschleunigen. PCAS strebte eine grundlegende Steigerung der CAS-Effektivität an, indem es Bodentruppen und Luftfahrzeugbesatzungen ermöglicht, in Echtzeit Lageinformationen und Waffensystemdaten auszutauschen. Das System sollte es den Bodentruppen ermöglichen, mehrere Ziele gleichzeitig schnell und sicher zu identifizieren. JTACs und Luftfahrzeugbesatzungen sollten in die Lage versetzt werden, gemeinsam das beste zur Verfügung stehende Wirkmittel auszuwählen und präzise zum Einsatz bringen zu können, um Kollateralschäden und die Gefährdung eigener und verbündeter Kräfte bestmöglich auszuschließen.

Das Programm verfolgte zahlreiche Verbesserungen, wie beispielsweise:

  • Verkürzung der Zeit vom Einleiten eines Angriffes bis zur aktiven Bekämpfung des Ziels um den Faktor 10, von bis zu 60 Minuten auf maximal 6 Minuten.
  • Direkte Koordinierung von Luftangriffen aus bemannten oder unbemannten Luftfahrzeugen durch die Bodentruppen.
  • Verbesserte Geschwindigkeit und Überlebensfähigkeit der Bodentruppen, die mit feindlichen Truppen in Kontakt kommen.
  • Einsatz kleinerer, präziserer Wirkmittel gegen kleinere und bewegliche Ziele bei schlechten Sichtverhältnissen.
  • Ein fragmentierter Systemaufbau; Dieser verhindert bei einem Ausfall einer Funktion des Systems, dass Bodentruppen und Kampfflugzeug die komplette CAS-Fähigkeit verlieren.

PCAS umfasst zwei Hauptkomponenten: PCAS-Air (Luft) und PCAS-Ground (Boden). PCAS-Air ist ein plattformunabhängiges Plug-and-Play-System, das aus einem internen Navigationssystem, Wirkmitteln und Waffeneinsatzsystemen sowie Hochgeschwindigkeits-Datenübertragungssystemen bestehen sollte. Basierend auf taktischen Informationen, sollen automatisierte Algorithmen von PCAS-Air optimale Anflugswinkel zum Ziel, am besten geeignete Wirkmittel und deren Einsatzweise vorschlagen.

Die Kommunikation zwischen PCAS-Air und den JTACs/FACs soll mittels PCAS-Ground erfolgen, einem Bündel von Technologien, das eine verbesserte Mobilität, Lagewahrnehmung und Übermittlung von Zielkoordinaten ermöglichen soll.

André Forkert